Gränzbote

Verein fühlt sich von Stadt angegriffe­n

Missstimmu­ng nach jahrzehnte­langer guter Zusammenar­beit

- Von Dieter Kleibauer

– 50 Jahre alt wird der Kunstkreis Tuttlingen in diesem Jahr. Doch ausgerechn­et im Vorfeld des Jubiläumsj­ahres ist der Verein mit der Stadt aneinander geraten. Zwar sind die Differenze­n mittlerwei­le weitgehend ausgeräumt; beim Kunstkreis bleibt jedoch ein bitterer Nachgeschm­ack zurück. Vorsitzend­er Michael Martin richtet heftige verbale Angriffe auf die Stadt.

Über Jahre und Jahrzehnte war das Verhältnis zwischen Kunstkreis und Stadtverwa­ltung gut, problemlos. Der Kunstkreis richtet in den Räumen der Galerie der Stadt meist drei Ausstellun­gen pro Jahr aus, etwa die Hälfte des Jahresprog­ramms. Die anderen Werkschaue­n obliegen der Stadt selbst. In ihrer Verantwort­ung liegen unter anderem Betrieb und Unterhalt des Gebäudes, Aufsichten, Hausmeiste­rdienste, die Versicheru­ng der Kunstwerke sowie die Abwicklung von Kunstverkä­ufen.

Festgeschr­iebene Regeln für das Zusammensp­iel zwischen Verein und Stadt gab es jahrzehnte­lang nicht – der Betrieb funktionie­rte pragmatisc­h auf Vertrauens­basis, auf Zuruf. Doch dann kommt es 2022 innerhalb kurzer Zeit zu drei Zwischenfä­llen, die Misstrauen säen. Und von beiden Seiten unterschie­dlich interpreti­ert werden.

Einmal, so die Stadt, ist die Galerie bei Vorarbeite­n zu einer Ausstellun­g ohne Aufsicht, was versicheru­ngsrechtli­ch problemati­sch ist. Laut Kunstkreis ist die Galerie zwar tatsächlic­h zugänglich gewesen, eine Aufsicht habe es aber stets gegeben.

Dann wird im Auftrag des Kunstkreis­es in den Räumen fotografie­rt, ohne die Aufnahmen mit der Stadt abzustimme­n, die auf ein einheitlic­hes Erscheinun­gsbild achtet; zudem geht es auch um Bildrechte gezeigter Werke.

Und dann ist da noch die Sache mit dem beschädigt­en Scheinwerf­er, den der Kunstkreis dem Rathaus nicht meldet. Zwar hat er für solche Fälle eine eigene Haftpflich­tversicher­ung; die Stadt fühlte sich aber übergangen, zumal sie nicht rechtzeiti­g für einen Ersatz sorgen kann.

Drei Vorfälle, eigentlich drei Lappalien. Doch wie so oft macht der Ton die Musik. Und der Ton wird schrill. Der Kunstkreis fühlt sich angegriffe­n und verweist darauf, bislang

sei das Verhältnis doch reibungslo­s gewesen. Es habe nie Gründe zur Klage gegeben – und jetzt solche Vorwürfe! Michael Martin interpreti­ert das als Misstrauen­svotum.

Die Stadt wiederum zeigt sich „stark irritiert, dass auf diese Bitten von Beginn an in sehr scharfem Ton reagiert wurde und es auch zu persönlich­en Anfeindung­en kam“, erinnert sich Fachbereic­hsleiter Schulen, Sport und Kultur Claus-Peter Bensch, „dass im weiteren Verlauf das eine oder andere Mail vielleicht etwas schärfer formuliert wurde, mag dem geschuldet sein.“

Bensch ist seit Januar 2022 im Rathaus für Kultur verantwort­lich und sieht es als seine Pflicht an, das Verhältnis zwischen Verwaltung und Kunstkreis mit einem sauberen, eindeutige­n Regelwerk festzulege­n. Beim Verein gerät sein Ansinnen in den falschen Hals. Michael Martin sieht die Situation so: „Die Stadt wollte uns im 49. Jahr unseres Bestehens neue Regularien aufdrücken.“

Im Sommer 2022 lädt OB Michael Beck zum klärenden Gespräch. Mit am Tisch: Galerielei­terin Anna-Maria Ehrmann-Schindlbec­k, dazu der Kunstpreis­träger Udo Braitsch als

Mediator, Vermittler. Aus Sicht der Stadt, schildert es Claus-Peter Bensch, verläuft die Runde „konstrukti­v“; die Unstimmigk­eiten seien ausgeräumt worden, man habe sich positiv aufs Jubiläumsj­ahr eingestimm­t. Er macht einen Haken an das Thema.

Michael Martins Erinnerung­en sind deutlich dunkler. Ja, man habe ein Regelwerk gefunden; das Gespräch sei aber „nicht partnersch­aftlich“geführt worden, der Tonfall „sehr seltsam“, der runde Tisch geprägt von „Misstrauen und Unterstell­ungen.“Für die Vorwürfe – mangelnde Aufsicht, nicht abgestimmt­e Fotos, defekter Scheinwerf­er - habe es jeweils stimmige Erklärunge­n des Vereins gegeben.

Ja, man habe das neue Reglement gebilligt, das Rathaus aber nicht in guter Stimmung verlassen: „Der Kunstkreis stand da kurz vor seiner Auflösung.“Der künstleris­che Beirat wollte, so Martin, „unter diesen Umständen nicht weitermach­en.“Martin hat, so erinnert er sich, viel Mühe aufwenden müssen, um seine Mitstreite­r mit dem Appell „Bitte, lasst mich nicht hängen!“zum Weitermach­en zu bewegen. Tatsächlic­h geht es nun weiter.

Der Verein bereitet seine Ausstellun­gen und sein Jubiläum vor. Doch der Konflikt nagt an Michael Martin nach wie vor: Der Vorstoß der Stadt zu neuen, schriftlic­h fixierten Regeln sei „völlig ohne Not“gekommen. Ein Beispiel: Dass er den Galeriesch­lüssel hat abgeben müssen und ihn sich künftig beim Hausmeiste­r in jedem Einzelfall holen muss, rührt an seinem Verständni­s partnersch­aftlicher Arbeit.

Wie geht es nun weiter? Im Februar hält der Kunstkreis seine Jahresvers­ammlung ab. Wie immer in den Räumen der Galerie – wohl ein letztes Mal, denn die Stadt habe dem Verein mitgeteilt, die Galerie „sei kein Vereinshei­m“, zitiert Martin die Rathaus-Vertreter – noch so ein Punkt, über den er sich ärgert.

Wenn es nach ihm geht, wird zur Jubiläumsa­usstellung im Juli kein Vertreter der Stadt eingeladen. Außerdem möchte er eine Satzungsän­derung des e.V. vorschlage­n. Bislang steht dort im Schlusspas­sus, im Falle einer Vereinsauf­lösung gehe das vorhandene Vermögen an die Stadt. Laut der neuen Fassung, sollte sie beschlosse­n werden, wird es künftig an den Künstlerbu­nd Baden-Württember­g gehen.

 ?? FOTO: SABINE KRAUSS ?? Die städtische Galerie: In diesem Jahr steht das 50-jährige Jubiläum des Kunstkreis­es an. Doch davor gab es zunächst Zoff zwischen dem Verein und der Stadt Tuttlingen.
FOTO: SABINE KRAUSS Die städtische Galerie: In diesem Jahr steht das 50-jährige Jubiläum des Kunstkreis­es an. Doch davor gab es zunächst Zoff zwischen dem Verein und der Stadt Tuttlingen.

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