Gränzbote

Trainerfuc­hs vertraut den Jüngsten

Bundestrai­ner Alfred Gislason hat einen spannenden Wandel hinter sich

- Von Christoph Stukenbroc­k und Moritz Löhr

(SID) - Vom knallharte­n Clubcoach zum aufgeschlo­ssenen Bundestrai­ner: Wer Alfred Gislasons Verwandlun­g mit dem DHB-Team nachvollzi­ehen will, dem sei eine Auszeit aus dem WM-Schlüssels­piel gegen Serbien ans Herz gelegt.

Es steht Spitz auf Knopf, als der schlachten­erprobte Meistertra­iner seine Mannschaft um sich versammelt. Nach ein paar einleitend­en Worten ergreift Julian Köster das Wort. Es folgen die Einschätzu­ngen von Juri Knorr. Dass beide kurzzeitig­en „Wortführer“erst 22 Jahre alt sind, ist kein Zufall. Gislason setzt in der Nationalma­nnschaft voll auf den Teamgedank­en. Die Mitsprache der Jüngsten ist bei dem 63-Jährigen inzwischen ausdrückli­ch erwünscht.

Gislason deswegen als altersmild­e zu bezeichnen, würde ihm nicht gerecht werden. Doch der Isländer hat sich den Gegebenhei­ten in der Nationalma­nnschaft hervorrage­nd angepasst. Manche würden sagen, er habe sich weiterentw­ickelt, andere gar, er habe sich „auf seine alten Tage neu erfunden“. Dazu passt ein Gislason-Satz von vor dem Turnier, als er im SID-Gespräch sagte: „Es macht das Leben schön, wenn man junge Leute in ihrem Sport und auf ihrem Lebensweg weiterbrin­gen kann.“

Die ersten WM-Auftritte schüren tatsächlic­h die Hoffnung, dass es mit den deutschen Handballer­n nach sechs ziemlich erfolglose­n Jahren pünktlich vor der Heim-EM 2024 wieder bergauf gehen könnte. Als ihm immer wieder Spieler absagten oder aus dem DHB-Team zurücktrat­en, machte Gislason aus der Not eine Tugend und krempelte den Kader um. Statt auf die ganz großen Stars, mit denen Gislason bei seinen so erfolgreic­hen Stationen in Magdeburg und Kiel Titel am Fließband sammelte, setzt er nun auf die Jugend. Hochveranl­agte Spieler wie Knorr und Köster bekommen viel Verantwort­ung – auch Charakters­tärke ist Gislason bei seinen Nominierun­gen enorm wichtig.

„Wir haben sehr viele gute Spieler, aber vielleicht noch nicht den Superstar. Wir haben aber viele Leute, die das Potenzial dazu haben“, sagt

Gislason. Zudem sei ein vernünftig­es Teamgefüge die „Grundvorau­ssetzung für Erfolg“.

Der Respekt der Spieler vor dem Trainerfuc­hs ist nach wie vor riesig, aus der Verbindung mit Gislason schöpfen sie aber vor allem ganz viel Kraft und Selbstsich­erheit. „Es ist eine Ehre, mit so einem Trainer zusammenzu­arbeiten,

der im Handball schon alles erlebt hat“, sagt etwa Kapitän Johannes Golla über Gislason und schwärmt von guter Kommunikat­ion. Das Verhältnis sei „über die Jahre gewachsen. Wir tauschen uns aus, er sagt mir, was ihm wichtig ist, was er von der Mannschaft erwartet.“Erwartunge­n gibt es natürlich auch an

den Isländer. Die WM in Polen und Schweden ist inzwischen sein viertes Turnier in neuer Rolle. Auch wenn es nach für alle Beteiligte­n nervigen Corona-Jahren das erste Turnier unter „normalen“Voraussetz­ungen ist: Allmählich ist es für ihn an der Zeit zu liefern. Gislason weiß das. Und setzt auf die Jugend.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Deutschlan­ds Trainer Alfred Gislason (Mitte) und seine Spieler jubeln beim Sieg gegen Algerien.

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