Deutlich weniger Schüler bei den Musikschulen
Vor fünf Jahren haben die Zweigstellen der Musikschule geschlossen – Was seitdem passiert ist
TUTTLINGEN - Ein Knall war es nicht, aber es hat ganz schön geknirscht im Gebälk der Musikschule Tuttlingen, als vor fünf Jahren Schluss war mit ihren Außenstellen. Die Gemeinden der Zweigstellen wollten die Erhöhung von Zuschüssen für Musikschüler nicht mitgehen, sie beklagten mangelnde Kommunikation. 170 Schüler waren damals betroffen, die in den fünf Außenstellen unterrichtet wurden. Was ist draus geworden?
Recht eindeutig ist: Die Musikschule hat Schüler verloren. Waren es 2015 noch mehr als 1000 im Instrumentalbereich, sind es heute 787. Diese Zahlen gibt die Stadt Tuttlingen auf Nachfrage bekannt. Zwar seien bestehende Verträge damals beibehalten worden, es kamen aber weniger Neuanmeldungen von Schülerinnen und Schülern aus den Gemeinden. Allein daran liege es aber nicht, erklärt Stadtsprecher Arno Specht. Auch die Entwicklung hin zur Ganztagsschule habe die Musikschule Schüler gekostet, und nicht zuletzt die Corona-Pandemie. Diesen Effekt gebe es nicht nur in Tuttlingen.
Im Elementarbereich, also Angeboten vom Kleinkind- bis zum Vorschulalter, ist nach dem Ende der Zweigstellen die Zahl der Schülerinnen und Schüler zunächst gewachsen. Erst mit der Coronazeit hätten sie sich wieder rückläufig entwickelt, so Specht. Momentan kommen etwa 600 Kinder in die Kurse.
Analog zu den Kursen sind auch die Lehrerstunden zurückgegangen. Momentan unterrichten 39 Lehrerinnen und Lehrer an der Musikschule. Weil sich das Leben der Kinder und Jugendlichen mehr in die Schule verlagert habe, baue die Musikschule ihre Schulangebote aus, teilt die Stadt mit. Nach wie vor sei aber Instrumentalunterricht beliebt, besonders das Tasteninstrument Klavier. „Erfreulich ist aktuell, dass die Schülerzahlen bei Oboe und Fagott gewachsen sind, denn beispielsweise im Kooperationsorchester oder dem Jugendblasorchester sind diese Instrumente extrem gefragt“, so Specht.
Insgesamt stehe die Musikschule gut da. „Die städtische Musikschule ist weiterhin, neben den privaten Musikschulen in Tuttlingen, Anlaufpunkt für alle Musikbegeisterten von Jung bis Alt – von der jüngsten Schülerin im Babyohrwürmchenkurs bis zum ältesten Schüler an der VeehHarfe haben wir eine Spanne von 90 Jahren“, sagt Specht.
Und wie haben sich die Gemeinden aufgestellt?
Emmingen-Liptingen:
„Nach der ersten Aufregung hat sich alles beruhigt“, sagt Bürgermeister Joachim Löffler zum Ende des Ortsteils Emmingen als Zweigstelle der Musikschule Tuttlingen. Die Emminger Musikschüler aus dem Musikverein besuchen nun auch die Bezirksblasmusikschule Aachtal. Kinder, die Musikunterricht erhalten wollen, können nach wie vor zur Musikschule nach Tuttlingen, aber es findet eben kein Unterricht mehr in Emmingen statt – das war mit einer der Vorteile einer Zweigstelle.
Doch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Musikunterricht nehmen, ist zurückgegangen. Sowohl bei der Ausbildung im örtlichen Musikverein wie auch bei anderen Musiklehrern. Vor der Auflösung der Zweigstelle hat die Gemeinde bis zu 16.000 Euro für Musikunterricht aufgewendet. Aktuell sind es zwischen 8.000 und 9.000 Euro pro Jahr. Die Gemeinde bezuschusst den Unterricht nach wie vor. Allerdings nicht mehr pauschal, wie als Zweigstelle, sondern prozentual: Zwölf Prozent des Elternbeitrags werden erstattet, wer zusätzlich in einem örtlichen Musikverein spielt, erhält 18 Prozent Förderung.
Immendingen:
Die Gemeinde zieht eine positive Bilanz
seit der Trennung von Tuttlingen, so der Immendinger Hauptamtsleiter Mark Löffler. Mittlerweile gebe es zwei Bläserklassen in der Grundschule, geleitet von studierten Musikern und ausgebildeten Musiklehrern. Die Kinder können dort ab der dritten Klasse ein Instrument spielen lernen. Die Personalkosten trägt die Gemeinde.
Zudem bieten die örtlichen musiktreibenden Vereine zusammen mit professionellen Musiklehrern ein Ausbildungsangebot von musikalischer Früherziehung über Klangstraßen, Gruppenunterricht sowie Einzelunterricht an. Neben den gängigen Blasinstrumenten gehören Schlagwerk, Klavier und Akkordeon dazu. Die Ausbildungen finden im gesamten Gemeindegebiet statt, die Gemeinde stelle die Räumlichkeiten kostenfrei zur Verfügung. Zwischen fünf Euro pro Monat für Frühkindliche Musikausbildung bis hin zur Instrumentalausbildung im Einzel- oder Gruppenunterricht mit zwölf Euro im Monat fördert die Gemeinde den Unterricht. Insgesamt werde in etwa die gleiche Summe wie vorher ausgegeben. Allerdings könnten nun mehr Kinder davon profitieren, da sich der Zuschuss nicht auf eine Institution beschränke, sondern für jeden professionellen Unterricht bezahlt wird. Die Angebote würden gut angenommen werden.
Wurmlingen:
„Das Angebot für die Kinder und Jugendlichen hat sich eigentlich nicht verändert“, meint Hauptamtsleiterin Sandra Feria Olid. Aber die Gemeinde habe nun die Möglichkeit, eigenständig über die Bezuschussung beziehungsweise die Förderung und damit über das Budget zu entscheiden. Die musikalische Ausbildung wird mit einem Betrag von monatlich zwölf Euro unterstützt, die musikalische Früherziehung mit fünf Euro. Wer ein Instrument lernen möchte, kann das über die Kooperation der musiktreibenden Vereine und der Konzenbergschule, den Angeboten der Musikschule in Tuttlingen aber auch in Wurmlingen und den privaten Musiklehrern tun. Die Gemeinde setze nach wie vor das gleiche Budget ein wie vor Ende der Kooperation mit Tuttlingen.
Mühlheim
Die Trennung von der Tuttlinger Musikschule sei sauber gelaufen, sagt Mühlheims Bürgermeister Jörg Kaltenbach. Die Gemeinde legte nach der Schließung der Zweigstelle neue Förderrichtlinien für Musikunterricht auf. Nun bekommen Kinder, die qualifizierten Musikunterricht erhalten – egal, ob in der Musikschule Tuttlingen oder an einer anderen
Musikschule und von Musiklehrern – zwölf Euro pro Monat Zuschuss von der Gemeinde, fünf Euro gibt es für die musikalische Früherziehung.
24 Kinder und Jugendliche aus Mühlheim sind derzeit bei der Tuttlinger Musikschule angemeldet, 49 bei anderen, vor allem bei der privaten Musikschule „Hast du Töne“. Sie hat sich auf Blasinstrumente spezialisiert und kooperiert mit mehreren Stadtkapellen. „Wir haben uns gegenseitig arrangiert, wir fühlen uns wohl, so wie es jetzt ist“, meint Kaltenbach.
Fridingen
Das Modell der Außenklassen sei historisch gewachsen gewesen, meint Fridingens Bürgermeister Stefan Waizenegger rückblickend, „warum das so war, wie es war, wusste niemand mehr“. Auch die Stadt Fridingen zahlt weiter Zuschüsse für Musikunterricht. In Fridingen erhalten 46 Schülerinnen und Schüler einen kommunalen Zuschuss von monatlich zwölf Euro. 21 sind bei der Musikschule Tuttlingen, 25 bei anderen Trägern. Diese müssen aber nachweisen, fachlich hochwertigen Unterricht zu gewährleisten.
Egal, wo die Kinder ihre Instrumente lernen: „Für uns ist relevant, dass die Kinder von qualifizierten Leuten unterrichtet werden“, sagt Waizenegger.