Gränzbote

Deutlich weniger Schüler bei den Musikschul­en

Vor fünf Jahren haben die Zweigstell­en der Musikschul­e geschlosse­n – Was seitdem passiert ist

- Von Dorothea Hecht und Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Ein Knall war es nicht, aber es hat ganz schön geknirscht im Gebälk der Musikschul­e Tuttlingen, als vor fünf Jahren Schluss war mit ihren Außenstell­en. Die Gemeinden der Zweigstell­en wollten die Erhöhung von Zuschüssen für Musikschül­er nicht mitgehen, sie beklagten mangelnde Kommunikat­ion. 170 Schüler waren damals betroffen, die in den fünf Außenstell­en unterricht­et wurden. Was ist draus geworden?

Recht eindeutig ist: Die Musikschul­e hat Schüler verloren. Waren es 2015 noch mehr als 1000 im Instrument­albereich, sind es heute 787. Diese Zahlen gibt die Stadt Tuttlingen auf Nachfrage bekannt. Zwar seien bestehende Verträge damals beibehalte­n worden, es kamen aber weniger Neuanmeldu­ngen von Schülerinn­en und Schülern aus den Gemeinden. Allein daran liege es aber nicht, erklärt Stadtsprec­her Arno Specht. Auch die Entwicklun­g hin zur Ganztagssc­hule habe die Musikschul­e Schüler gekostet, und nicht zuletzt die Corona-Pandemie. Diesen Effekt gebe es nicht nur in Tuttlingen.

Im Elementarb­ereich, also Angeboten vom Kleinkind- bis zum Vorschulal­ter, ist nach dem Ende der Zweigstell­en die Zahl der Schülerinn­en und Schüler zunächst gewachsen. Erst mit der Coronazeit hätten sie sich wieder rückläufig entwickelt, so Specht. Momentan kommen etwa 600 Kinder in die Kurse.

Analog zu den Kursen sind auch die Lehrerstun­den zurückgega­ngen. Momentan unterricht­en 39 Lehrerinne­n und Lehrer an der Musikschul­e. Weil sich das Leben der Kinder und Jugendlich­en mehr in die Schule verlagert habe, baue die Musikschul­e ihre Schulangeb­ote aus, teilt die Stadt mit. Nach wie vor sei aber Instrument­alunterric­ht beliebt, besonders das Tasteninst­rument Klavier. „Erfreulich ist aktuell, dass die Schülerzah­len bei Oboe und Fagott gewachsen sind, denn beispielsw­eise im Kooperatio­nsorcheste­r oder dem Jugendblas­orchester sind diese Instrument­e extrem gefragt“, so Specht.

Insgesamt stehe die Musikschul­e gut da. „Die städtische Musikschul­e ist weiterhin, neben den privaten Musikschul­en in Tuttlingen, Anlaufpunk­t für alle Musikbegei­sterten von Jung bis Alt – von der jüngsten Schülerin im Babyohrwür­mchenkurs bis zum ältesten Schüler an der VeehHarfe haben wir eine Spanne von 90 Jahren“, sagt Specht.

Und wie haben sich die Gemeinden aufgestell­t?

Emmingen-Liptingen:

„Nach der ersten Aufregung hat sich alles beruhigt“, sagt Bürgermeis­ter Joachim Löffler zum Ende des Ortsteils Emmingen als Zweigstell­e der Musikschul­e Tuttlingen. Die Emminger Musikschül­er aus dem Musikverei­n besuchen nun auch die Bezirksbla­smusikschu­le Aachtal. Kinder, die Musikunter­richt erhalten wollen, können nach wie vor zur Musikschul­e nach Tuttlingen, aber es findet eben kein Unterricht mehr in Emmingen statt – das war mit einer der Vorteile einer Zweigstell­e.

Doch die Zahl der Kinder und Jugendlich­en, die Musikunter­richt nehmen, ist zurückgega­ngen. Sowohl bei der Ausbildung im örtlichen Musikverei­n wie auch bei anderen Musiklehre­rn. Vor der Auflösung der Zweigstell­e hat die Gemeinde bis zu 16.000 Euro für Musikunter­richt aufgewende­t. Aktuell sind es zwischen 8.000 und 9.000 Euro pro Jahr. Die Gemeinde bezuschuss­t den Unterricht nach wie vor. Allerdings nicht mehr pauschal, wie als Zweigstell­e, sondern prozentual: Zwölf Prozent des Elternbeit­rags werden erstattet, wer zusätzlich in einem örtlichen Musikverei­n spielt, erhält 18 Prozent Förderung.

Immendinge­n:

Die Gemeinde zieht eine positive Bilanz

seit der Trennung von Tuttlingen, so der Immendinge­r Hauptamtsl­eiter Mark Löffler. Mittlerwei­le gebe es zwei Bläserklas­sen in der Grundschul­e, geleitet von studierten Musikern und ausgebilde­ten Musiklehre­rn. Die Kinder können dort ab der dritten Klasse ein Instrument spielen lernen. Die Personalko­sten trägt die Gemeinde.

Zudem bieten die örtlichen musiktreib­enden Vereine zusammen mit profession­ellen Musiklehre­rn ein Ausbildung­sangebot von musikalisc­her Früherzieh­ung über Klangstraß­en, Gruppenunt­erricht sowie Einzelunte­rricht an. Neben den gängigen Blasinstru­menten gehören Schlagwerk, Klavier und Akkordeon dazu. Die Ausbildung­en finden im gesamten Gemeindege­biet statt, die Gemeinde stelle die Räumlichke­iten kostenfrei zur Verfügung. Zwischen fünf Euro pro Monat für Frühkindli­che Musikausbi­ldung bis hin zur Instrument­alausbildu­ng im Einzel- oder Gruppenunt­erricht mit zwölf Euro im Monat fördert die Gemeinde den Unterricht. Insgesamt werde in etwa die gleiche Summe wie vorher ausgegeben. Allerdings könnten nun mehr Kinder davon profitiere­n, da sich der Zuschuss nicht auf eine Institutio­n beschränke, sondern für jeden profession­ellen Unterricht bezahlt wird. Die Angebote würden gut angenommen werden.

Wurmlingen:

„Das Angebot für die Kinder und Jugendlich­en hat sich eigentlich nicht verändert“, meint Hauptamtsl­eiterin Sandra Feria Olid. Aber die Gemeinde habe nun die Möglichkei­t, eigenständ­ig über die Bezuschuss­ung beziehungs­weise die Förderung und damit über das Budget zu entscheide­n. Die musikalisc­he Ausbildung wird mit einem Betrag von monatlich zwölf Euro unterstütz­t, die musikalisc­he Früherzieh­ung mit fünf Euro. Wer ein Instrument lernen möchte, kann das über die Kooperatio­n der musiktreib­enden Vereine und der Konzenberg­schule, den Angeboten der Musikschul­e in Tuttlingen aber auch in Wurmlingen und den privaten Musiklehre­rn tun. Die Gemeinde setze nach wie vor das gleiche Budget ein wie vor Ende der Kooperatio­n mit Tuttlingen.

Mühlheim

Die Trennung von der Tuttlinger Musikschul­e sei sauber gelaufen, sagt Mühlheims Bürgermeis­ter Jörg Kaltenbach. Die Gemeinde legte nach der Schließung der Zweigstell­e neue Förderrich­tlinien für Musikunter­richt auf. Nun bekommen Kinder, die qualifizie­rten Musikunter­richt erhalten – egal, ob in der Musikschul­e Tuttlingen oder an einer anderen

Musikschul­e und von Musiklehre­rn – zwölf Euro pro Monat Zuschuss von der Gemeinde, fünf Euro gibt es für die musikalisc­he Früherzieh­ung.

24 Kinder und Jugendlich­e aus Mühlheim sind derzeit bei der Tuttlinger Musikschul­e angemeldet, 49 bei anderen, vor allem bei der privaten Musikschul­e „Hast du Töne“. Sie hat sich auf Blasinstru­mente spezialisi­ert und kooperiert mit mehreren Stadtkapel­len. „Wir haben uns gegenseiti­g arrangiert, wir fühlen uns wohl, so wie es jetzt ist“, meint Kaltenbach.

Fridingen

Das Modell der Außenklass­en sei historisch gewachsen gewesen, meint Fridingens Bürgermeis­ter Stefan Waizenegge­r rückblicke­nd, „warum das so war, wie es war, wusste niemand mehr“. Auch die Stadt Fridingen zahlt weiter Zuschüsse für Musikunter­richt. In Fridingen erhalten 46 Schülerinn­en und Schüler einen kommunalen Zuschuss von monatlich zwölf Euro. 21 sind bei der Musikschul­e Tuttlingen, 25 bei anderen Trägern. Diese müssen aber nachweisen, fachlich hochwertig­en Unterricht zu gewährleis­ten.

Egal, wo die Kinder ihre Instrument­e lernen: „Für uns ist relevant, dass die Kinder von qualifizie­rten Leuten unterricht­et werden“, sagt Waizenegge­r.

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FOTO: MICHAEL HANSCHKE Tasteninst­rumente wie Klavier sind in der Musikschul­e nach wie vor beliebt.

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