Es braucht eine Pflege-Revolution
Alle Jahre wieder – eine große Überraschung ist es wahrlich nicht, dass die Pflege im Heim erneut teurer geworden ist. Die Pflegekräfte bekommen inzwischen bessere Gehälter, zudem sind die Preise für Lebensmittel und Energie gestiegen, das macht den Aufenthalt in einem Pflegeheim noch teurer, als er ohnehin schon war. Die gestaffelten Zuschläge, die neuerdings von den Pflegekassen bezahlt werden, wirken deshalb nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn sie können die höheren Kosten, die für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen anfallen, nicht kompensieren. Der Eigenanteil liegt nach der Auswertung des Verbands der Ersatzkassen bundesweit bei durchschnittlich 2411 Euro pro Monat. Da erscheint die Frage, ob die Pflegeversicherung diesen Namen verdient, doch durchaus gerechtfertigt.
Die Vorgänger von Gesundheitsminister Karl Lauterbach haben es auf die lange Bank geschoben, die Probleme in der Pflege grundsätzlich anzugehen. Auch der SPD-Politiker lässt bislang wenig Neigung erkennen, die damit verbundenen Herausforderungen mit Priorität eins anzugehen. Die „Revolution“, die Lauterbach vor Kurzem in der Krankenhausfinanzierung angekündigt hat, bräuchte es genauso dringend im Pflegebereich. Denn das System krankt an allen Ecken und Enden. Wer einen Heimplatz braucht, wartet in Baden-Württemberg mitunter Monate. Zudem fehlt es, trotz der hohen Kosten, an qualifiziertem Personal. Dass darunter die Versorgung hilfsbedürftiger Menschen leidet, liegt auf der Hand – und das ist im Grunde die größte Misere.
Was helfen würde? Die Bundesregierung muss die Pflegeversicherung sozusagen auf den Kopf stellen, wenn sie vermeiden will, dass immer mehr Pflegebedürftige zum Sozialfall werden. Das bedeutet: ihren Eigenanteil deckeln, den Rest aus der Pflegekasse finanzieren und gegebenenfalls Steuermittel zuschießen, um die Versicherungsbeiträge möglichst stabil zu halten. Experten fordern dies schon lange. Aber das ist nur ein Schritt, um der Bevölkerung hierzulande die Angst vor der Pflegebedürftigkeit zu nehmen. Noch viel dringlicher wäre es, die ambulante Pflege so weiterzuentwickeln und pflegende Angehörige so zu unterstützen, dass ältere Menschen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Damit wäre sowohl deren Wünschen als auch den Finanzen des Staates gedient.