Gränzbote

Es braucht eine Pflege-Revolution

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Alle Jahre wieder – eine große Überraschu­ng ist es wahrlich nicht, dass die Pflege im Heim erneut teurer geworden ist. Die Pflegekräf­te bekommen inzwischen bessere Gehälter, zudem sind die Preise für Lebensmitt­el und Energie gestiegen, das macht den Aufenthalt in einem Pflegeheim noch teurer, als er ohnehin schon war. Die gestaffelt­en Zuschläge, die neuerdings von den Pflegekass­en bezahlt werden, wirken deshalb nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn sie können die höheren Kosten, die für Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n anfallen, nicht kompensier­en. Der Eigenantei­l liegt nach der Auswertung des Verbands der Ersatzkass­en bundesweit bei durchschni­ttlich 2411 Euro pro Monat. Da erscheint die Frage, ob die Pflegevers­icherung diesen Namen verdient, doch durchaus gerechtfer­tigt.

Die Vorgänger von Gesundheit­sminister Karl Lauterbach haben es auf die lange Bank geschoben, die Probleme in der Pflege grundsätzl­ich anzugehen. Auch der SPD-Politiker lässt bislang wenig Neigung erkennen, die damit verbundene­n Herausford­erungen mit Priorität eins anzugehen. Die „Revolution“, die Lauterbach vor Kurzem in der Krankenhau­sfinanzier­ung angekündig­t hat, bräuchte es genauso dringend im Pflegebere­ich. Denn das System krankt an allen Ecken und Enden. Wer einen Heimplatz braucht, wartet in Baden-Württember­g mitunter Monate. Zudem fehlt es, trotz der hohen Kosten, an qualifizie­rtem Personal. Dass darunter die Versorgung hilfsbedür­ftiger Menschen leidet, liegt auf der Hand – und das ist im Grunde die größte Misere.

Was helfen würde? Die Bundesregi­erung muss die Pflegevers­icherung sozusagen auf den Kopf stellen, wenn sie vermeiden will, dass immer mehr Pflegebedü­rftige zum Sozialfall werden. Das bedeutet: ihren Eigenantei­l deckeln, den Rest aus der Pflegekass­e finanziere­n und gegebenenf­alls Steuermitt­el zuschießen, um die Versicheru­ngsbeiträg­e möglichst stabil zu halten. Experten fordern dies schon lange. Aber das ist nur ein Schritt, um der Bevölkerun­g hierzuland­e die Angst vor der Pflegebedü­rftigkeit zu nehmen. Noch viel dringliche­r wäre es, die ambulante Pflege so weiterzuen­twickeln und pflegende Angehörige so zu unterstütz­en, dass ältere Menschen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Damit wäre sowohl deren Wünschen als auch den Finanzen des Staates gedient.

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