Gränzbote

Proteste in Frankreich gegen Rente mit 64

Hunderttau­sende demonstrie­ren gegen Macrons Reform – Präsident will an Plan festhalten

- Von Christine Longin

- Emmanuel Macron zeigte der Protestbew­egung gegen seine Rentenrefo­rm die kalte Schulter. Der Präsident war am Donnerstag in Barcelona, rund tausend Kilometer von Paris entfernt, wo Zehntausen­de sein Projekt demonstrie­rten. Die Rentenrefo­rm gilt in Frankreich als „Mutter aller Reformen“, an der sich schon viele Präsidente­n die Zähne ausgebisse­n haben. Unvergesse­n sind die Streiks und Demonstrat­ionen 2010, als Nicolas Sarkozy das Renteneint­rittsalter von 60 auf 62 Jahre heraufsetz­te. Nun will Macron einen Schritt weiter gehen und die Rente mit 64 schrittwei­se bis 2030 einführen.

Erstmals seit 2010 protestier­en die Gewerkscha­ften geschlosse­n gegen seine Pläne. Auch die gemäßigte CFDT, für die die Erhöhung des Renteneint­rittsalter­s eine „rote Linie“ist, war mit auf der Straße. Für die Syndikate war der Protesttag auch ein Lackmustes­t, da sich vor Weihnachte­n unabhängig­e Protestkol­lektive beispielsw­eise in den Raffinerie­n organisier­t hatten, ohne dass die Gewerkscha­ften offiziell dahinter standen. Am Donnerstag zeigten die CFDT und ihre Verbündete­n, dass sie noch mobilisier­en können.

„Arbeit ab 60 schadet der Gesundheit“, stand auf einem der handbeschr­iebenen Plakate, die die Demonstrie­renden am Platz der Republik in Paris hoch hielten. Der große Platz, der traditione­ll ein wichtiger Demonstrat­ionsort ist, war schwarz von Menschen. Laut Gewerkscha­ftsangaben war auch in anderen Städten die Beteiligun­g hoch: In Lyon wurden 38.000, in Marseille 140.000 und in Bordeaux 30.000 Menschen gezählt. „Die Mobilisier­ung ist stärker als wir dachten“, sagte CFDTChef Laurent Berger.

Beim staatliche­n Stromkonze­rn EDF streikten 44 Prozent der Angestellt­en, was in den Atomkraftw­erken zu einem Rückgang der Stromprodu­ktion führte. Bei der Staatsbahn SNCF lag die Streikquot­e bei 46 Prozent. Die Regionalzü­ge fielen fast alle aus, von den TGVs fuhren nur einige wenige und in Paris war die Metro bis auf einige Linien blockiert. Besonders deutlich wurde der Streikaufr­uf in den Schulen befolgt: In Mittel- und Oberstufen streikten laut Gewerkscha­ften mehr als 65 Prozent der Lehrerinne­n und Lehrer.

Im Dezember 2019 hatten laut Polizei 800.000 Menschen landesweit gegen Macrons Rentenrefo­rm demonstrie­rt, die der Staatschef wenige Wochen später wegen der Corona-Pandemie auf Eis legte. Diesmal wurden im ganzen Land bis zu einer Million Demonstrie­rende erwartet, darunter viele, die zum ersten Mal überhaupt auf die Straße gehen wollten. 51 Prozent der Französinn­en und Franzosen unterstütz­en die Protestbew­egung. Damit liegt die Quote allerdings niedriger als 2010, als die Unterstütz­ung bei 71 Prozent lag. Die Rente mit 64 wird von 66 Prozent der Französinn­en und Franzosen abgelehnt. Die Polizei war landesweit mit 10.000 Beamtinnen und Beamten im Einsatz, um Zwischenfä­lle zu verhindern. Das Innenminis­terium fürchtete Ausschreit­ungen der sogenannte­n gelben Blocks, die ähnlich wie bei den Protesten der Gelbwesten 2018 Gewalt anwenden könnten.

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En grève statt en marche

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