Hochpreisige Pflege
Inflation und bessere Löhne machen Heimaufenthalte für Pflegebedürftige teurer
(dpa) - Die Pflege im Heim wird teurer und teurer. Selbst zu zahlende Anteile für Pflegebedürftige und ihre Familien sind trotz neuer Entlastungszuschläge deutlich gestiegen, wie eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen ergab. Zum 1. Januar 2023 waren demnach im ersten Jahr im Heim im bundesweiten Schnitt 2411 Euro pro Monat aus eigener Tasche fällig, 278 Euro mehr als Anfang 2022. Dabei schlugen nun auch höhere Kosten für Lebensmittel und bessere Löhne für Pflegekräfte durch. Patientenvertreter und die Opposition machen Druck für schnelle Entlastungen, und zwar auch für die Pflege daheim.
In den Summen ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen dann noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch für Investitionen in den Einrichtungen hinzu. Seit 1. Januar 2022 gibt es neben den Zahlungen der Pflegekasse einen Entlastungszuschlag, der mit der Pflegedauer steigt. Den Eigenanteil nur für die reine Pflege drückt das im ersten Jahr im Heim um fünf Prozent, im zweiten um 25 Prozent, im dritten um 45 Prozent, ab dem vierten Jahr um 70 Prozent. Auch mit dem höchsten Zuschlag stiegen die Zuzahlungen
aus eigener Tasche nun im Schnitt auf 1671 Euro pro Monat. Das waren 130 Euro mehr als zum 1. Januar 2022, wie aus den am Donnerstag vorgestellten Daten hervorgeht. Überhaupt Zuschläge bekommen insgesamt knapp 700.000 Pflegebedürftige, wie das Bundesgesundheitsministerium für den Schnitt der ersten drei Quartale 2022 mitteilte. Davon erhielten 41,8 Prozent den höchsten Zuschlag ab dem vierten Jahr im Heim – und 25,4 Prozent den niedrigsten, da sie noch im ersten Heimjahr waren. Ohne Zuschüsse wären für alle nun sogar 2468 Euro selbst zu zahlen, 289 Euro mehr als Anfang 2022.
Die Ursache sind weitere Mehrkosten, die bei den Pflegebedürftigen landen. So lag der Eigenanteil nur für die reine Pflege zum 1. Januar 2023 bei durchschnittlich 1139 Euro nach 912 Euro Anfang 2022. Hintergrund sind auch vielfach höhere Personalkosten. Denn seit 1. September 2022 müssen alle Einrichtungen Pflegekräfte nach Tarifverträgen oder ähnlich bezahlen, um mit den Pflegekassen abrechnen zu können. „Bei einem Personalkostenanteil von rund 70 Prozent ist klar, dass eine bessere Personalausstattung und Tariferhöhungen zu höheren Kosten führen“, sagt Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung. Es wäre aber zu kurz gesprungen, allein bei den Kosten anzusetzen, so Schneider. „Alle wollen ja, dass es genügend gutes Pflegepersonal gibt, das fair bezahlt wird“, so Schneider. Das Problem sei das aktuelle System der Pflegeversicherung: Die Kasse bezahle nur einen fixen Anteil der Pflegekosten, alles was darüber hinausgeht, bezahlen die Heimbewohner und damit auch alle Kostensteigerungen, die in den nächsten Jahren weiter dynamisch steigen werden. Das System müsse umgedreht werden. „Die Heimbewohner bezahlen einen fixen Anteil für die Pflege von beispielsweise 700 Euro und alles was darüber hinausgeht, bezahlt die Pflegekasse“, sagt Schneider.
Daneben macht sich die hohe Inflation mit teureren Lebensmitteln in den Heimen bemerkbar. Die Zuzahlungen für Unterkunft und Verpflegung gingen binnen Jahresfrist von 801 auf nun 857 Euro hoch. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz monierte, die Bundesregierung und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schauten der Kostenexplosion tatenlos zu. „Den bislang leeren Versprechungen der Ampel-Koalition müssen endlich Taten folgen“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Jeder Betroffene braucht ab sofort 300 Euro monatlich mehr.“Zudem sei unverzüglich ein Inflationsausgleich einzuführen. Generell sollten Pflegebedürftige künftig einen festen Eigenanteil zahlen. „Den Rest muss die Pflegeversicherung übernehmen. das schafft Planbarkeit und Generationsgerechtigkeit für die Menschen.“