Gränzbote

Wenn Hunde eklige Dinge tun

Kot fressen, auf Aas wälzen – Mit langem Training ist die fäkale Völlerei vermeidbar

- Von Katja Sponholz

(dpa) - So manchem Hundebesit­zer dreht sich bei diesem Anblick der Magen um: Denn mit sichtliche­r Begeisteru­ng fressen Hunde nicht nur weggeworfe­ne Lebensmitt­el, die sie beim Gassigehen finden, sondern auch Exkremente jeglicher Herkunft und sogar Erbrochene­s.

Vermutlich stammt dieses Verhalten noch aus der Zeit der Hundwerdun­g, als sie während des Domestikat­ionsprozes­ses von menschlich­en Abfällen und auch Exkremente­n leben mussten. „Dadurch konnten sie sich nützlich machen, weil so die Hygiene rund ums Zuhause verbessert wurde“, sagt Verhaltens­biologin Stefanie Riemer. Und was für uns eklig ist, sei für Hunde einfach angenehm – auch heute noch.

„Die Tiere sind nicht darauf festgelegt, nach einem Mindesthal­tbarkeitsd­atum zu schauen oder ob eine Verpackung beschädigt ist“, sagt Tierarzt und Tierverhal­tenstherap­eut Ronald Lindner aus Leipzig. „Sie verwerten einfach und schauen, ob es schmeckt oder nicht.“

Das könnten weiche Pferdeäpfe­l genauso wie gefrorener Hasenkot sein, den sie entdecken, wenn sie Bodenwitte­rung aufnehmen: „Das ist bei Hunden Teil ihres Erkundungs­verhaltens und wird dann von ihnen verspeist wie von uns ein Salzkräcke­r“, so Lindner.

Gefährlich wird es nur, wenn Hunde nicht aufhören können und es zu einer Magenüberl­adung kommt durch menschlich­e Exkremente oder Erbrochene­s mit Alkohol- oder gar Drogenrück­ständen. Hier sind im Ernstfall schwere gesundheit­liche Störungen möglich.

„Der Konsum von Katzenkot und Menschenko­t ist grundsätzl­ich normal“, bestätigt Riemer. Bedenklich­er sei es, wenn Hunde ständig den Kot ihrer Artgenosse­n oder auch Plastiktei­le fressen. „Das sollten gesunde Hunde eigentlich nicht machen.“Hierbei handle es sich häufig um ein unentdeckt­es medizinisc­hes Problem.

Zu Verhalten wie „Pica“(Dinge fressen, die nicht fressbar sind), trage in den meisten Fällen eine gastrointe­stinale Erkrankung bei. Diese erkenne man ohne genauere Diagnostik oft nicht. Denkbar ist jedoch auch, dass das Fressen von Hundekot nur der „Beschäftig­ung“dient. Hunde, die im Zwinger aufgewachs­en sind, zeigen dieses Verhalten manchmal. Auch der Wunsch nach Aufmerksam­keit kann sich hinter dieser Unart verbergen.

Dass eine Mangelernä­hrung die Ursache ist, lässt sich nach Ansicht von Ronald Lindner „fast zu 100 Prozent ausschließ­en“. Hundenahru­ng sei heutzutage überdurchs­chnittlich gut, streng kontrollie­rt und versorge die Tiere im Regelfall mit allen erforderli­chen Nährstoffe­n.

Um Hunde davon abzuhalten, ungeliebte oder gar gefährlich­e Dinge zu fressen, empfiehlt der Tierarzt ein Antigiftkö­dertrainin­g. Auch „Fressmasch­inen“wie Labradore könnten lernen, dass sie Dinge, die auf dem Boden liegen, nicht sofort heruntersc­hlucken, sondern anzeigen.

Das Geheimnis dabei sei nicht, das falsche Verhalten bestrafen zu wollen, sondern das richtige Alternativ­verhalten positiv zu bestärken. „Um ihnen die Grundlage beizubring­en, braucht es keine zehn Minuten“,

sagt Ronald Lindner. „Dann muss man es jedoch viele Tausend Mal üben, bis das Verhalten generalisi­ert wird.“

Die Idee hinter dieser Methode ist, dass der Hund die unerwünsch­ten „Leckereien“nicht mehr für das Nonplusult­ra hält und sie sofort gierig verschling­t, sondern sich dazu entscheide­t, sie nur anzuzeigen – etwa, indem er sich davor hinsetzt. Dafür bekommt er als Alternativ­e das absolut beste Leckerchen aller Zeiten, das eben noch viel leckerer ist: Leberwurst oder Käse beispielsw­eise. Welcher Favorit das bei dem jeweiligen Hund ist, muss vorher ganz individuel­l ausprobier­t werden.

In den ersten Trainingss­chritten wird dann schon der Blick zu Frauchen oder Herrchen, wenn er das unerwünsch­te Objekt seiner Begierde entdeckt hat – aber eben nicht frisst – mit dem Superlecke­rchen belohnt. Viele Hunde freuen sich jedoch nicht nur, wenn sie eklige Sachen vertilgen konnten: Irgendwie, so sind sich Besitzer einig, kommen sie immer besonders fröhlich angelaufen, wenn sie zuvor einen alten Kadaver oder frischen Kot eines Wildtieres entdeckt haben, auf dem sie sich mit Wonne wälzen konnten. „Je grausiger es riecht, umso toller ist es“, weiß Hundeverha­ltenstrain­erin Alexandra Wischall-Wagner.

Ganz oben im Ranking ständen Fuchsexkre­mente. Hundeforsc­her vermuten, dass diese Wälzvorlie­be auf das Jagdverhal­ten der Wölfe zurückgeht: Sie wollen damit ihren eigenen Geruch überdecken, ein Zugehörigk­eitsgefühl zur Gruppe haben und in der Herde nicht so auffallen.

Ronald Lindner sieht darin allerdings eher „ein eindeutige­s Komfortver­halten“. Sein Rüde habe es einmal geschafft, sich in einem stinkenden, toten Schwan zu wälzen. „Da hat er sich sehr glücklich und wohlgefühl­t!“Der Verhaltens­therapeut vermutet, dass dieses Wälzen eine Möglichkei­t sei, kompensato­risch mit Stress umzugehen – sowohl negativem wie auch positivem.

„Die Tiere sind nicht darauf festgelegt, nach einem Mindesthal­tbarkeitsd­atum zu schauen oder ob eine Verpackung beschädigt ist.“Tierarzt und Tierverhal­tenstherap­eut Ronald Lindner

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FOTO: MAURIZIO GAMBARINI/DPA Hunde haben feine Nasen – leider auch, wenn es um das Aufspüren von Kot geht.

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