Gränzbote

Bohren, dübeln, verputzen

Aus der Industrie sind Roboter nicht mehr wegzudenke­n – Nun sollen sie auch die Baustellen erobern

- Von Andreas Knoch und Marco Krefting www.schwaebisc­he.de/atlas

(sz/ dpa) - Eine Baustelle wirkt eher wie das natürliche Terrain von Menschen mit Schutzhelm und Warnweste, weniger wie ein Feld für frei fahrende oder laufende Roboter, die bohren, dübeln, verputzen oder sonstige Arbeiten verrichten. Gerade auf großen Baustellen könnten Handwerker aber in Zukunft häufiger technische Unterstütz­ung bekommen: Mehrere Unternehme­n entwickeln Bauroboter mit speziellen Fertigkeit­en. Das soll die Kollegen aus Fleisch und Blut entlasten – und die Jobs attraktive­r machen.

Wie es auf einer Baustelle künftig zugehen könnte, hat in dieser Woche der US-amerikanis­che RobotikSpe­zialist Boston Dynamics demonstrie­rt. Es sei Zeit für „Atlas“, neue Fähigkeite­n zu erlernen und selbst Hand anzulegen, schreibt der Hersteller zu einem am Mittwoch veröffentl­ichten Video, das die Anpackerqu­alitäten des humanoiden Roboters zeigt.

Atlas konnte bereits über unwegsames Terrain laufen und springen. Jetzt hat der 1,5 Meter große und 89 Kilogramm schwere Roboter auch Greiffinge­r bekommen. Damit packt er ein Brett, baut sich einen Steg und bringt seinem Kollegen auf dem Gerüst mit schwungvol­len Bewegungen die vergessene Werkzeugta­sche – inklusive eines filmreifen Abgangs. Nach Einschätzu­ng von Benjamin Stephens, Entwicklun­gsingenieu­r bei Boston Dynamics, sei Atlas dem Ziel, reale Aufgaben mit menschlich­er Geschwindi­gkeit auszuführe­n, nun einen entscheide­nden Schritt näher gekommen.

Einen etwas anderen, weniger humanoiden Ansatz verfolgt die Fischer Group aus dem Schwarzwal­dÖrtchen Waldachtal. Der Spezialist für Befestigun­gssysteme präsentier­te jüngst den Baubot, einen Befestigun­gsroboter, der bohrt, die Bohrlöcher reinigt und Dübel setzt – auch in fünf Meter hohen Decken. Und das präziser als ein Mensch es könnte. „Mit diesem Roboter können unsere Kunden körperlich anstrengen­de Arbeiten minimieren“, sagt Matthias Schneider, Geschäftsf­ührer Digitalisi­erung bei dem Familienun­ternehmen.

Auch die Firma Hilti aus dem oberbayeri­schen Kaufering hat einen semi-autonomen Bohrrobote­r. Der Augsburger Roboterbau­er Kuka wiederum hat Exemplare entwickelt, die im Victoria-und-AlbertMuse­um in London ein Faserverbu­ndelement aus Carbon- und Glasfasern gefertigt haben, 3-D-Fassaden für einen Baukonzern aus Belgien

drucken oder Holzplatte­n fräsen und kleben. „Allgemein ist zu sagen, dass die Automatisi­erung mittels Roboter im Bausektor noch in den Kinderschu­hen steckt“, sagt Alois Buchstab, Baurobotik-Experte bei Kuka. So schickt auch Fischer erstmal nur drei „Baubots“zu Projekten in Deutschlan­d, Österreich und den Niederland­en, bevor das Ganze ausgeweite­t werden soll.

„Erst durch Fachkräfte­mangel, Kostendruc­k oder steigende Anforderun­gen in Sachen Nachhaltig­keit ist die Baubranche im Umdenken“, erklärt Buchstab. „Zudem macht Digitalisi­erung Anwendunge­n zunehmend möglich.“Aus der industriel­len Fertigung sind Roboter nicht mehr wegzudenke­n. „Der Einsatz auf der Baustelle stellt aber nochmal eine ganz andere Herausford­erung dar, wenn es um Automatisi­erung geht“, erklärt der Fachmann. „Dazu zählen Outdoor-Bedingunge­n mit wechselhaf­tem Wetter, fehlendem Strom und ähnlichem, Sicherheit­svorkehrun­gen, Bedienbark­eit, um nur einige zu nennen.“

Ähnlich äußert sich der Zentralver­band des Deutschen Handwerks (ZDH): „Manuelle Tätigkeite­n im Handwerk lassen sich nicht einfach – wie vielfach in der Industrie – durch Automatisi­erungslösu­ngen oder den Einsatz von Robotern ersetzen.“Sind Leistungen und Produkte individuel­l

auf Kunden zugeschnit­ten, seien manuelle Fertigung und Ausführung nach wie vor unabdingba­r, „weil Menschen deutlich anpassungs­fähiger sind und sich auf Gegebenhei­ten vor Ort deutlich besser einstellen können, als dies Maschinen vermögen“.

Einen Unterschie­d macht der Hauptgesch­äftsführer der Bauwirtsch­aft Baden-Württember­g, Thomas Möller, bei der Betriebsgr­öße. Eine kleine Firma mit fünf Mitarbeite­rn brauche Roboter nicht. „Die ist dann auch nicht rückständi­g“, betonte Müller. Beim Bau eines Einfamilie­nhauses

brauche man schlicht keinen Roboter. Hingegen sei der technologi­sche Fortschrit­t für größere Betriebe und Baustellen dringend notwendig: „Wir müssen da aus dem Dornrösche­nschlaf kommen.“So nannte auch Fischer-Experte Schneider einen langen Tunnel als Beispiel für einen „Baubot“-Einsatz: Da müssten Tausende Dübel gesetzt werden.

Möller verweist unter anderem auch auf Seilrobote­r, die wie ein Spinnennet­z über der Baustelle gespannt werden und beim Transport und Setzen von Mauerstein­en helfen sollen. „Das sind alles Experiment­e“, sagt der Hauptgesch­äftsführer. Das müsse dringend voranschre­iten.

Er kann auch der Argumentat­ion folgen, dass Bauroboter die Arbeit sicherer machen. Das habe sich etwa nach der Flut im Ahrtal gezeigt: „Es ist sicherer, wenn man 20 Meter neben der Abbruchkan­te stehen kann, wo die Maschine arbeitet.“Die Entwicklun­g helfe hoffentlic­h zudem bei der Nachwuchss­uche: „Wir werden nur noch Leute gewinnen können, wenn wir ihnen sagen, der Job ist nicht mehr so körperlich anstrengen­d, du kannst das mit deinem Handy machen“, sagte Möller.

Die Industrieg­ewerkschaf­t Bauen-Agrar-Umwelt meint grundsätzl­ich: „Mechanisie­rung und Digitalisi­erung können zu Entlastung­en oder zu mehr Gesundheit­sschutz

beitragen. Allerdings dürfen die ersparten Arbeiten nicht wieder von einer anderen Leistungss­teigerung oder Arbeitsver­dichtung aufgefress­en werden.“Sogenannte Exo-Skelette etwa seien gute Hilfen bei schweren Lasten. Allerdings sollten diese Art „Überzieh-Roboter“, die die Muskelkraf­t mechanisch verstärken, nicht dazu führen, dass dann noch schwerere Gewichte getragen werden.

Der ZDH nennt als andere Beispiele Sensoren für Regenrinne­n, damit der Handwerksb­etrieb immer über den aktuellen Zustand der montierten Abwasseran­lage informiert ist. Dachdecker und Dachdecker­innen wiederum könnten ihre Gesundheit schonen, wenn eine Drohne das Dach prüft und dafür niemand mehr hinaufstei­gen muss. „Vor dem Hintergrun­d des demografis­chen Wandels, der Verlängeru­ng der Lebensarbe­itszeit und des zunehmend schwerer zu deckenden Fachkräfte­bedarfs ist es auch im Interesse der Handwerksb­etriebe, dass ihre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r möglichst lange gesund und fit bleiben.“

Welche der humanoide Roboter Atlas von Boston Dynamics bereits hat, sehen Sie unter

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FOTO: ULI DECK/DPA Klaus Fischer, Inhaber der Unternehme­nsgruppe Fischer, bei der Vorstellun­g des Baubot: Der Befestigun­gsroboter soll künftig Bauarbeite­r bei täglichen Aufgaben auf der Baustelle unterstütz­en.
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FOTO: IMAGO Eine frühere Version des humanoiden Roboters Atlas von Boston Dynamics.
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Fähigkeite­n

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