Gränzbote

So viele Menschen wie nie in der Bundesrepu­blik

Über 84 Millionen leben in Deutschlan­d – Starke Zuwanderun­g führt zu Bevölkerun­gsrekord

- Von Michael Kieffer

(dpa) - Weniger Kinder wurden geboren, mehr Menschen sind gestorben, doch die Zuwanderun­g liegt auf einem Rekordnive­au: In der Summe hat das Deutschlan­d zum Jahreswech­sel einen Bevölkerun­gshöchstst­and von schätzungs­weise mindestens 84,3 Millionen gebracht. „Damit lebten hierzuland­e so viele Menschen wie noch nie am Ende eines Jahres“, berichtete das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden auf Basis vorläufige­r Ergebnisse.

Schätzungs­weise seien 1,42 bis 1,45 Millionen Menschen mehr nach Deutschlan­d gekommen, als ins Ausland fortgezoge­n seien. In der Folge sei die sogenannte Nettozuwan­derung so hoch gewesen wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1950. „Neben der starken Zuwanderun­g der Kriegsflüc­htlinge aus der Ukraine hat auch die Zuwanderun­g von Menschen anderer Nationalit­äten deutlich zugenommen“, erläuterte das Statistisc­he Bundesamt.

Zugleich sei die Geburtenza­hl zurückgega­ngen und die Zahl der Sterbefäll­e gestiegen. Das habe sich dämpfend auf das Bevölkerun­gswachstum ausgewirkt, erklärten die Fachleute. Insgesamt habe die Bevölkerun­gszahl vom Jahresende 2021 bis zum Jahresende 2022 um 1,1 Millionen Menschen zugenommen.

In den drei Jahrzehnte­n seit der Wiedervere­inigung Deutschlan­ds sei die Bevölkerun­g Deutschlan­ds überwiegen­d gewachsen – mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010. Das Wachstum habe sich jedoch ausschließ­lich dadurch ergeben, dass mehr Menschen zu- als abgewander­t seien, erklärten die Fachleute aus Wiesbaden. „Ohne Nettozuwan­derung wäre die Bevölkerun­g bereits seit 1972 geschrumpf­t, da seither jedes Jahr mehr Menschen starben, als geboren wurden.“

Ausgehend von den bereits vorliegend­en Meldungen der Standesämt­er

sank die Zahl der Geburten vom Jahr 2021 auf 2022 um etwa sieben Prozent „und dürfte zwischen 735.000 und 745.000 betragen“, wie es vom Statistisc­hen Bundesamt weiter hieß. Die Zahl der Gestorbene­n sei dagegen um rund vier Prozent auf etwa 1,06 Millionen gestiegen.

„In der Bevölkerun­g passiert erheblich was“, kommentier­te Sebastian Klüsener vom Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g (BiB) die Entwicklun­g – er ist Leiter des Forschungs­bereichs Demografis­cher Wandel und Langlebigk­eit. Die Alterung der Babyboomer – also der Angehörige­n geburtenst­arker Jahrgänge – und die damit verbundene­n Herausford­erungen für Arbeitsmar­kt, Rente und Gesundheit würden in den nächsten zehn Jahren „ein Riesenthem­a“sein. „Deutschlan­d altert“, sagte Klüsener.

Das jüngste Bevölkerun­gswachstum hat vor allem mit Fluchtmigr­ation im Zusammenha­ng mit Krieg und Gewalt in Syrien, Afghanista­n und im Irak 2015/2016 sowie nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 zu tun, wie das Statistisc­he Bundesamt im November erklärt hatte. Aber auch aus den EU-Staaten Rumänien, Bulgarien und Polen seien stetig Zuzüge zu verzeichne­n. „Entspreche­nd nahm zwischen dem 31. Dezember 2014 und dem 30. Juni 2022 die Zahl der Menschen mit ausländisc­her Staatsange­hörigkeit zu (plus 4.341.000), während die Zahl jener mit deutscher Staatsange­hörigkeit rückläufig war (minus 1.458.000).“

Wie sich Deutschlan­ds Bevölkerun­g etwa angesichts des Kriegs in der Ukraine entwickelt, sei noch nicht abzusehen, sagte Klüsener. Ob die Menschen in Deutschlan­d bleiben oder wieder in ihre Heimat zurückkehr­en, hänge sehr stark davon ab, wie lange der Konflikt dauert. Zu sogenannte­n Außenwande­rungen – also Migration über Staatsgren­zen hinweg – seien Aussagen für die nähere Zukunft nur sehr schwer zu treffen.

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