Lebensretter auf dem Heuberg erhalten eigene Räume
Land fördert den Ausbau des Notarztstandorts Wehingen
- Ja, es gibt sie auch, die Nörgler, die sich beschweren, dass sie nicht in das Krankenhaus ihrer Wahl gebracht werden. Doch viele Menschen zeigen auch ihre Dankbarkeit dafür, dass es in Wehingen seit Anfang 2022 einen Notarztstandort gibt, der 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr für den Heuberg und darüber hinaus in Bereitschaft steht, um Leben zu retten. Sie bringen den Notärzten und Notfallsanitätern mal eine Tafel Schokolade, einen selbstgebackenen Kuchen oder eine Flasche Wein vorbei. Nun steht eine Erweiterung, die Notarztwache in der Wehinger Wiesenstraße, an, für die das Land jetzt auch einen Förderbescheid überreicht hat.Die Bevölkerung ist für den Notarztstandort überaus dankbar. Nicht nur einmal seien Menschen auch auf ihn zugegangen, so Gosheims Bürgermeister André Kielack und hätten sich nach einer Rettung bedankt: „Ohne den Notzarzt wäre mein Mann gestorben.“
Am Morgen der Übergabe des Förderbescheids war der Wehinger Notarzt in Spaichingen unterwegs, obwohl es dort ebenfalls einen Notarzt gibt. Doch weil der gerade unterwegs war, sprangen die auf dem Heuberg stationierten Kollegen ein. Denn für Notärzte gelten keine strengen Zuständigkeitsgrenzen. Die Leitstelle informiert immer jenen Notarzt oder jene Notärztin, die sich jeweils gerade am nächsten am Einsatzort befindet. Deshalb sind die Wehinger Notärzte und Notfallsanitäter auch mal im Landkreis Rottweil oder – derzeit sogar recht häufig – im Zollernalbkreis im Einsatz. Grob gesagt zwei Drittel der jährlich 700 Einsätze, so schätzt DRK-Kreisgeschäftführer Oliver Ehret, finden auf dem Heuberg beziehungsweise im Landkreis Tuttlingen statt, ein Drittel außerhalb. Bei der Einhaltung der Hilfsfrist von 15 Minuten liege der Landkreis Tuttlingen landesweit „im vorderen Bereich“, so Ehret. Die 95-Prozent-Marke der Einhaltung der Frist bei allen Notfällen sei „nahezu vollständig“erreicht. Notärzte sind 24 Stunden am Tag in Tuttlingen, Spaichingen und Wehingen stationiert. Nahe der Kreisgrenze, im Schwarzwald-Baar-Kreis beim Längehaus zwischen Blumberg und Geisingen, betreiben die Maltester ebenfalls einen Notarzt-Standort.
Da die Notärzte und Notfallsanitäter natürlich auch für die Zeit bezahlt werden, in der sie in Bereitschaft,
aber nicht aktuell im Einsatz sind, kostet jeder einzelne Einsatz im ländlichen Raum entsprechend mehr als in einer Großstadt. Inzwischen rechnet der Notarztstandort Wehingen rund 700 Notfälle im Jahr ab, also im Durchschnitt zwei pro Tag, wobei es an manchen Tagen mal keine Einsätze gibt, an anderen Tagen dann vier bis fünf. Das ist zwar deutlich weniger als in einem Ballungsgebiet wie Stuttgart, wo es Notärzte laut Oliver Ehret ohne Weiteres auch mal auf 20 und mehr Einsätze pro Tag bringen, retten aber auch hier bei Herzinfarkten, Schlaganfällen oder schweren Unfällen Leben. Aus dem Provisorium in der Rettungswache Wehingen wird
durch den Anbau nun ein richtiger Notarztstandort. Bisher gibt es in dem Gebäude neben dem Wachleiterbüro nur einfache Ruheräume und einen Aufenthaltsraum mit Teeküche. Die Unterbringung der Notärzte in gemeindeeigenen Wohnungen oder in Hotels übernehmen bislang die Gemeinden Wehingen und Gosheim gemeinsam. Der Anbau umfasst nun ein Zimmer für den Notarzt, ein Zimmer für den Fahrer, einen Umkleideraum (mit zwei geschlechtergetrennten Kabinen) und Sanitärräume. Und nicht zuletzt wird eine 55 Quadratmeter große Fahrzeughalle direkt vor der Wache an der Wiesenstraße errichtet.
Mit der Förderung, so der Wahlkreisabgeordnete im Landtag, Guido Wolf (CDU), wolle das Land auch ein Signal für eine dezentrale medizinische Versorgung setzen und die Raumschaft Heuberg stärken.
Zu Anfang waren die Krankenkassen zurückhaltend, ob es auf dem Heuberg überhaupt einen weiteren Notfallstandort geben sollte. „Die Krankenkassen haben argumentiert, dass ein Notarztstandort mit unter 500 Einsätzen im Jahr wirtschaftlich nicht darstellbar sei“, so Ehret. Ein Gutachten, das die Situation in den Heuberg-Gemeinden analysierte, habe dann aber ergeben, dass der Standort Wehingen auch gut geeignet ist, bisherige „weiße Flecken“in der Notarztversorgung abzudecken.
Darauf, dass die Krankenkassen schließlich einlenkten, habe auch „die Wirtschaft großen Einfluss genommen“, ergänzt Ralf Raiser, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Heuberg. Die Unternehmen auf dem Heuberg hatten laut darüber nachgedacht, für die rund 10.000 krankenversicherten Arbeitnehmer in ihren Firmen eine eigene Betriebskrankenkasse zu gründen. Auch das mag geholfen haben, dass die Krankenkassen schließlich bereit waren, die Einsätze der Heubergretter zu zahlen.
Bauträger für den Bau der Notarztwache ist der DRK-Kreisverband Tuttlingen. Der Landtagsabgeordnete Guido Wolf überbrachte im Namen der Landesregierung den Förderbescheid über fast 600.000 Euro. Damit werden 90 Prozent der „förderfähigen“Kosten abgedeckt; wobei das Gesetz bis auf drei Nachkommastellen genau festlegt, welche Einrichtungen und Flächen „förderfähig“sind, so dass der Zuschuss unter dem Strich rund 66 Prozent der tatsächlichen Gesamtkosten abdeckt, schätzt Kreisgeschäftsführer Ehret. Die restlichen 200.000 Euro muss der DRK-Kreisverband aufbringen, wobei aber die im Wirtschaftsverband Heuberg organisierten Unternehmen und Gemeinden derzeit im Gespräch sind, wie sie den Kreisverband unterstützten können.
Die Notärzte werden vom Klinikum Tuttlingen gestellt und je nach Bedarf durch freiberufliche Notärzte über Börsen ergänzt. Bürgermeister Gerhard Reichegger dankte den Ärzten und Sanitätern und ihrem Koordinator Stefan Schlick, der die Dienstpläne zusammenstellt.