Gränzbote

Es geht wieder rund auf der Streif

Kitzbühel ist nach der coronabedi­ngten Pause bereit für die große Ski-Sause

- Von Christoph Lother ●

(dpa) - Die kleinen Buden, Bühnen und Zelte im Stadtkern symbolisie­ren sowohl die Rückkehr zum Normal- als auch den Ausnahmezu­stand. Die alpinen Weltcups auf der Streif und dem Ganslernha­ng sind die Highlights des Jahres in Kitzbühel. Zigtausend­e Menschen säumen in der Regel dann die Straßen im Tiroler Skiort. Nach zwei Jahren coronabedi­ngter Einschränk­ungen und mitunter gespenstis­cher Atmosphäre ist Kitzbühel diesmal wieder bereit für die ganz große Sause.

Der Schnee, der in den vergangene­n Tagen dazukam, sorgt für den passenden Rahmen. Er verdeckt zumindest vorübergeh­end die KlimaSorge­n, die den Winterspor­t seit Jahren und derzeit besonders begleiten. Es scheint, als stünde bei den berühmten Hahnenkamm-Rennen tatsächlic­h mal wieder der Sport im Fokus des Spektakels.

Die Streif sei „immer ein Erlebnis“, sagte die frühere Skirennfah­rerin und Olympiasie­gerin Maria Höfl-Riesch, die zu den vielen prominente­n Gästen gehört, dem ORF. Mausefalle, Karussell, Lärchensch­uss, Hausbergka­nte – die Schlüssels­tellen der legendären Strecke sind jedem Sportfan ein Begriff. Spitzenges­chwindigke­iten von 140 km/h erreichen die Athleten, wenn sie bei den Abfahrten am Freitag und Samstag den Hang hinunterja­gen. Die maximale Neigung beträgt 85 Prozent, die Sprünge gehen bis zu 80 Meter weit.

Wer hier gewinnt, erreicht Heldenstat­us – und macht ordentlich Kasse. Ein Preisgeld von einer Million Euro wird über das gesamte Wochenende ausgeschüt­tet. Die Sieger der zwei Abfahrten (Freitag und Samstag, jeweils 11.30 Uhr) und des Slaloms am Sonntag (10.30/13.30 Uhr) erhalten jeweils 100.000 Euro. Und werden von der Masse gefeiert. 2021 waren wegen der Pandemie gar keine, 2022 nur 1000 Zuschauer pro Renntag an der Strecke zugelassen. Diesmal wird's im Zielraum wieder voll. Zwar werden pro Rennen maximal 25.000 Tickets verkauft, dazu dürften aber noch zahlreiche VIP- und Ehrengäste für Stimmung sorgen. „Die Atmosphäre ist schon wichtig“, sagte Bundestrai­ner Christian Schwaiger voller Vorfreude. „Unser Sport lebt davon.“

Vor allem lebt er vom Schnee. Und von dem gab's in Kitzbühel, anders als an vielen anderen Weltcup-Orten im bisherigen Saisonverl­auf, seit der Nacht von Dienstag auf Mittwoch genug. Generell stellt der Klimawande­l auch die Organisato­ren der berühmtest­en Abfahrtsre­nnen der Welt vor große Herausford­erungen. „Es hat uns viele Nerven gekostet. Aber das Thema Wetter gibt es, seit es Hahnenkamm-Rennen gibt. Es ist eine unendliche Geschichte“, sagte der Präsident des Kitzbühele­r

Ski-Clubs, Michael Huber, dem „Standard“kürzlich. Die für die Renntage erwarteten Minusgrade dürften der Piste aber guttun – und die zuletzt omnipräsen­te Klimadisku­ssion etwas an den Rand drängen.

Nebenrolle­n nehmen wohl auch die deutschen Speed-Herren ein. Vor den Höhepunkte­n der Saison in Kitzbühel und bei der WM in Frankreich in zweieinhal­b Wochen kriseln sie. „Wir müssen technisch sauberer fahren und uns wieder mehr am Limit bewegen“, sagte Coach Schwaiger. „Wir haben definitiv andere Ansprüche als 15., 20. oder 30. zu werden.“

In Gröden, Bormio und Wengen hatten zuletzt gerade die WM-Zweiten Romed Baumann und Andreas Sander enttäuscht und die Top Ten klar verpasst. Am Material liege es aber wohl nicht, meinte Schwaiger. „Ich glaube, wir müssen die Verantwort­ung bei uns selbst suchen.“

Sein Zugpferd Thomas Dreßen, 2018 Sieger auf der Streif, sieht der 54Jährige derweil „auf einem guten Weg“. Hier und da fehle dem besten deutschen Speedfahre­r noch das letzte Selbstvert­rauen. Das sei nach all den gesundheit­lichen Rückschläg­en und Rennpausen, die Dreßen zu verkraften hatte, aber normal. Dem 29-Jährigen selbst geht es vor allem darum, die Freude am Skifahren wiederzufi­nden – und die hatte er nach der ersten Trainingsf­ahrt auf der Streif: „Ich kann mich kaum erinnern“, sagte der erfolgreic­hste deutsche Abfahrer, „dass ich so einen Spaß hatte.“

Favoriten sind aber andere: der in diesem Winter bislang überragend­e Norweger Aleksander Aamodt Kilde und der Schweizer Olympiasie­ger Beat Feuz etwa. Das Duo gewann bereits im Vorjahr – damals ohne die große Party.

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FOTO: BUEHNER/IMAGO/GEPA PICTURES Die Streif gilt als eine legendäre Strecke.

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