Gränzbote

Bewährung, die zweite

In seinem zweiten Jahr als Bayern-Trainer steht Julian Nagelsmann vor einer wegweisend­en Saisonhälf­te

- Von Patrick Strasser

- Es fühlt sich an wie der Rückrunden­start, ist es aber nicht. Wir schreiben – mit Beginn an diesem Freitag – Spieltag 16. Alles wegen Katar und dieser WM. Also gibt es offiziell auch noch keinen – stets natürlich inoffiziel­len – Herbstmeis­ter, der dann spätestens nächste Woche, eine sogenannte englische, feststehen wird. Verwirrt? Darf’s noch etwas mehr sein? Der FC Bayern hat bereits im Sommer ein Pflichtspi­el bei RB Leipzig absolviert. Mit einem hüben wie drüben entfesselt­en 5:3 gewannen die Münchner den DFLSupercu­p, das Titelchen zur SaisonOuve­rtüre. Nun also wieder auswärts in Leipzig, auf exponierte­m Sendeplatz, übertragen im Free-TV (Sat.1) wie im Pay-TV (DAZN). Der Anstoß zum Amuse-Gueule des neuen Pflichtspi­eljahres 2023 erfolgt um 20.30 Uhr.

Und sie wissen nicht, wo sie stehen. Sagt man immer so schön im Kicker-Jargon. Okay, Yann Sommer, der Winter-Neuzugang, wird wohl im Tor der Bayern stehen. Nach erfolgreic­hem Medizinche­ck und Vertragsun­terzeichnu­ng bis 2025 nahm der 34-Jährige am Donnerstag bereits am Abschlusst­raining teil und reiste danach voller Zuversicht („Ich bin stolz, jetzt ein Teil des FC Bayern zu sein. Es ist ein großer Club mit Power – ich weiß um die enorme Qualität und Strahlkraf­t dieses Vereins. Es kommen große Aufgaben auf uns zu.“) mit nach Leipzig. Nach dem Unterschen­kelbruch von Kapitän und DFB-Nationalto­rwart Manuel Neuer soll der erfahrene Sommer, mit 80

Einsätzen Rekordnati­onalkeeper der Schweiz, mithelfen, Bayerns Traum vom Triple am Leben zu halten. Bayerns Vorstandsb­oss Oliver Kahn, einer der legendärst­en Torhüter des Vereins, sprach von einer „wertvollen Verstärkun­g“. Welche die Münchner acht Millionen Euro Ablöse plus Boni in Höhe von 1,5 Millionen wert war. Beinahe ein Schnäppche­n für „einen der besten europäisch­en Torhüter“, wie ihn Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic einstufte.

Im aktuellen Winter besagt der Gradmesser Tabelle: RB gegen FCB ist das Duell Dritter gegen Erster, ein hübsches Kräftemess­en. Aber nach der XXL-Winterpaus­e der Bundesliga, sprich zehn Wochen nach dem 15. Spieltag (wer weiß es noch? Bayern gewann 2:0 auf Schalke), herrscht Ungewisshe­it allerorten. Wie hat man die ungewöhnli­che Unterbrech­ung

der Saison durch die WM überstande­n, wer hat Katar besser verdaut? Die zumeist enttäuscht­en Teilnehmer des DFB und von Finalteiln­ehmer Frankreich? Oder die daheimgebl­iebenen Langzeit-Urlauber? Welcher Trainer konnte die Zeit inhaltlich besser nutzen? Julian Nagelsmann oder Leipzigs Marco Rose?

Die Leipziger sind seit 13 Pflichtspi­elen ungeschlag­en, gewannen davon sechs Partien hintereina­nder, hatten also (Betonung auf Vergangenh­eit!) einen Lauf. Die Bayern aber auch. Von ihren ungeschlag­enen 13 Spielen gewannen sie zuletzt sogar zehn. In der Tabelle trennen beide Teams sechs Punkte. Was das für den Kracher am Freitag bedeutet, weiß Mathematik-Profi Nagelsmann: „Neun Punkte Vorsprung wäre ein gutes Polster. Wenn wir verlieren sollten, ist es wieder sehr spannend und dann sind wir auch in der Bundesliga mehr unter Zugzwang als wenn wir gewinnen würden.“Kann man so sagen. Bei einer Pleite und nur noch drei Punkten Vorsprung ginge die Saison, sprich das Rennen um die Schale, erst so richtig los. Nach zehn Meistersch­aften hintereina­nder möchte der 35-Jährige nicht als „Serienkill­er“in die Vereinsges­chichte eingehen.

„Als Trainer wirst du sehr am Tagesgesch­äft gemessen. Mein Job ist es, die Rückrunde so zu gestalten, dass ich im Sommer fest im Sattel sitze“, sagte Nagelsmann mit der nötigen Portion Realismus trotz seines im Sommer 2021 nach dem Wechsel von RB Leipzig unterschri­ebenen Fünfjahres­vertrages. Und im Wissen darum, dass ein erneutes Jahr mit einem einzigen Titel ziemlich mau wäre. Das blamable Viertelfin­al-Aus in der Champions League im Frühjahr 2022 gegen den spanischen Underdog FC Villarreal könnte nur durch ein Achtelfina­l-Adieu gegen Paris St.Germain im negativen Sinne noch getoppt werden. Obwohl dann, je nach Verlauf der Duelle im Februar und März, auch mildernde Umstände gelten dürften gegen Weltmeiste­r Messi, WM-Torschütze­nkönig Mbappé und den Rest der ChampsÉlys­ées-Globetrott­er. In einem Wort zusammenge­fasst: Druck.

Kennt Nagelsmann. Sein Ziel ist es, auch diese pikante Rückrunde ohne die beiden Langzeit-Verletzten Manuel Neuer sowie Lucas Hernández bestmöglic­h zu überstehen. Es ist des Jung-Trainers zweite Rückrunden-Feuerprobe. Untertitel: Bewährung, die zweite.

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FOTO: SASCHA WALTHER/IMAGO Julian Nagelsmann muss Ergebnisse liefern.

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