Gränzbote

Getrübte Freundscha­ft

- ● Von Christine Longin politik@schwaebisc­he.de

Der Zaunpfahl, mit dem Emmanuel Macron Richtung Berlin winkt, könnte nicht dicker sein. Ausgerechn­et drei Tage vor den Feiern zum 60. Jahrestag des ÉlyséeVert­rags unterzeich­net der Präsident in Barcelona ein Freundscha­ftsabkomme­n mit Spanien. Frankreich setzt nicht mehr nur auf Deutschlan­d als Partner, lautet die Botschaft.

Die Gewichte in Europa haben sich seit Beginn des Ukraine-Krieges Richtung Osten verschoben. Für Deutschlan­d führte das dazu, seinen langjährig­en Partner im Westen sträflich zu vernachläs­sigen. In der europapoli­tischen Rede von Bundeskanz­ler Olaf Scholz in Prag kam Frankreich kaum vor. Eine Tatsache, die in Paris verständli­cherweise für Verstimmun­g sorgte. In seiner Ansprache an der Sorbonne 2017 hatte Macron Deutschlan­d einen großen Platz eingeräumt und seinen Text sogar vorab von Bundeskanz­lerin Angela Merkel lesen lassen.

Doch während Merkel und Macron jahrelang eng zusammenar­beiteten, ist Scholz ein Einzelgäng­er. Der „Doppelwumm­s“, mit dem er die hohen Energiekos­ten abfedern will, wurde nicht mit dem Nachbarn besprochen. Auch bei der „Zeitenwend­e“in der deutschen Sicherheit­sund Verteidigu­ngspolitik spielt Frankreich nur eine Nebenrolle. Die neuen Kampfflugz­euge für die Bundeswehr sollen ebenso aus den USA kommen wie Bestandtei­le der Raketenabw­ehr, die Scholz mit anderen EU-Staaten schaffen will – ohne Frankreich. Deutsch-französisc­he Rüstungspr­ojekte kommen dagegen kaum vom Fleck.

Deutschlan­d isoliere sich, warnte Macron im Herbst. Sein Groll war so groß, dass er den deutsch-französisc­hen Ministerra­t absagte. Ein Paukenschl­ag. Erst als Scholz und mehrere Minister nach Paris eilten, besserte sich die Stimmung. Macron scheint dem Bundeskanz­ler aber immer noch zu misstrauen. Dabei brauchen Deutschlan­d und Frankreich einander, wenn sie in Europa etwas bewegen wollen. Die Nachbarlän­der sind nach wie vor der entscheide­nde Block im Herzen Europas. Macron braucht von Scholz eine Geste der Freundscha­ft. Die Feier des 60. Jahrestags des Éysée-Vertrags am Sonntag ist der perfekte Anlass dafür.

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