Gränzbote

Reue, Scham und Unwissenhe­it

Im Prozess um Juwelendie­bstahl aus Grünem Gewölbe gesteht ein weiterer Angeklagte­r

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(dpa) - Drei Tage nach den ersten Geständnis­sen im Prozess um den Juwelendie­bstahl aus dem Historisch­en Grünen Gewölbe haben sich am Dresdner Landgerich­t zwei weitere Angeklagte aus dem RemmoClan erklärt. Ein 26-Jähriger räumte die Beteiligun­g an dem Einbruch in das Museum ein, er sei „zum Tatzeitpun­kt dort gewesen“. Er gab zu, auch über die Mauer gestiegen zu sein, dann aber vor dem Fenster „Schmiere“gestanden zu haben. „Ich hatte den Auftrag, das Diebesgut entgegenzu­nehmen.“

Weitere Angaben zum Geschehen könne er nicht machen, sein konkretes Erinnerung­svermögen sei getrübt, erklärte er in der Einlassung. Er habe versucht, die Tat zu verdrängen, und es sei ihm nicht möglich, zur Aufklärung beizutrage­n. Was mit den Juwelen geschehen sei, habe er zu keiner Zeit gewusst. Sein Tun bereue er „zutiefst“und schäme sich. „Ich will nur zu meiner Familie und meiner Freundin zurück und werde mich der gerechten Strafe stellen“, betonte er.

Der Kunstdiebs­tahl in Sachsens Schatzkamm­ermuseum am 25. November 2019 gilt als einer der spektakulä­rsten in Deutschlan­d. Laut Anklage erbeuteten die Täter 21 Schmuckstü­cke aus Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von mehr als 113 Millionen Euro und hinterließ­en mehr als eine Million Euro Sachschade­n – sie steckten einen Stromverte­iler in der Altstadt in Brand und in der Tiefgarage eines Wohnhauses ihr Fluchtauto.

Überrasche­nd machte auch der 23-Jährige Angaben, der einem sogenannte­n Deal zwischen Gericht, Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft nicht zugestimmt hatte. „Ich war in Dresden nicht dabei“, verlas sein Verteidige­r dessen Erklärung. Mit der Planung der Tat habe er nichts zu

tun gehabt, er sei weder bei Vorbereitu­ng noch Ausführung dabei gewesen. „Ich habe die Äxte besorgt, mit denen die Vitrine durchbroch­en werden sollte“, gab er zu. Nach der Tat sei er kritisiert worden, „die Stiele waren zu kurz“, die Blätter zu klein und deshalb habe es länger gedauert, das Glas zu zerschlage­n.

Ein konkreter Anteil an der Beute sei ihm nicht versproche­n worden. Er bedauere, die Tat unterstütz­t zu haben, und sei bereit, „dafür auch die Verantwort­ung zu übernehmen“. Er habe gewusst, dass Juwelen wertvoll seien, aber ihre kunsthisto­rische Bedeutung für Sachsen sei ihm erst später bewusst geworden.

Am Dienstag hatten drei Verwandte der beiden zugegeben, an der Vorbereitu­ng und dem Coup im November 2019 selbst beteiligt gewesen zu sein, der auch internatio­nal Schlagzeil­en machte. Die Bereitscha­ft dazu resultiert aus der zwischen

Gericht, Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft geschlosse­nen Verständig­ung, nachdem der Großteil der Beute des Einbruchs teils beschädigt zurückgege­ben worden war. Dafür müssen sich die Beschuldig­ten zu Tatplanung, -vorbereitu­ng und -umsetzung sowie zu ihrem Anteil erklären und Fragen beantworte­n.

Nach den Einlassung­en stellten die Verteidige­r genau das überrasche­nd infrage. Vielmehr sollten Fragen schriftlic­h eingereich­t werden, damit noch eine Beratung mit der Verteidigu­ng möglich sei. Richter Andreas Ziegel und auch die Staatsanwa­ltschaft äußerten ihr Unverständ­nis, der Prozess wurde daraufhin für zweieinhal­b Stunden unterbroch­en. Unklar war zunächst, ob der „Deal“zwischen den Prozessbet­eiligten dann noch besteht.

Die 23- bis 29-Jährigen müssen sich seit knapp einem Jahr wegen schweren Bandendieb­stahls, Brandstift­ung

und besonders schwerer Brandstift­ung verantwort­en. Die Deutschen aus einer bekannten arabischst­ämmigen Berliner Großfamili­e sind Brüder und Cousins.

Gerichtssp­recher Andreas Feron geht davon aus, dass ein Bestehen der Verteidigu­ng auf einen „Frage-Antwort-Katalog“die Atmosphäre verschlech­tern würde. Das Gericht sei durch das Ansinnen irritiert. „Aber auch ein Geständnis ohne Deal ist natürlich strafminde­rnd zu berücksich­tigen.“Gleiches gelte für den Umstand, dass ein Teil der Beute zurückgege­ben wurde. Nach seiner Einschätzu­ng kann der Prozess nun länger dauern als zuletzt angenommen. Die Verteidigu­ng lehnt einen von der Kammer favorisier­ten Gutachter ab, der die vermindert­e Schuldfähi­gkeit eines der Angeklagte­n wegen Drogenkons­ums untersuche­n soll. „Es ist sicher, dass das Gericht noch weitere Termine mit den Verteidige­rn absprechen muss.“

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Die Angeklagte­n im Prozess um den Juwelenrau­b im Grünen Gewölbe sitzen bei der Fortsetzun­g im Verhandlun­gssaal im Dresdner Landgerich­t neben den Anwälten auf ihren Plätzen.

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