Besuch der alten Dame
„Tatort: Lenas Tante“(ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) - Gerade als sie den Mord an einem 96-jährigen Bewohner in einem Altenheim aufklären soll, bekommt Lena Odenthal Be- such von ihrer Tante Niki, einer pensionierten Staatsanwältin, bei der Lena aufgewachsen ist und die kein Verständnis dafür hat, dass die Nichte immer noch in der Provinz festsitzt, anstatt ihre Karriere in der Landeshauptstadt voranzutreiben. Allmählich wird klar, dass der Besuch der alten Dame kein rein verwandtschaftlicher ist und dass hinter ihren Fragen zu Lenas aktuellem Fall mehr steckt als bloßes Interesse an der Arbeit der Nichte.
Bis es allerdings so weit ist und auch der letzte Zuschauer kapiert hat, dass ihre Störungen der Arbeit von Lena und ihrer Kollegin Johanna Stern mit dem vermuteten Pflegebetrug gar nichts zu tun haben und sie in eigener Mission recherchiert, ist der halbe „Tatort“schon vorbei. Inzwischen taucht Tante Niki immer mal wieder im Polizeikommissariat auf, plaudert dort angeregt mit den Kollegen oder huscht heimlich über die Altenheimflure.
Stefan Dähnert schreibt schon seit mehr als 30 Jahren regelmäßig Drehbücher für die Sonntagskrimis aus Ludwigshafen; von ihm stammt unter anderem die Vorlage für den Odenthal-Klassiker „Tod im Häcksler“(1991). Diesmal führt er Zuschauer und Kommissarinnen gekonnt auf eine falsche Fährte, es dauert, bis seine Geschichte zum eigentlichen Thema kommt. Dann jedoch, ungefähr nach der Hälfte, als auch ein zweiter Toter dazukommt, nimmt der Plot eine völlig unerwartete Wende. Jetzt wird das Ganze auch spannend, und das bleibt so bis zum Schluss.
Ganz klar: Ursula Werner hat als verwandte Nervensäge sichtlich Spaß an ihrer Rolle und stiehlt Ulrike Folkerts in deren 77. Fall definitiv die Show. Zumal auch Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) für ihr lauwarmes, völlig verzichtbares Techtelmechtel mit dem Altenheimarzt nicht viel Aufmerksamkeit beansprucht.
Regie führte der als Schauspieler bekannte Tom Lass, der mit „Lenas Tante“nach verschiedenen Kinofilmen seinen ersten Fernsehfilm gedreht hat. Ungewöhnlich für einen „Tatort“-Neuling: Auf Knalleffekte wird komplett verzichtet. Alles läuft hier ganz gewöhnlich ab – Kamera, Licht und auch Musik. Überraschungen bietet hier allein das Drehbuch. Und das hat es gewaltig in sich.