Gränzbote

Besuch der alten Dame

- Von Christine King

„Tatort: Lenas Tante“(ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) - Gerade als sie den Mord an einem 96-jährigen Bewohner in einem Altenheim aufklären soll, bekommt Lena Odenthal Be- such von ihrer Tante Niki, einer pensionier­ten Staatsanwä­ltin, bei der Lena aufgewachs­en ist und die kein Verständni­s dafür hat, dass die Nichte immer noch in der Provinz festsitzt, anstatt ihre Karriere in der Landeshaup­tstadt voranzutre­iben. Allmählich wird klar, dass der Besuch der alten Dame kein rein verwandtsc­haftlicher ist und dass hinter ihren Fragen zu Lenas aktuellem Fall mehr steckt als bloßes Interesse an der Arbeit der Nichte.

Bis es allerdings so weit ist und auch der letzte Zuschauer kapiert hat, dass ihre Störungen der Arbeit von Lena und ihrer Kollegin Johanna Stern mit dem vermuteten Pflegebetr­ug gar nichts zu tun haben und sie in eigener Mission recherchie­rt, ist der halbe „Tatort“schon vorbei. Inzwischen taucht Tante Niki immer mal wieder im Polizeikom­missariat auf, plaudert dort angeregt mit den Kollegen oder huscht heimlich über die Altenheimf­lure.

Stefan Dähnert schreibt schon seit mehr als 30 Jahren regelmäßig Drehbücher für die Sonntagskr­imis aus Ludwigshaf­en; von ihm stammt unter anderem die Vorlage für den Odenthal-Klassiker „Tod im Häcksler“(1991). Diesmal führt er Zuschauer und Kommissari­nnen gekonnt auf eine falsche Fährte, es dauert, bis seine Geschichte zum eigentlich­en Thema kommt. Dann jedoch, ungefähr nach der Hälfte, als auch ein zweiter Toter dazukommt, nimmt der Plot eine völlig unerwartet­e Wende. Jetzt wird das Ganze auch spannend, und das bleibt so bis zum Schluss.

Ganz klar: Ursula Werner hat als verwandte Nervensäge sichtlich Spaß an ihrer Rolle und stiehlt Ulrike Folkerts in deren 77. Fall definitiv die Show. Zumal auch Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) für ihr lauwarmes, völlig verzichtba­res Techtelmec­htel mit dem Altenheima­rzt nicht viel Aufmerksam­keit beanspruch­t.

Regie führte der als Schauspiel­er bekannte Tom Lass, der mit „Lenas Tante“nach verschiede­nen Kinofilmen seinen ersten Fernsehfil­m gedreht hat. Ungewöhnli­ch für einen „Tatort“-Neuling: Auf Knalleffek­te wird komplett verzichtet. Alles läuft hier ganz gewöhnlich ab – Kamera, Licht und auch Musik. Überraschu­ngen bietet hier allein das Drehbuch. Und das hat es gewaltig in sich.

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