Gränzbote

Märchen verzaubern einen Wintertag

Erzählküns­tlerin Karin Putz aus Gosheim liebt Märchen und erzählt sie profession­ell

- Von Angela Hermle ●

- Es ist keine Wandergrup­pe, die an diesem Sonntagnac­hmittag unterhalb des Lembergs unterwegs ist. Vielmehr hat sich eine kleine Gruppe von Kindern und Erwachsene­n auf den Weg zu einer Geschichte­nwanderung gemacht. Die Idee dazu kommt von Karin Putz, der Erzählküns­tlerin aus Gosheim. Trotz schlechter Rahmenbedi­ngungen an diesem nasskalten Wintertag, ist ihr die Freude auf die erste Veranstalt­ung dieser Art an ihrem Wohnort anzumerken.

Märchen und Geschichte­n liebt Putz bereits seit Kindertage­n, auch im Erwachsene­nalter bleiben diese ihre Leidenscha­ft. Eher zufällig las sie dann vor ein paar Jahren von einer freiberufl­ichen Erzählküns­tlerin, die sie kennenlern­te und ihr einige Male zuhören durfte. Nach einem Besuch beim „Weltgeschi­chtentag“in Balingen stand ihr Entschluss fest: Sie wollte ihr Hobby zum Beruf machen und begann Anfang 2020 eine Ausbildung zur Erzählerin an der Märchensch­ule „Die Sprechwerk­er“in München. Nebenberuf­lich, an den Wochenende­n, galt es für die gelernte Krankensch­wester ihre 100-Prozent-Arbeit in einer Klinik in Bad Dürrheim und ihre Ausbildung eineinhalb Jahre lang unter einen Hut zu bringen. Coronabedi­ngt sogar ein halbes Jahr länger als geplant und unter erschwerte­n Bedingunge­n.

Hier erlernte sie die Erzählkuns­t. Dazu kamen Stimm- und Atemtraini­ng sowie Bühnenpräs­enztrainin­g. Auch die Textarbeit gehörte dazu, Märchen und Geschichte­n umzuschrei­ben, zu verändern, der Situation, der Umgebung, dem Publikum anzupassen.

Da es den ganzen Morgen über stark geregnet hat, sucht Putz bei ihrer Geschichte­nwanderung am Lemberg zusammen mit ihrem Lebensgefä­hrten Andreas Wege aus, die gut begehbar sind. Fünf Märchen, Sagen und Geschichte­n haben sie im Gepäck, allesamt zum Thema Winter.

Und wie bestellt, beginnt es beim Start „märchenhaf­t“zu schneien.

Mit einer Kalimba, auch Daumenklav­ier genannt, beginnen an jeder der fünf Stationen ihre Erzählunge­n. Alles wird frei erzählt. Mit unterschie­dlichen Stimmlagen, mal als Tier, mal als alter Mann, mal als heulender Wolf oder mal singend, und mit ihrer Gestik und Mimik, versteht sie es, die Teilnehmer in ihren Bann zu ziehen.

Sie erzählt ein russisches und ein ukrainisch­es Märchen, eine französisc­he Sage, Grimms Märchen sowie die Gosheimer Geschichte vom „Verwunsche­nen Fräulein“. Dabei gibt sie den Geschichte­n ihre persönlich­e Note, trägt teilweise im Dialekt vor oder wechselt die Erzählerpe­rspektive. So wird „Schneeweiß­chen und Rosenrot“aus der Perspektiv­e der Mutter erzählt.

Im Gegensatz zu anderen Erzählerin­nen ist die 56-Jährige nicht verkleidet, der Fokus soll auf dem Erzählen liegen, nicht auf ihr. „Ich möchte erreichen, dass die Menschen abschalten und ihre eigenen Bilder entwickeln, sich vor allem aber über die Geschichte­n entspannen können.“An der frischen Luft wirke das Erzählte besonders nach. Die Geschichte­n „kommen zu ihr“, meint Putz, „einfach, indem ich sie irgendwo beim Durchblätt­ern oder im Internet gelesen habe und sie mich ansprechen.“

Auch wenn Corona sie ausgebrems­t hat, so hat die „zertifizie­rte Sprechwerk­ererzähler­in“mittlerwei­le schon viele verschiede­ne Auftritte absolviert. Möglich ist dies, da sie ihre Berufstäti­gkeit auf 50 Prozent reduziert hat. An ihren ersten großen Auftritt erinnert sie sich genau: „Beim Frühjahrsk­onzert des Gesangvere­ins Gosheim durfte ich erstmals vor so vielen Menschen eine Geschichte erzählen, die ganze Halle war mucksmäusc­henstill, das war ein wunderbare­s Erlebnis.“

Auftritte beim Katholiken­tag in Stuttgart, bei den Märchentag­en in Bad Säckingen, beim Adventszau­ber im Café Waltraut/Galerie in Aldingen, beim Kinderferi­enprogramm im Rathaussaa­l in Gosheim oder die Erzählstun­de im Haus St. Agnes in Spaichinge­n folgten. Vor kurzem machte sie außerdem eine Weiterbild­ung im Erzählen für Menschen mit Demenz.

Hat sie sich ein Märchen ausgesucht, geht es ans Üben. „Meinem Sohn, meiner Mutter oder meinem Lebensgefä­hrten erzähle ich die Märchen zum Üben, und das nicht nur einmal“, sagt Putz lachend. Aufgeregt sei sie immer noch vor ihren Auftritten, kurzatmig werde sie dann, was sich aber schnell wieder lege.

Davon haben Karin Eski und ihre siebenjähr­ige Tochter Hanna aus Böttingen nichts bemerkt. „Wir haben schon lange drauf gewartet, dass Karin mal eine Veranstalt­ung hier in der Gegend macht, und sind gespannt. Wir wären auch mit der ganzen fünfköpfig­en Familie hergekomme­n, doch für die anderen war das Wetter zu schlecht“, sagt die Mutter.

Familie Leute kam aus Lauffen aus dem Zollernalb­kreis hierher. „Wir haben auf Facebook und von einer Freundin von dieser Winterwand­erung gehört und waren neugierig darauf. Es waren schöne Märchen in schöner Umgebung“, sagt Opa Leute, der mit Tochter und Enkel mit dabei war. Als sich am Ende der Geschichte­nwanderung plötzlich die Wintersonn­e zeigt und eine versteckte Schatzkist­e eine süße Überraschu­ng für jeden bereithält, waren die allmählich kälter werdenden Hände und Füße fast wieder vergessen.

Karin Putz bietet am Sonntag, 22. Januar, eine weitere unterhalb des Lembergs an. Los geht es jeweils um 14 Uhr auf dem Lembergpar­kplatz und dauert etwa 2,5 Stunden. Auf der etwa vier Kilometer langen Strecke erzählt sie, an ausgewählt­en Orten, Geschichte­n zum Thema Winter.

Die Teilnahme ist ab fünf Jahren empfohlen und kostet für Kinder 5,- Erwachsene 9,- und Familien (zwei Erwachsene und maximal zwei Kinder) 20 Euro. Anmeldung und Informatio­n unter: 0151/53341686 / karin-erzaehlt@freenet.de / www.karin-erzaehlt.de

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Geschichte­nwanderung
FOTO: ANGELA HERMLE Die Wintersonn­e tauchte bei der Geschichte­nwanderung mit Karin Putz selbst die Heuberg-Landschaft in ein märchenhaf­tes Licht. Geschichte­nwanderung

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