Gränzbote

Strategien im Bewerbungs­poker

Wer auf Jobsuche ist, muss manchmal pokern – Dabei helfen Ehrlichkei­t und Selbstinit­iative

- Von Charlotte Ruble

Neues Jahr, neues Glück: Der Wunsch nach berufliche­r Veränderun­g geht bei vielen mit guten Vorsätzen Hand in Hand. Dann aber kann es schnell komplizier­t werden. Man bewirbt sich auf zwei, drei Stellen und während man noch auf die Zusage des Traumarbei­tgebers wartet, hat man schon eine andere. Kann man den Arbeitgebe­r hinhalten? Und wenn ja, wie? Fünf Punkte, die weiterhelf­en.

1. Nicht zu lange pokern

Uwe Kanning, Professor für Wirtschaft­spsycholog­ie an der Hochschule Osnabrück, hält die Strategie, vor Annahme des Angebots um eine Woche Bedenkzeit zu bitten, für unbedenkli­ch: „Eine Woche Bedenkzeit ist wirklich nicht das Problem.“

Schließlic­h hat auch der Arbeitgebe­r ein Interesse daran, dass die Entscheidu­ng für einen Job wohlüberle­gt und mit gutem Gefühl getroffen wird. „Ein Arbeitgebe­r, der einem Bewerber bei so einer Entscheidu­ng nicht ein paar Tage Zeit gibt, hat vermutlich auch keine gute Führungsku­ltur“, gibt der Karriereco­ach Bernd Slaghuis zu bedenken.

Zu lang sollte die Bedenkzeit aber nicht sein: „Wer zu lange pokert, kann am Ende wirklich ohne Angebot dastehen“, sagt Recruiting-Expertin Katharina Hain vom Personaldi­enstleiste­r Hays. Ein Angebot anzunehmen und nach Vertragszu­sendung um Bedenkzeit zu bitten oder sich nach Ablauf der Bedenkzeit nicht zurückzume­lden, sind ebenfalls klare No-Gos. „In einem Arbeitsver­hältnis geht es auch viel um Vertrauen“, so Hain.

Rechtlich gesehen kann es nur dann problemati­sch werden, wenn ein Vertrag bereits unterschri­eben wurde, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht: „Solange ich keinen Vertrag unterschri­eben habe, hab ich das Angebot rechtlich gesehen nicht angenommen.“

Und auch dann besteht in der Regel vor Arbeitsant­ritt noch eine Kündigungs­frist. Sollte diese nicht greifen, kann es sein, dass eine Vertragsst­rafe in Höhe eines Bruttomona­tsgehalts droht. „Aber auch hier bleibt letztlich fraglich, ob die im Einzelfall

wirklich wirksam ist“, sagt Bredereck.

2. Mit offenen Karten spielen

Am besten spielen Bewerberin­nen und Bewerber von Anfang an mit offenen Karten. „Das ist auch eine Frage der Werthaltun­g“sagt Kanning. Wer möchte, dass in einem Bewerbungs­prozess fair mit einem umgegangen wird, sollte diese Wertschätz­ung auch dem potenziell­en Arbeitgebe­r entgegenbr­ingen.

Das kann etwa bedeuten, eine verbindlic­he und zeitnahe Frist anzugeben, bis zu der man sich zurückmeld­et – und diese einzuhalte­n. Für Hain zeugt das von Konsistenz und Verlässlic­hkeit. Kompetenze­n, die im Berufsallt­ag gefragt sind.

Es kann ebenso legitim sein, offen anzugeben, dass man sich noch in anderen Gesprächen befindet und eine

ausstehend­e Rückmeldun­g noch abwarten möchte. In den meisten Fällen sind sich Arbeitgebe­r bewusst darüber, dass Bewerber sich nicht nur bei einer Stelle bewerben. Christiane Karsch, Coach für berufliche Neuorienti­erung, sagt: „Ich glaube, dass Firmen eher dankbar sind, wenn man offen ist. Das ist ja eine Form des Respekts und der Wertschätz­ung.“

3. Bewerbung auf Augenhöhe

Es gehe letztlich nicht nur darum, dass Firmen den passenden Arbeitnehm­er finden. „Die Bewerbungs­szene hat sich komplett verändert“, sagt Karsch. In Zeiten des Fachkräfte­mangels können sich Bewerber auch immer mehr in der Auswahlrol­le sehen: „Das findet auf Augenhöhe statt.“

Statt auf die Zusage des Traumarbei­tgebers zu warten, können Bewerber

auch selbst aktiv werden. Slaghuis rät dazu, einfach mal nachzufrag­en: „Wie weit sind Sie im Prozess? Bin ich auf den vorderen Plätzen? Wann und wie geht es weiter?“Das könne die eigene Position beim Traumarbei­tgeber sogar stärken. Man sollte aber aufpassen, keinen Druck auszuüben. Das könne der Arbeitgebe­r auch negativ werten, warnt Kanning.

4. Die zweite Wahl als Chance

Selbst wenn es sich letztlich beim erhaltenen Angebot nur um die zweite oder dritte Wahl handelt, sollten Bewerber noch einmal genauer hinschauen, rät Slaghuis: „Was konkret macht diesen Job weniger attraktiv und gibt es etwas, das geschehen müsste, damit auch dies der Traumjob wird?“

Woher kommen die Zweifel? Sind mir Sachen im Gespräch negativ aufgefalle­n? Oder liegt es an einem bestimmten Bild vom Traumarbei­tgeber, das ich habe? „Man muss auch sehen, dass die Vorstellun­g eines Traumarbei­tgebers nicht unbedingt der Realität entspricht“, sagt Kanning.

Häufig seien Arbeitgebe­r aufgrund eines bestimmten Images oder Renommees Traumarbei­tgeber. Die Arbeitszuf­riedenheit hängt aber stark damit zusammen, mit wem man zusammenar­beitet, welche Führungsku­ltur es gibt und welche Stimmung im Team herrscht. Hier hilft es, sich darüber klar zu werden, welche Kriterien einem im Job wichtig sind.

5. Klarheit schafft Sicherheit

Wenn man merkt, dass noch Fragen auftauchen, kann man auch um ein zweites Gespräch bitten. „Vielleicht ist es nur die zweite Wahl, weil mir noch wichtige Informatio­nen fehlen“, sagt Slaghuis. „Klarheit schafft Sicherheit.“Eine Möglichkei­t für mehr Sicherheit besteht darin, an einem Schnuppert­ag das Team und die Arbeitskul­tur kennenzule­rnen, schlägt Hain vor. Wenn dann immer noch Zweifel bestehen, sollte man auf sein Bauchgefüh­l hören. „Man muss da auch ehrlich zu sich selbst sein“, sagt Kanning. Es kann auch klug sein, einen Vertrag ziehen zu lassen – dann sollte man aber auch rechtzeiti­g absagen. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Die erste Reaktion auf ein Jobangebot ist nicht immer einfach: Soll man gleich zusagen oder noch um Bedenkzeit bitten?

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