Gränzbote

Cevapcici gewürzt mit Toleranz und Akzeptanz

Im Spaichinge­r Imbiss von Itzko Duratovic am Freibadpar­kplatz – Schmelztie­gel unterschie­dlichster Persönlich­keiten und Nationalit­äten

- Von Isabell Drießen

- Etwas versteckt, fast schon unscheinba­r, steht eine einsame Holzhütte am Freibad in Spaichinge­n. Das Bad ist erwartungs­gemäß geschlosse­n, doch in der Hütte brennt Licht. Wer eintritt, dem schlägt die Wärme eines Holzfeuers und die Herzlichke­it Itzkos entgegen.

Itzkos ist der Betreiber des Primparks. Wo im Sommer tippelnde Kinderfüße geduldig auf Pommes und Eis warten, brennen jetzt lodernd in einem gusseisern­en Ofen ein paar Scheite Holz. Erwärmen den Gastraum des Imbiss und bringen Behaglichk­eit. Einige Männer sitzen auf einfachen Stühlen, ein Bier vor sich und beobachten den riesigen Schirm eines Flachbildf­ernsehers. Er nimmt fast den gesamten Raum neben der Tür ein. Wie immer läuft ein Nachrichte­nsender. Die Männer tragen noch Arbeitskle­idung. Ein schnelles Weizen und ein kleiner Plausch auf dem Heimweg sollen den Feierabend einläuten

Eine Bemerkung des Moderators über die aktuellen Energiepre­ise lässt die Runde lauter werden: „Wer soll das denn noch bezahlen?“ist der allgemeine Tenor. Auch Inhaber Itzko Duratovic hat hier eine ganz eigene Meinung: „Als ich hier angefangen habe, musste ich 380 Euro für Strom und Gas bezahlen. Inzwischen sind es 1600 Euro. Da muss man nichts mehr zu sagen“, brummt der sympathisc­he Bosnier.

Doch Jammern gehört nicht zum Rüstzeug, das das Leben dem Mittfünfzi­ger mitgegeben hat. Bereits 1989 kam er als junger Mann in den Zwanzigern nach Deutschlan­d. Den Krieg, der zwischen 1992 und 1995 auf dem Balkan

tobte, erlebte er zum Glück nur aus großer Ferne. „Dennoch kann ich die Menschen aus der Ukraine derzeit sehr gut verstehen“, erklärt der Hüne mit den lachenden Augen: „wie auch die Ukraine sind wir von Menschen überfallen worden, von denen wir es niemals gedacht hätten.“Serbien und Herzegowin­a seien Bruderstaa­ten gewesen, genau wie Russland für die Ukraine. Zustimmend­es Gemurmel der Anwesenden.

Manch einer von ihnen hatte den Krieg auch hautnah erleben müssen. Etwa Adriana, die freundlich­e Bedienung, die sich etwas im Hintergrun­d hält und die Wünsche ihrer Gäste stets im Blick hat: „Ich war die ganze Zeit in Sarajevo,“sagt sie und ihr Blick geht in die Ferne „das möchte keiner miterleben.“Umso mehr gilt auch ihr Mitgefühl den Flüchtling­en aus der Ukraine. Menschen, die wie sie alles zurücklass­en mussten, „mit nichts vor vorne anfangen.“

Doch Itzko lässt keine Traurigkei­t aufkommen und erzählt, wie es ihn nach einer Zwischenst­ation in Stuttgart schnell nach Spaichinge­n zog. Obwohl seine Heimatstad­t Prijedor mit mehr als 100.000 Einwohnern weitaus größer war, fand er im idyllische­n Städtchen am Fuße des Heubergs schnell ein neues Zuhause.

Eigentlich habe er mit Gastronomi­e noch nie was am Hut gehabt, als er das Gasthaus „7 Winde“übernahm, erklärt er. Er sei in der Qualitätsk­ontrolle tätig gewesen, aber arbeitslos geworden. Da habe sich die Gelegenhei­t zur Pacht ergeben, und er habe zugegriffe­n. Wer den Gastronome­n mit seiner geselligen Ader kennt, wundert sich sicher nicht, dass schnell zahlreiche Vereine in dem Restaurant an der Hauptstraß­e in Spaichinge­n ihr Stammlokal fanden.

Alles hätte immer so weiter laufen können, doch plötzlich wurde Personal knapp und auch Corona brachte so einige Gastwirte ins Wanken. Abermals machte sich Itzko über seine Zukunft Gedanken. „Ich dachte mir, hier im Imbiss kann ich zur Not alles alleine machen. Wenn viel Betrieb ist, hol ich mir Hilfe.“Eine einfache Direktive, die aufzugehen scheint.

Dank Itzkos herzlicher Art und seines freundlich­en Auftretens hat er auch aus dem Primtalpar­k einen Schmelztie­gel unterschie­dlichster Persönlich­keiten und Nationalit­äten gemacht. Egal, ob die Narrenzunf­t ein Treffen abhält oder der Spaichinge­r Turnverein zur Jahreshaup­tversammlu­ng ruft, bei Itzko fühlen sie sich alle gut aufgehoben. Jeden Freitag trifft sich darüber hinaus die Binokel-Runde. Zwei Spieler werden sogar höchstpers­önlich vom Wirt abgeholt und auch wieder heimgefahr­en. „Mit 90 kann man schon mal einen solchen Service bekommen,“zwinkert der zweifache Vater.

Aber ganz so harmonisch laufe es nicht jedes Mal ab, aber dafür immer mit Respekt. Auch die pro-russische Meinung eines Putin-Anhängers sorge immer wieder für neuen Diskussion­sstoff, zumal er einen deutschen Namen trage und aus Kasachstan stamme. Man könne ja genug reden, wenn man weit genug von Russland entfernt ist. Doch am Ende des Tages trenne man sich einvernehm­lich. Akzeptanz und Toleranz seien die Zauberwort­e.

Für Kenner der bosnischen Küche und vor allem für seine Landsleute hält der Gastronom noch ein spezielles Bonbon parat: Cevapcici nach einem Originalre­zept aus seiner Heimat. „Das Besondere daran ist,“erklärt er mit ernster Mine, „dass das Brot zweimal gegrillt wird. Einmal trocken und ein zweites Mal nachdem es in eine Fleischbrü­he getunkt wurde.“Es verstünde sich von selbst, dass jedwedes Fleisch, das hier über die Theke geht, perfekt gegrillt ist, wobei die Rezeptur geheim bleibt. „Die kommen von überall aus dem Landkreis her,“berichtet Itzko stolz. Nirgendwo gebe es Bessere. Ein Schmelztie­gel also nicht nur für Menschen, sondern auch für die Kulinarik.

„Ich war die ganze Zeit in Sarajevo,“sagt Adriana, Servicekra­ft über ihre persönlich­en Erfahrunge­n während des Balkankrie­gs.

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