Handwerk muss auch „sexy“sein
Auf dem Papier sind berufliche und akademische Bildung längst gleichgestellt – ein Meister im Handwerk ist einem Bachelor von der Hochschule ebenbürtig. Dennoch entscheiden sich junge Frauen und Männer immer häufiger für ein Studium und nicht für eine Ausbildung in einem Handwerksbetrieb mit anschließender Fortbildung zum Meister.
Wenn in Bayern vom kommenden Jahr an Meisterschüler von den teils hohen Kosten entlastet werden, ist das ein wichtiger Schritt und nur gerecht. Der Südwesten sollte dem folgen. Das wird jedoch nicht ausreichen, um die sogenannte Bildungswende in Gang zu bringen. Die Ursachen liegen tiefer. Jahrelang hat die OECD Deutschland regelmäßig kritisiert, zu wenige Akademiker auszubilden. Dabei hat die Organisation übersehen, dass es hier mit der dualen Ausbildung eine Besonderheit gibt, die betriebliche Praxis und theoretisches Wissen in einmaliger Weise vereint.
Die Politik hat sich von diesem angeblichen Mangel treiben lassen und mit der Absenkung von Zugangsvoraussetzungen versucht, möglichst viele junge Frauen und Männer in ein Studium zu locken. Wer es irgendwie schafft, der studiert – das ist die Botschaft, die Politik und Gesellschaft lange Zeit vermittelt haben.
Das Image der Handwerksberufe leidet. Trotz aufwendiger Kampagnen der Kammern ist es für junge Menschen häufig eben nicht „sexy“, morgens um 7 Uhr auf der Baustelle zu stehen. Das Handwerk tut sich noch schwer damit, zeitgemäße Arbeitsbedingungen anzubieten. Es ist klar, dass Dachdecker, Installateure oder Metzger nicht im Homeoffice arbeiten können. Dennoch gibt es bereits beispielhafte Betriebe, die mit neuen und kreativen Ideen auf die Wünsche der jungen Generation eingehen. Beispielsweise mit einer Viertagewoche beim Sanitärbetrieb oder mit einer freien Nacht auf Samstag für Bäcker-Azubis.
Auch die Politik kann mehr tun, als Appelle an Jugendliche richten. Selbstständiger Handwerker zu sein, ist in Deutschland kein Zuckerschlecken, das haben Corona-Pandemie und Energiekrise offengelegt. Inflation und Stromkosten sind für kleine Betriebe eine schwere Last, die wachsende Bürokratie verleidet so manchem den Spaß an der Arbeit. Das muss sich dringend ändern. Denn nur glückliche Vorbilder können motivieren.