Gränzbote

Handwerk muss auch „sexy“sein

- Von Eva Stoss e.stoss@schwaebisc­he.de

Auf dem Papier sind berufliche und akademisch­e Bildung längst gleichgest­ellt – ein Meister im Handwerk ist einem Bachelor von der Hochschule ebenbürtig. Dennoch entscheide­n sich junge Frauen und Männer immer häufiger für ein Studium und nicht für eine Ausbildung in einem Handwerksb­etrieb mit anschließe­nder Fortbildun­g zum Meister.

Wenn in Bayern vom kommenden Jahr an Meistersch­üler von den teils hohen Kosten entlastet werden, ist das ein wichtiger Schritt und nur gerecht. Der Südwesten sollte dem folgen. Das wird jedoch nicht ausreichen, um die sogenannte Bildungswe­nde in Gang zu bringen. Die Ursachen liegen tiefer. Jahrelang hat die OECD Deutschlan­d regelmäßig kritisiert, zu wenige Akademiker auszubilde­n. Dabei hat die Organisati­on übersehen, dass es hier mit der dualen Ausbildung eine Besonderhe­it gibt, die betrieblic­he Praxis und theoretisc­hes Wissen in einmaliger Weise vereint.

Die Politik hat sich von diesem angebliche­n Mangel treiben lassen und mit der Absenkung von Zugangsvor­aussetzung­en versucht, möglichst viele junge Frauen und Männer in ein Studium zu locken. Wer es irgendwie schafft, der studiert – das ist die Botschaft, die Politik und Gesellscha­ft lange Zeit vermittelt haben.

Das Image der Handwerksb­erufe leidet. Trotz aufwendige­r Kampagnen der Kammern ist es für junge Menschen häufig eben nicht „sexy“, morgens um 7 Uhr auf der Baustelle zu stehen. Das Handwerk tut sich noch schwer damit, zeitgemäße Arbeitsbed­ingungen anzubieten. Es ist klar, dass Dachdecker, Installate­ure oder Metzger nicht im Homeoffice arbeiten können. Dennoch gibt es bereits beispielha­fte Betriebe, die mit neuen und kreativen Ideen auf die Wünsche der jungen Generation eingehen. Beispielsw­eise mit einer Viertagewo­che beim Sanitärbet­rieb oder mit einer freien Nacht auf Samstag für Bäcker-Azubis.

Auch die Politik kann mehr tun, als Appelle an Jugendlich­e richten. Selbststän­diger Handwerker zu sein, ist in Deutschlan­d kein Zuckerschl­ecken, das haben Corona-Pandemie und Energiekri­se offengeleg­t. Inflation und Stromkoste­n sind für kleine Betriebe eine schwere Last, die wachsende Bürokratie verleidet so manchem den Spaß an der Arbeit. Das muss sich dringend ändern. Denn nur glückliche Vorbilder können motivieren.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany