Gränzbote

Drängler und Zauderer

Kritik an Scholz im Panzer-Poker wird immer lauter – Kanzler sieht sich nicht isoliert

- Von Michael Fischer

(dpa) - Soll die Ukraine Kampfpanze­r westlicher Bauart erhalten, um die russischen Angreifer zurückzudr­ängen? Oder kann das zu einer gefährlich­en Ausweitung des Krieges führen? In Deutschlan­d ist diese Frage inzwischen zu einem Koalitions­krach ausgewachs­en. Auf internatio­naler Bühne gerät Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) immer stärker unter Druck.

Als sein neuer Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) am Freitag auf dem US-Luftwaffen­stützpunkt Ramstein seinen neuen Kollegen und Kolleginne­n erklären musste, dass Deutschlan­d weiter unentschlo­ssen in der Panzer-Frage ist, kam er sich aber gar nicht so alleine vor. „Es gibt kein einheitlic­hes Meinungsbi­ld“, sagte er. „Der Eindruck, der gelegentli­ch entstanden ist, es gebe eine geschlosse­ne Koalition und Deutschlan­d stehe im Weg, dieser Eindruck ist falsch.“Stimmt das?

Der Lieferant: Es gibt bisher nur ein Land, das sich entschiede­n hat, die Ukraine mit Kampfpanze­rn westlicher Bauart auszustatt­en: Großbritan­nien. 14 Exemplare des seit Mitte der 1990er-Jahre von den britischen Streitkräf­ten genutzten Challenger 2 sollen ins Kriegsgebi­et geliefert werden. Diese Entscheidu­ng wollte die britische Regierung vor der Ramstein-Konferenz als Signal an die Verbündete­n verstanden wissen und hoffte darauf, dass andere Länder mitziehen. „Ich würde nichts lieber sehen, als dass die Ukrainer mit Leopard 2 ausgerüste­t sind“, sagte der britische Außenminis­ter James Cleverly am Wochenende. Bisher ging das Kalkül der Briten aber noch nicht auf.

Die Drängler: Ober-Drängler ist Polen, das über 247 Leopard-2-Panzer verfügt. Präsident Andrzej Duda ist bereits vorletzte Woche mit der Ankündigun­g vorgepresc­ht, etwa 14 Exemplare in die Ukraine liefern zu wollen. Da die Panzer aus deutscher Produktion stammen, muss die Bundesregi­erung den Export genehmigen. Am Montag kündigte Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki an, eine solche Genehmigun­g auch offiziell zu beantragen. Das setzt die Bundesregi­erung weiter unter Druck.

Polen ist entschloss­en, selbst bei einem deutschen Nein zu liefern. „Wenn die Deutschen nicht in dieser Koalition sind, werden wir trotzdem unsere Panzer zusammen mit anderen in die Ukraine verlegen“, sagte Morawiecki. Welche Länder das sein könnten, ist aber unklar. Bisher hat nur Finnland – wie Polen ein Nachbarlan­d

Russlands – seine Bereitscha­ft signalisie­rt, einige seiner rund 200 Leopard 2 abzugeben. Die anderen Staaten, die massiv Druck auf Deutschlan­d machen, sind die drei baltischen Länder. Sie verfügen selbst nicht über Leopard 2.

Die Zauderer: Weil jede Leopard-2-Lieferung in die Ukraine von Deutschlan­d genehmigt werden muss, kommt Kanzler Scholz eine Schlüsselr­olle zu. Er gilt den PanzerBefü­rwortern deswegen als OberZauder­er. Was andere als zaudern kritisiere­n, nennt er allerdings besonnen. Scholz hat immer betont, Deutschlan­d und die Nato dürften nicht in diesen Krieg hineingezo­gen werden. In einer Kampfpanze­r-Lieferung sieht er offensicht­lich Eskalation­spotenzial und berät deswegen weiter mit den wichtigste­n Verbündete­n Frankreich und USA.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat sich auch noch nicht entschiede­n, ob er seine Leclerc-Panzer abgeben will. Die USA hätten zwar nichts dagegen, wenn die europäisch­en Verbündete­n Leopard-2-Panzer liefern würden. Ihre eigenen M1 Abrams halten sie für einen Kriegseins­atz

in der Ukraine aber aus verschiede­nen Gründen für weniger tauglich: hoher Spritverbr­auch, langer Transportw­eg, komplizier­tere Versorgung mit Ersatzteil­en.

Das Problem: Scholz hat die letzten qualitativ neuen Schritte bei den Waffenlief­erungen immer zusammen mit den Amerikaner­n gemacht. Und dabei will er unbedingt bleiben.

Die Zuschauer: Insgesamt haben neben Deutschlan­d 13 europäisch­e Staaten Leopard-2-Panzer. Viele dieser Länder halten sich in der Debatte bedeckt. Zum Beispiel Tschechien. Das Nachbarlan­d Deutschlan­ds hat im Zuge des sogenannte­n Ringtausch­s zwar erst einen LeopardPan­zer von Deutschlan­d erhalten – als Ausgleich für eine Lieferung von T-72-Panzern sowjetisch­er Bauart in die Ukraine. 13 weitere sollen aber noch folgen und Tschechien dürfte kaum Interesse daran haben, dass die nun vorzugswei­se an die Ukraine abgegeben werden.

Anderes Beispiel: Griechenla­nd hat so viele Leopard-Panzer wie kein anderes Land Europas: Rund 350 Leopard 2 und 500 Leopard 1. Die Regierung in Athen hat aber kein Interesse Panzer abzugeben, weil es sich vom Nato-Partner Türkei bedroht fühlt. In der Diskussion über Kampfpanze­r-Lieferunge­n in die Ukraine hält sich Athen deswegen bedeckt.

Der Profiteur: Das Zwischener­gebnis der Debatte ist genau das, was Russland sich wünscht: Uneinigkei­t des Westens.

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