KfW warnt vor schrumpfendem Wohlstand
Wirtschaft steht vor Herausforderungen – Zuwanderung von Fachkräften reicht nicht aus
(dpa) - Deutschland droht nach Einschätzung der staatlichen Förderbank KfW wegen des Fachkräftemangels eine Zeitenwende. „Das Fundament für weiteres Wohlstandswachstum bröckelt“, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Studie. „Das Thema Fachkräftemangel ist schon lange bekannt, und es hat im letzten Jahr noch mal eine neue Qualität erhalten“, erläuterte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Sei es, weil Handwerker erst später helfen könnten, oder das Lieblingsrestaurant seine Öffnungszeiten aus Personalmangel eingeschränkt habe.
Auch Handwerkspräsident Jörg Dittrich warnte vor den Folgen des Fachkräftemangels. Als alarmierend wertete das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) den Rückgang der Studienanfänger in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) im Jahr 2021. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sank die Zahl in den MINT-Fächern im Jahr 2021 um rund 6,7 Prozent auf etwa 307.000.
Das Fehlen von Fachkräften behindert der KfW zufolge bereits die Geschäftstätigkeit von jedem zweiten Unternehmen. Hinzu komme, dass die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigem seit 2012 jährlich nur noch um 0,3 Prozent wachse. Bleibe das Produktivitätswachstum derart schwach und verstärke sich der
Rückgang des inländischen Fachkräfteangebots, bedeute dies eine Zeitenwende: „Deutschland träte noch in diesem Jahrzehnt in eine Ära anhaltend stagnierenden, womöglich schleichend schrumpfenden Wohlstands ein.“
Nach Einschätzung der KfW muss an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Das Arbeitskräfteangebot müsse durch Zuwanderung qualifizierter ausländischer Kräfte gesteigert werden. Arbeit müsse produktiver werden, etwa durch Förderung von Innovationen. Notwendig sei auch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen.
Für sich genommen würde keine dieser Maßnahmen ausreichen. In der Summe könnten sie aber viel bewirken. „Wenn wir beispielsweise nur auf Zuwanderung als Ausgleich für die Alterung setzen würden, dann bräuchten wir bis 2030 pro Jahr eine Zuwanderung von über einer Million“, erläuterte Köhler-Geib.
Notwendig ist aus ihrer Sicht der Ausbau bezahlbarer Kinderbetreuungsund Pflegeangebote. Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und Qualifikationen sowie die Unterstützung beim Erlernen von Deutsch. „Mit Blick auf die Produktivität ist die Förderung von Investitionen in Innovation und Digitalisierung zentral, mehr Nachwuchs in MINT-Fächern und letztlich die weitere Verankerung lebenslangen Lernens in Deutschland“, sagte Köhler-Geib.