Kostenloser Meister lässt im Südwesten auf sich warten
In Bayern soll die Fortbildung schon bald gratis sein – Das Handwerk fordert eine Bildungswende
- In Bayern soll der Meister bald kostenlos sein: Die Regierung im Freistaat plant, ab 2024 Absolventen die anfallenden Gebühren für die Fortbildung zum Handwerksmeister zu erlassen. Damit will Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den massiven Fachkräftemangel im Land bekämpfen. In der bayerischen Wirtschaft stößt der Plan auf breite Zustimmung. In Baden-Württemberg „gibt es aktuell solche Planungen nicht“, teilt das Wirtschaftsministerium in Stuttgart auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Aber auch hierzulande wird eifrig diskutiert, wie man die Meisterausbildung finanziell attraktiver gestalten könnte. Diese kostet je nach Gewerk zwischen 5500 und 15.000 Euro. Daneben geht es den Handwerksvertretern insbesondere aber auch um die öffentliche Wertschätzung für ihre Berufe.
„Unsere Landesregierung sollte sich die Entscheidung aus Bayern zum Vorbild nehmen. Wir halten das schon lange für geboten und gerecht – und tragen das gebetsmühlenartig nach Stuttgart“, sagt Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm, deren Gebiet von der Ostalb bis zum Bodensee reicht. Dies wäre der richtige Schritt, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist Krimmer überzeugt. Auch geht es dem Handwerksmeister aus Leutkirch im Allgäu um mehr Gerechtigkeit im Vergleich zur akademischen Ausbildung an den Universitäten und Hochschulen im Land: „Handwerkerinnen und Handwerker erarbeiten sich in ihrem Meisterstudium die gleiche Bildungsstufe wie der akademische Bachelorabsolvent, der seine Ausbildung kostenfrei bekommt“, verdeutlicht Krimmer. „Wir brauchen ein politisches und gesellschaftliche Umdenken.“Dazu gehöre es zum Beispiel auch, manuelle Fertigkeiten und handwerkliches Wissen mehr wertzuschätzen.
Auch wenn der Gratis-Meister in Baden-Württemberg vorerst nicht geplant ist – in Sachen Wertschätzung stimmt die Landespolitik den Handwerksvertretern durchaus zu: „Die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen wie die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft kann nur mit sehr gut qualifizierten Fachkräften gelingen. Ohne das Handwerk wären Maßnahmen, die für die Steigerung der Nachhaltigkeit bei Gebäuden, Elektromobilität und vieles mehr notwendig sind, nicht umsetzbar“, sagt die badenwürttembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Zum Thema Förderung verweist das Ministerium auf die schon bestehende Meisterprämie in Höhe von 1500 Euro sowie die bundesweiten Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen des Aufstiegsfortbildungsfördergesetzes (AFBG) – im Volksmund auch Meister-Bafög genannt.
„Die staatliche Übernahme der Kosten für die Meisterfortbildung ist ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerktags (BHT). „Damit unterstreicht die Staatsregierung, dass berufliche und akademische Bildung in Bayern gleichwertig sind. Dies hilft uns, mehr junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen.“
Auch Rainer Reichhold, Landeshandwerkspräsident in BadenWürttemberg, sagt: „Klar ist, dass wir weitere Maßnahmen zur Reduktion der Kosten für Meisterabsolventinnen und -absolventen brauchen – für mehr Gleichwertigkeit und die Fachkräftesicherung im Land. Hierzu sind wir mit der Landesregierung im Gespräch.“Die Entlastung dürfte aber nicht zulasten der handwerklichen Bildungsstätten und der ohnehin schon stark beanspruchten Betriebe gehen. „Die hohen Qualitätsstandards der Meisterausbildung sind keine Verhandlungsmasse“, betont Reichhold.
Bislang gibt es im Südwesten eine Prämie von 1500 Euro für jeden Handwerker, der eine Meisterausbildung erfolgreich abschließt. „Wir als Handwerk BW haben uns lange Zeit bei der Landesregierung für eine Prämie stark gemacht“, berichtet
der oberste Handwerker des Landes. Die Kosten seien dadurch aber bei Weitem nicht gedeckt, weshalb man sich auch weiter für eine Unterstützung einsetze. Die Gesamtkosten für eine Fortbildung zum Handwerksmeister setzen sich aus verschiedenen Positionen zusammen: Lehrgangsund Prüfungsgebühren, Kosten für das Meisterprüfungsprojekt – auch „Meisterstück“genannt – sowie bei Vollzeitfortbildungen Unterhaltskosten. Hinzu kommen Kosten für Fahrten, Verdienstausfälle und Unterkunftskosten.
Von der Politik fordert Handwerkspräsident Reichhold eine „echte Bildungswende“. Die berufliche Orientierung müsse grundlegend neu ausgerichtet und intensiviert werden. „Ein erster Ansatz ist die Änderung des Schulgesetzes, die in den aktuellen Landtagsdebatten bereits diskutiert worden ist. Für eine bessere berufliche Orientierung an Gymnasien und die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung sollen die Gymnasien zwingend auch auf eine berufliche Ausbildung vorbereiten, nicht nur auf ein Studium“, so Reichhold. Das sei ein erstes wichtiges Signal, dass das Handwerk bereits zur Landtagswahl 2021 gefordert habe. „Dabei darf es aber nicht bleiben, Maßnahmen wie ein ÖPNVTicket
oder Azubi-Wohnen gehören genauso dazu“, betont der oberste Handwerker im Land.
„Nachdem über viele viele Jahre von der Politik ein Studium als höherwertig angepriesen wurde, muss jetzt alles dafür getan werden, dass den Handwerksberufen wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht wird“, verdeutlicht Reichhold. „Hier sehen wir Fortschritte, sind aber noch lange nicht zufrieden. Es gibt so viele Vorteile einer Karriere im Handwerk, diese vermitteln wir den Jugendlichen über alle möglichen Kanäle. Aber ohne die Unterstützung von Schulen, Politik und Eltern wird es trotzdem nicht gehen“, sagt er.
Ein erstes konkretes Zeichen zur Gleichstellung von Studium und Meisterausbildung hat die Handwerkskammer Ulm im vergangenen Jahr selbst gesetzt: Die Meisterstudierenden haben erstmals einen Studierendenausweis erhalten. Damit können angehende Meister belegen, dass sie an einer Fachschule für berufliche Weiterbildung eingeschrieben sind – und somit auch von den üblichen Rabatten für Studierende etwa an der Kinokasse oder im Museum profitieren.
Ob nun finanziell oder auch durch mehr gesellschaftliche Wertschätzung – den Handwerksberuf attraktiver zu gestalten, ist dringend geboten. Stichwort: Fachkräftemangel. „Auf dem Arbeitsmarkt fehlen 2030 zehnmal mehr Gesellen, Meisterinnen und Techniker als Akademiker.
Das wird eine Herausforderung für unsere Gesellschaft“, sagt der Ulmer Handwerkspräsident Krimmer. Zum 30. September 2022 gab es laut der Agentur für Arbeit in Baden-Württemberg 18.800 offene Stellen für Fachkräfte in Handwerksberufen. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Handwerk im Südwesten ist in den vergangenen zehn Jahren von 19.900 (2012) auf 18.003 (2022) gesunken. Die gute Nachricht: Der Rückgang war geringer als der Durchschnitt über alle Ausbildungsberufe hinweg.
Und wenn man genauer hinsieht, spricht auch jede Menge für einen Handwerksberuf: „Wer ins Handwerk geht, hat quasi eine Jobgarantie“, verdeutlicht Reichhold den wohl größten Vorteil. Allein im Ulmer Kammergebiet zwischen Ostalb und Bodensee gab es zum Jahresende 2020 noch 500 offene Lehrstellen im Handwerk. Die Arbeit sei vielfältig, so Reichhold, kein Tag wie der andere. Auch könne man schnell Verantwortung übernehmen. „Wer sich ganz praktisch und mit konkreten Ergebnissen fürs Klima einsetzen will, sollte eine Ausbildung im Handwerk machen“, empfiehlt der baden-württembergische Handwerkspräsident mit Blick auf die Energiewende. „Handwerker werden immer gebraucht – jetzt, heute und morgen“, verdeutlicht Reichhold schließlich. Und das kann man in der heutigen Zeit des extremen Wandels ja längst nicht von jeder Berufsgruppe behaupten.
„Wer ins Handwerk geht, hat quasi eine Jobgarantie.“Rainer Reichhold, Landeshandwerkspräsident in Baden-Württemberg