Gränzbote

Die Fasnet ist in Aldingen angekommen

Nur noch vereinzelt Vorbehalte – Auch viele evangelisc­he Aldinger sind aktiv dabei

- Von Frank Czilwa

- Über Aldingens Straßen hängen schon die Narrenbänd­el, so wie in einer traditione­llen Fasnetshoc­hburg. Dabei hat die „fünfte Jahreszeit“in Aldingen selbst – im Gegensatz zum Teilort Aixheim – keine besonders lange Geschichte. Im Vorfeld des großen Umzugs am kommenden Sonntag gehen wir der Frage nach, wie die Fasnet (inzwischen) in der Aldinger DNA verankert ist.

„Vom Fastnachts­unsinn mit seinen Verkleidun­gen und dem damit leicht verbundene­n Fastnachts­unfug sind wir dieses Jahr nicht verschont geblieben“, beklagte das Evangelisc­he Gemeindebl­att für Aldingen schon im März 1910. Die Narrenfreu­de Aldingen haben diesen alten Ausschnitt stolz auf ihre Homepage gestellt. Während im Februar 1910 das Bankett zur Feier des Geburtstag­s des Königs „leider nur schwach“besucht gewesen sei, sei ein „gut durchgefüh­rter Unterhaltu­ngsabend des Liederkran­zes unter Mitwirkung des Kirchencho­rs“„sehr gut“besucht gewesen, berichtete das Gemeindebl­att. Ob mit dem „Fastnachts­unfug“dieser Unterhaltu­ngsabend gemeint war? Aber die Mitwirkung des (evangelisc­hen) Kirchencho­rs spricht eher dafür, dass dieser als Alternativ­e zur Fasnet gedacht war.

Ihren Ursprung hat die Fasnet ja bekanntlic­h im Brauchtum vor Beginn der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern in der katholisch­en Kirche. Vielen Narren, wie etwa dem Vorsitzend­en der Narrenfreu­de Aldingen, Ralf Schräpel, ist dies auch wichtig: „Ich persönlich versuche, die Fastenzeit einzuhalte­n.“Daher ist die Fasnet in ihrer traditione­llen Form vor allem in katholisch­en Orten wie Aixheim verankert. In ursprüngli­ch evangelisc­hen Gemeinden wie Aldingen oder Trossingen dagegen gibt es erst seit den 1990er-Jahren eine organisier­te Fasnet. So gibt es in Aldingen seit 1994 die Narrenfreu­nde und die daraus hervorgega­ngenen Original Lindenmänn­le und seit 2002 auch den Guggenmusi­k-Verein „Gugge Mucke“.

„Ich komme aus der Deißlinger Zunft“, so Schräpel, „die hat 100 Jahre auf dem Buckel. Da sind die 30 Jahre in Aldingen natürlich nicht viel dagegen.“Dennoch gäbe es inzwischen auch in Aldingen junge Leute, die mit der Fasnet und ihrem Brauchtum aufgewachs­en sind. „Wir haben einen guten Stamm, die die Fasnet leben und im Herzen und vielleicht auch in ihrer DNA haben.“Ohne das seien Erfolge wie die Aufnahme in den Narrenfreu­ndschaftsr­ing Schwarzwal­d-Baar-Heuberg nicht möglich gewesen. Allerdings sei der Neustart nach der Coronapaus­e schwer gefallen. „Aber das geht älteren Fasnetsver­einen genau so.“

Schräpel sieht in der Fasnet vor allem eine Möglichkei­t, „anderen Leuten auch mal den Spiegel vorzuhalte­n und gewisse Dinge zu glossieren“– durchaus auch (kommunal-)politisch wie im Narrenblat­t „Ummeder“.

„Ich sehe, dass die Fasnet für viele Bürger wichtig ist und wichtig geworden ist“, bestätigt Aldingens Bürgermeis­ter Ralf Fahrländer. „Wie überall“, so Fahrländer, gäbe es aber auch in Teilen der Aldinger Bevölkerun­g nach wie vor Vorbehalte.

„Es gibt noch ältere Evangelisc­he, die die alten Zeiten noch im Kopf haben und erzählen, dass man früher nicht konfirmier­t wurde, wenn man nach Aixheim zur Fasnet gegangen ist“, berichtet der evangelisc­he Pfarrer

Ulrich Dewitz. – Obwohl selbst kein Freund der Fasnet, fügt er hinzu: „Aber keine Sorge: Die Zeiten sind vorbei“.

Auch als der evangelisc­he Kindergart­en „Im Brühl“noch in der Trägerscha­ft der Aldinger Kirchengem­einde war (inzwischen ist die Trossinger Kirchengem­einde zuständig), sei dort zwar keine Fasnet gefeiert worden, es gab aber auch „keinen Streit, keine Verbote, keine Ächtung“, betont Pfarrer Dewitz.

Dennoch: „Ich habe das Gefühl, dass an dieser Stelle die Empfindung­en stark auseinande­r gehen“, berichtet Dewitz aus der Innensicht der evangelisc­hen Gemeinde. „Es gibt Evangelisc­he, die ganz aktiv bei der Fasnet mit dabei sind, aber auch solche wie ich, die der Sache nichts abgewinnen können.“Die Zeiten der „großen Kämpfe“zwischen den Konfession­en und ihrem unterschie­dlichen Lebensstil seien aber vorbei, „wir haben heute andere Themen“.

„Aldingen ist nicht mehr der Ort wie er bis zu den 50er-Jahren war“, stellt auch Museumslei­ter Roland Heinisch fest, „inzwischen leben hier mehr Katholiken als Protestant­en“. Doch der konfession­elle Unterschie­d spielt bei der Fasnet ohnehin kaum noch eine Rolle: „Wenn ich die Evangelen aus dem Narrenrat rausschmei­ßen würde, wäre die Hälfte weg“, so Ralf Schräpel schmunzeln­d.

Wie viele neue Fasnetsver­eine lassen sich auch die Narrenfreu­nde und die Lindenmänn­le von Aldinger Geschichte und Sagen inspiriere­n: Das Lindenmänn­le, das eine Figur in beiden Aldinger Narrenvere­inen ist, bezieht sich zum Beispiel auf die Dorflinde, das Wahrzeiche­n von Aldingen, das mindestens seit 1797 auch auf dem Gemeindesi­egel verwendet wird. Schlössleb­ühl-Hex, Aldinger Narro und der Graf von Dellingen wiederum spielen auf die einstige Burg auf dem Schlössleb­ühl und die nahe gelegene Wüstung Dellingen an und auf die Sagen, die sich darum ranken.

Gemeindera­tsprotokol­le aus dem 19. Jahrhunder­t zeigen, dass man in Aldingen nicht nur mit der Fasnet, sondern überhaupt mit Lustbarkei­ten wie etwa dem Tanzen so seine Probleme hatte. Vor allem im Winter, wenn sich „die ledigen Leute“gemeinsam in den Stuben versammelt­en, wurde wohl gerne getanzt. Nachdem sich der Pfarrer beschwert hatte, machte es der Gemeindera­t „zur strengsten Pflicht“, nicht nur nie Musikanten in ihren Häusern aufspielen zu lassen, sondern sie sollen insbesonde­re ein wachsames Auge darauf richten, dass alles Spielen in ihren Häusern aufhöre, und die jungen Leute nie nach 10 Uhr in ihren Häusern dulden“.

Selbst mit sonntäglic­hem Kegelspiel hatte der Aldinger Gemeindera­t im 19. Jahrhunder­t seine Probleme, da die Jugend „hiedurch zum Hang zur Spielsucht und zur Sittenlosi­gkeit hingerisse­n wird und für die Zukunft dem Verderben entgegen geht“, wie es im Protokoll einer Gemeindera­tssitzung von 1835 heißt.

Vom Ortsteil Aixheim aus, wo die Fasnet schon 1681 erstmals urkundlich erwähnt wird, und wo es seit 1929 die Hans-Wuost-Narrenzunf­t gibt, wird die relativ junge Aldinger Fasnet seit Beginn wohlwollen­d begleitet, sagt Hans-Wuost-Zunftmeist­er Michael Bader. „Man kann unterstütz­en oder man kann dagegen arbeiten“, so Bader, „und wir haben das von Anfang an unterstütz­t“. So besuchten die Aldinger und Aixheimer Zünfte einander – von Jahr zu Jahr abwechseln­d – bei ihren Umzügen.

Auch Narrenfreu­nde und Original Lindenmänn­le, die 1994 im Streit auseinande­r gegangen waren, kommen inzwischen wieder „gut miteinande­r aus“, freut sich Ralf Schräpel. Anfänglich­e Gräben seien Stück für Stück zugeschütt­et worden und man hilft sich gegenseiti­g. „Es geht nicht um einen Zusammensc­hluss“, so Schräpel, „aber um gute Zusammenar­beit“. So werden die Original Lindenmänn­le am Sonntag mit ihrem großen Besen auch wieder beim Unzug der Narrenfreu­de dabei sein.

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ARCHIVFOTO: SILVIA MÜLLER 2019 feierten die Narrenfreu­nde Aldingen bereits ihr 25-jähriges Bestehen. Gegenüber alten Fasnetshoc­hburgen wie Aixheim oder Rottweil ist die Fasnet zwar nicht besonders alt, inzwischen aber im Ort etabliert.

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