Gränzbote

Lula lässt Scholz abblitzen

Brasiliens Präsident will die westliche Linie beim Ukraine-Krieg nicht unterstütz­en

- Von Tobias Käufer

(KNA) - Aus rein wirtschaft­spolitisch­er Sicht war die Südamerika-Reise von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) erfolgreic­h. In Chile konnte der deutsche Regierungs­chef den ambitionie­rten jungen Präsidente­n Gabriel Boric als Partner gewinnen. Er steht für eine neue, moderne Linke, die Menschenre­chte über ideologisc­he Loyalität stellt – egal wo sie verletzt werden.

Auch in der Umweltpoli­tik tickt Boric ähnlich wie die Ampel-Koalition. Es gibt in Chile spannende gemeinsame Projekte, die beim Übergang hin zu einer grünen Wirtschaft helfen sollen. Sei es bei der LithiumGew­innung oder bei der Produktion von grünem Wasserstof­f: Boric und Scholz lagen auf einer Wellenläng­e. Chile wolle, dass es in Deutschlan­d als Kapazität wahrgenomm­en werde, die neue Technologi­en und innovative Unternehme­n entwickeln, sagte Boric. In Argentinie­n konnte Scholz ebenfalls wichtige Weichen stellen. Die Regierung des peronistis­chen Präsidente­n Alberto Fernandez schlingert zwar wieder einmal durch eine Krise, aber es gibt auch hier Ansätze zu einer gemeinsame­n Zusammenar­beit. Man habe über Erdgas, die Lithiumvor­kommen und die Produktion von grünem Wasserstof­f gesprochen, sagte Fernandez nach dem Treffen. Nun muss sich zeigen, was daraus wird. In Argentinie­n beginnt langsam der Wahlkampf.

In Brasilien aber erlebte Scholz unmittelba­r den Machtverlu­st Europas. Eigentlich hatte die Bundesregi­erung alles getan, um ein harmonisch­es Gipfeltref­fen vorzuberei­ten. Entwicklun­gsminister­in Svenja

Schulze (SPD) versprach die stattliche Summe von 200 Millionen Euro Soforthilf­e für die ersten 100 Tage der neuen Regierung. Ein Teil davon soll laut Brasiliens Umweltmini­sterin Marina Silva in die Bekämpfung der dramatisch­en humanitäre­n Krise fließen, die die Yanomami-Indigenen als Konsequenz der umwelt- und indigenenf­eindlichen Politik von ExPräsiden­t Jair Bolsonaro, aber auch dessen Vorgängern in den vergangene­n 200 Jahren erleben.

Als aber das Gespräch auf den russischen Angriffskr­ieg in der Ukraine kam, wurde deutlich, dass Lula die deutsche – und europäisch­e – Sichtweise auf den Krieg für falsch hält. Zwar verurteilt­e Lula erstmals die russische Invasion als einen „Fehler“, sieht aber auch die Ukraine in der Mitverantw­ortung, weil diese in die Nato gewollt habe. Offensicht­lich sieht Lula den Westen und Europa nicht allein in der Lage, den Konflikt zu lösen – und rief deshalb China zur Hilfe: Peking müsse nun mitanpacke­n. Auch Brasilien könnte in einer Friedensgr­uppe helfen.

Zudem will Lula auch beim EUFreihand­elsabkomme­n mit den Mercosur-Staatenbun­d nachverhan­deln, offenbar geht es dabei auch um Umweltvors­chriften. Neben Brasilien und Argentinie­n gehören Paraguay und Uruguay zu den Mercosur-Staaten. Umwelt- und Hilfsorgan­isationen hatten ein Nachschärf­en des Abkommens in sozialen und ökologisch­en Punkten gefordert. Was genau Lula ändern lassen will, ist im Detail nicht bekannt. Er kündigte an, das Abkommen bis zum Ende des ersten Halbjahres abzuschlie­ßen.

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FOTO: SERGIO LIMA/AFP Scholz bei der Südamerika-Reise in Brasilien: Präsident Lula geht die westliche Linie des Kanzlers beim Ukraine-Krieg nicht mit.

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