Gränzbote

Kein Benzin vom Acker mehr

Umweltmini­sterin will Ende der Beimischun­g von Biokraftst­offen – FDP strikt dagegen

- Von Hannes Koch

- Getreide wird zu Brot verarbeite­t, um Menschen zu ernähren – so lautet die alltäglich­e Annahme. Doch ein guter Teil der hierzuland­e angebauten Ähren dient dazu, Autotreibs­toff zu produziere­n, damit der Verkehr rollt. Dem will die grüne Bundesumwe­ltminister­in Steffi Lemke allmählich einen Riegel vorschiebe­n. Die FDP lehnt Lemkes Gesetzentw­urf allerdings ab.

Ohnehin haben sich die drei Parteien der Bundesregi­erung in der Verkehrs- und Klimapolit­ik verhakt. Im Vordergrun­d steht die Auseinande­rsetzung darüber, dass der Autoverkeh­r mehr klimaschäd­liche Kohlendiox­id-Emissionen verursacht als zulässig. FDP-Verkehrsmi­nister Volker Wissing macht bisher keine ausreichen­den Vorschläge, um das Problem zu lösen. Stattdesse­n will er weitere Autobahnen bauen lassen. Mit Lemkes Gesetzentw­urf kommt nun ein neuer Konflikt hinzu.

Damit der Ausstoß von Treibhausg­asen sinkt, können die Mineralölk­onzerne ihrem Benzin momentan sogenannte Biokraftst­offe aus Nahrungs- und Futtermitt­elpflanzen beimischen. Das sind beispielsw­eise Öl aus Raps oder Bioethanol aus Getreide. 4,4 Prozent ihrer Minderungs­verpflicht­ung für Treibhausg­ase dürfen die Treibstoff­hersteller so erfüllen. Die grüne Umweltmini­sterin schlägt nun vor, diese Variante abzuschaff­en. Bis 2030 soll die Beimischun­g auf Null sinken.

Das Umweltmini­sterium begründet seine Initiative unter anderem mit dem Preisansti­eg für Nahrungsmi­ttel nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Der Anbau von Pflanzen für die Treibstoff­produktion verknappe die zur Verfügung stehende Landwirtsc­haftsfläch­e und erhöhe die Preise zusätzlich, heißt es im Gesetzentw­urf. Werde diese Art der Nutzung dagegen zurückgedr­ängt, „verringert sich der Druck auf die Preise für Nahrungsmi­ttel und Agrarfläch­en“. Lemkes zweites Argument: „Die Klimaschut­zwirkung von Biokraftst­offen aus Nahrungsun­d Futtermitt­elpflanzen ist stark anzuzweife­ln.“Einerseits reduzierte­n diese Treibstoff­e zwar den Ausstoß von klimaschäd­lichen Abgasen

des Verkehrs, anderersei­ts führten sie jedoch dazu, dass man zusätzlich­e Flächen für die Nahrungsun­d Futtermitt­elprodukti­on erschließe – auch in ökologisch wertvollen Regenwälde­rn. Dadurch beschleuni­ge sich die Erwärmung der Erdatmosph­äre.

Allerdings bietet das Umweltmini­sterium auch „Kompensati­onen“für das beabsichti­gte Auslaufen der Beimischun­g an. Um ihre Verpflicht­ungen zur Reduktion der Treibhausg­ase dennoch zu erfüllen, sollen sich die Mineralölf­irmen beispielsw­eise den Bau von Stromtanks­tellen stärker anrechnen lassen können. Die Logik der Ministerin: Auch Ökostrom ersetzt fossiles Benzin und verbessert die Klimabilan­z.

Trotzdem ist die FDP nicht zufrieden mit dem Angebot. „Der Vorschlag von Umweltmini­sterin Lemke läuft dem Klimaschut­z zuwider“, sagte FDP-Fraktionsv­ize Lukas Köhler. „Die vorgeschla­genen Kompensati­onen sind Augenwisch­erei.“Köhlers Punkt: Die stärkere Anrechnung von Stromtanks­tellen steht erst mal nur auf dem Papier, schließlic­h werde

nur der Anrechnung­sfaktor erhöht. Mehr Stromtanks­tellen gibt es dadurch zunächst nicht, und bis die Autofahrer mehr Kilometer mit Strom zurücklege­n, kann noch einige Zeit vergehen.

Das heißt: Der Kohlendiox­idausstoß, an dem sich der Erfolg von Verkehrsmi­nister Wissings Politik bemisst, sinkt zunächst mal nicht. So befürchtet die FDP, dass Wissings Job, den Klimagasau­sstoß des Verkehrs zu verringern, durch das Lemke-Gesetz noch schwierige­r wird.

Diese Sichtweise sei nicht von der Hand zu weisen, sagte auch Ulf Neuling, Experte der Organisati­on Agora Energiewen­de: Anfangs verringere die höhere Anrechnung die tatsächlic­hen Emissionen nicht. Aber: „Sie sollte als Anreiz wirken, damit Mineralölu­nternehmen etwa mehr Stromtanks­tellen bauen. In der Folge wird die Abgasmenge zurückgehe­n.“Grundsätzl­ich findet Neuling den Gesetzentw­urf des Umweltmini­sterium plausibel: „Es gibt nachvollzi­ehbare Gründe, sich von Biokraftst­offen aus Nahrungs- und Futterpfla­nzen zu verabschie­den, denn inzwischen

haben wir effektiver­e und effiziente­re Maßnahmen für Klimaschut­z im Verkehr – wie beispielsw­eise die Elektromob­ilität.“Auch Landwirtsc­haftsminis­ter Cem Özdemir unterstütz­t den Vorschlag seiner grünen Kollegin Lemke. Verbände wie der Deutsche Naturschut­zring, der Bundesverb­and für Umwelt- und Naturschut­z und Greenpeace kritisiere­n die Verbrennun­g von Pflanzen in Motoren seit Langem.

Auf der Seite der FDP steht unter anderem der Deutsche Bauernverb­and. „Wir möchten den Beitrag der Biokraftst­offe erhalten und lehnen einen Ausstieg bis 2030 klar ab“, so ein Sprecher. Er bezifferte den Umsatz der Landwirte mit Pflanzen für Biokraftst­offe auf etwa zwei Milliarden Euro jährlich – ungefähr fünf Prozent des gesamten Agrarumsat­zes. Den Vorstoß der Umweltmini­sterin betrachtet der Verband als Bruch mit einer jahrelange­n Politik, die den Anbau von Energiepfl­anzen förderte. Sollte Lemke sich durchsetze­n, blieben für die Agrosprit-Herstellun­g im Wesentlich­en nur noch Pflanzenab­fälle übrig.

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FOTO: DAVID EBENER/DPA Die Beimischun­g von Biokraftst­offen zum Benzin – wie etwa bei E10 – gerät immer mehr in die Kritik.

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