Gespielt wird immer noch in „echt“
Ravensburger steigt ins Sammelkarten-Geschäft ein – Playmobil zeigt den ökologisch korrekten Biobauernhof
- „Discover!“, „Brand for Fans“und „MetaToys“heißen die Spielwarentrends 2023. Wer dabei erst mal Google fragen muss, ist in guter Gesellschaft, denn auch die Macher der Nürnberger Spielwarenmesse halten diese Schlagwörter für erklärungsbedürftig. „Der Markt für Metatoys ist erst im Kommen“, so die Marketingleiterin der Messe, Stefanie Jäger, bei der Vorstellung der Neuheiten zur größten Spielzeugmesse der Welt. Nach drei Jahren Zwangspause findet das weltweite Branchentreffen mit mehr als 2000 Ausstellern erstmals wieder vor Ort in den Messehallen statt.
Das Trendthema Metatoys steht für die Verbindung von realer und virtueller Welt. Stefanie Jäger macht es anschaulich: Ein Tattoo auf dem Handrücken wird mit der passenden App zum Leben erweckt. Plötzlich erscheint dreidimensional auf der Hand ein Hündchen aus der Serie „Paw Patrol“. Das lässt sich dann per Handy überall in der Wohnung platzieren, etwa auf dem Sofa oder posierend für ein Foto. Auf diese Weise kann man auch Bären oder Tiger durchs Kinderzimmer spazieren lassen. Ein Beispiel – doch die Umsetzung dieses Trends stehe noch am Anfang, wie Jäger bekennt: „Die Industrie ist noch nicht so weit.“
Der deutsche Branchenführer Ravensburger will sich auch in Zukunft ganz bewusst in der realen Welt bewegen, wie der Vorstandsvorsitzende Clemens Maier zum Auftakt der Messe erklärte. „Natürlich beobachten wir auch die digitale Entwicklung. Wir glauben jedoch, dass die physische Spielewelt eine Zukunft hat.“Darauf setzt der Spieleverlag aus Oberschwaben mit einer Neuheit, die im Sommer 2023 ein großer Aufschlag werden soll: Es ist der Einstieg ins globale Sammelkartengeschäft mit dem Spiel „Disney Lorcana“. Damit bedient Ravensburger den zweiten großen Trend „Brand for Fans“, was so viel heißt wie Marken für Anhänger oder Bewunderer. Es geht um bekannte Charaktere aus
Filmen und Serien. Disney hat nicht nur jede Menge davon, sondern wohl auch die bekanntesten Helden. Zu Käpt´n Hook und Robin Hood gesellen sich künftig viele neue Figuren im bewährten oder abgewandelten Erscheinungsbild.
„Der weltweite Markt für Sammelkarten ist milliardenschwer“, so Maier. Deshalb erhoffe sich Ravensburger mit Disney als Partner einen Schub und einen Wachstumstreiber für das Unternehmen. Disneyfans, Sammelkartenspieler und Neueinsteiger sollen auf ihre Kosten kommen. Die ersten Sets starten im August im Spielwarenfachhandel in Deutschland, den USA, in Kanada, Großbritannien und Frankreich. Der Fachhändler vor Ort kann Turniere für die Kunden veranstalten, so die
Idee. Das Thema soll zwar in den sozialen Netzwerken begleitet werden, gespielt und getauscht wird mit echten Karten. Wie genau gespielt wird, verrät Ravensburger noch nicht. Investiert habe man „ein paar Millionen Euro“, sagt Maier und lässt durchblicken, dass der Verlag mit diesem Wurf durchaus ins Risiko geht.
Ravensburger blickt zuversichtlich ins Jahr 2023: „Wir haben ein gutes Portfolio, mit dem wir wachsen wollen“, so Maier. Wachstum soll auch die stärkere Internationalisierung bringen mit zwei neuen Niederlassungen in China und in Mexiko.
Zahlen für 2023 nennt Maier lieber keine, man wisse nicht, was kommt. Nachdem Spiele und Puzzles während der Corona-Zeit boomten wie nie, ging der Umsatz bei Ravensburger wie im gesamten Markt zurück. Die Ravensburger Gruppe verbuchte 2022 ein Minus von sechs Prozent auf 598 Millionen Euro. Dennoch liegt der Umsatz damit um 14 Prozent über dem Niveau von 2019, dem Jahr vor der pandemiebedingten Sonderkonjunktur. Der Gesamtmarkt für Spielwaren in Deutschland ging um fünf Prozent auf 4,6 Milliarden Euro zurück.
Herausforderungen sind für Ravensburger wie für andere Hersteller Probleme mit den Lieferketten und die hohe Inflation, die auf die Konsumlaune drückt. Steigende Kosten konnte der Spielehersteller deshalb nur teilweise an die Verbraucher weitergeben. Die Produkte mit dem blauen Dreieck verteuerten sich 2022 um fünf bis sieben Prozent. Der Handel bestelle immer kurzfristiger,
was die Lieferfähigkeit auf die Probe stelle. „Wir reagieren darauf mit höheren Lagerbeständen“, sagte Maier im Vorfeld zur Messe. Das Unternehmen müsse heute deutlich schneller und flexibler reagieren können. Rund 80 Prozent fertigt Ravensburger in Eigenproduktion am Stammsitz und in Tschechien. Mit dem Zukauf eines Holzverarbeiters in der Slowakei soll die Unabhängigkeit von Zulieferern ausgebaut werden.
Stärker auf Eigenproduktion setzt auch der Kinderbuch- und Spielwarenverlag Kosmos in Stuttgart. Zuletzt setzte das Unternehmen 180 Millionen Euro um und ist vor allem stark mit Experimentierkästen, bekannten Brettspielen wie „Catan“und als Markeninhaber der „Drei Fragezeichen“.
Mit dem Einstieg bei dem Globenhersteller Columbus in Krauchenwies (Kreis Sigmaringen) hat Kosmos jetzt auch eine Produktionsstätte. In Krauchenwies werden CatanFiguren gefertigt, wie auch Teile für die neue Kugelbahn „Gecko Run“. Neu ist, dass diese Bahn kein Material für den Unterbau verbraucht, sondern mit Haftpads an Schränken oder am Schreibtisch kleben kann und auch in der Senkrechte funktioniert. Hergestellt im nahen Krauchenwies wird dafür außerdem ein spezieller „biobasierter“Kunststoff verwendet.
Das Thema „grünes Spielzeug“ist zwar kein neuer Trend, aber noch längst nicht tot. Gerade Hersteller von Kunststoff-Spielfiguren befassen sich intensiv mit umweltfreundlichen Varianten. Etwa der Tierfiguren-Hersteller Schleich aus Schwäbisch
Gmünd (Ostalbkreis). „Unser Ziel ist es, nur noch nachhaltige Materialien zu verwenden. In einem ersten Schritt werden bis Ende 2027 alle unsere Figuren recycelbar sein“, erklärte Schleich-Chef Dirk Engehausen per Mitteilung wenige Tage vor Beginn der Messe. Schleich legte 2022 um acht Prozent auf 275 Millionen Umsatz zu.
Das Unternehmen Geobra Brandstätter aus dem bayerischen Zirndorf zeigt bei der Spielwarenmesse Playmobil-Figuren, die zu 80 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehen, wie das Unternehmen versichert. Auf dem ausgestellten Biobauernhof geht es auch beim Spielen ökologisch korrekt zu: Der Traktor tankt an der ELadesäule und auf dem Dach prangen Solarpanele.
Die Spielwelt „Wiltopia“schlägt bei Playmobil den Bogen zum Trend „Discover“(Entdecken). Die „Brands“bedient der Hersteller mit Kult-Lizenzen wie Asterix oder dem als „Ente“bekannten Automodell von Citroen. Schließlich entführen Sammelkarten mit QR-Code in die Welt der Metatoys. Wer will, kann auch Wildtiere durch sein Wohnzimmer marschieren lassen – nur virtuell, versteht sich.
Mit einer kabellosen Wlan-Steuerung zeigt sich auch der Modelleisenbahnbauer Märklin aus Göppingen auf der Höhe der Zeit. Ein Eintauchen ins Internet komme nicht infrage, erklärt Marketingchef Jörg Iske. Für erwachsene Spieler sei die Zeit mit der Eisenbahn im Hobbykeller „eine kleine Flucht aus dem Alltag“: Man könne sich seine Welt so bauen, wie man sie haben möchte – ganz „echt“.