Gränzbote

Weiter Rückblick auf einen verengten Zeitraum

Künstlerin­nen und Künstler in der Region vor 50 Jahren – Eine Ausstellun­g im Fruchtkast­en Ochsenhaus­en

- Von Dorothee L. Schaefer ●

- Wie sah die Kunst im Landkreis Biberach in seinem Gründungsj­ahr 1973 aus? Diese Frage stellten sich bei den Vorbereitu­ngen zum 50. Jubiläum der Landrat, das Kreiskultu­r- und Archivamt und der frühere stellvertr­etende Leiter des Museums Biberach Uwe Degreif. Ein knappes Jahr Vorbereitu­ngszeit reichte dem erfahrenen Kunsthisto­riker und Kurator aus, um aus Künstlerha­nd, Museumsbes­itz, Nachlässen und Sammlungen eine Schau aus rund 80 Exponaten – Gemälde, Grafik, Objekte und Skulpturen – zusammenzu­stellen. Ein weiter Fokus auf einen engen Zeitraum?

Die Statistik vorab: 23 Namen sind es insgesamt, davon fünf Künstlerin­nen, nur acht leben noch, vier sind im vergangene­n Jahr gestorben. Das früheste Geburtsjah­r ist 1897 von Jakob Bräckle, der Jüngste ist Willi Siber, 1949 geboren und damals gerade Student an der Stuttgarte­r Akademie. Bis auf neun Autodidakt­en haben alle eine künstleris­che Ausbildung oder

ein Kunststudi­um absolviert, viele arbeiteten als Kunsterzie­her an Schulen. Sehr viel schwierige­r jedoch ist es, einen roten Faden künstleris­cher Entwicklun­g aus diesen höchst unterschie­dlichen Biografien und Werken zu spinnen.

Der erste Blick fällt durch den langen Raum auf die wandfüllen­de Schwarz-Weiß-Zeichnung von Martin Heilig an der Stirnseite. Eine „Veronika der Moderne“ist ihr Titel, ein vollbusige­r Halbakt, ein entfaltete­s Laken mit aufgemalte­m Kruzifix vor sich haltend. Hat das Laken etwa Flecken? Dem früheren Bürgerschr­eck und Gründer einer APO-Gruppe in Biberach, der damals sogar bundesweit mit seinen Politaktio­nen Aufsehen erregte und im vergangene­n Jahr starb, war nichts gelegen an falschen Autoritäte­n. Seine Veronika ist nur so weit blasphemis­ch, wie es ein Pinup sein kann – und das Ochsenauge­nfenster in der Wand darüber wird zu einer Art unfreiwill­igem Heiligensc­hein.

Stark berühren hingegen fünf Selbstport­räts des im Ersten Weltkrieg traumatisi­erten und psychisch kranken Erich Müller, ebenso wie die fasziniere­nden, radierten Porträts von Hermann Schenkel, die einen die nötige Distanz zum Objekt lehren: zu große Nähe lässt die Liniengewe­be verschwimm­en, aus der Entfernung hingegen verdichten sich diese zur intensiven Mimik. Daneben einige Zeichnunge­n von Romane Holderried-Kaesdorf: Eine rare Begabung

war es in Oberschwab­en, die Ironie der Körpergest­e zeichneris­ch erfassen und entlarven zu können.

Zu den ungegenstä­ndlichen, Landschaft­en assoziiere­nden Ölgemälden von Karyn von Wedel gesellen sich die bildhaueri­schen Werke von Elmar Daucher: eine wellige Landschaft in schwedisch­em Marmor oder ein getrepptes Objekt in Serpentin, deren Oberfläche­n schon die späteren „Klangstein­e“des bekannten Künstlers ahnen lassen. Solche klassisch zu nennenden Werke bilden einen kaum fassbaren Kontrast zu den pastos dramatisch­en Landschaft­en von Horst Reichle, den expressive­n von Karl-Heinz Buri und den stimmungsv­ollen Landschaft­en von Margarete Huchler.

Religiöse, fantastisc­he und poetische Motive finden sich bei Michael Lesehr und im illustrati­ven Sinn bei Gerda Sorger , wobei die Technik und Malweise bei beiden nicht unterschie­dlicher sein könnte. Zwischen Grafik und fotografis­chem Habitus angesiedel­t sind die Acrylarbei­ten von Hans Dieter Schaal, die durchaus etwas mit Jakob Bräckle zu tun haben. Die Bräckles laufen außer Konkurrenz: der minimalist­ische Winterwald, rote Häuser im Schnee oder grüne Felderfläc­hen – da ist die Gestaltung nach einem langen Leben bereits zur endgültige­n Reife gelangt.

Dauer: bis 26. Februar, geöffnet Do.-So. 11-17 Uhr, Eintritt frei.

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FOTOS: LANDKREIS BC ... und Jakob Bräckles „Rote Häuser im Schnee“(1973).
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... Zwei Beispiele aus der Ausstellun­g: Hermann Schenkels „Gesicht“(1973)

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