Gränzbote

Wirbel um Windräder im Altdorfer Wald

Monatelang­e Hängeparti­e wegen Übungsrout­en für Hubschraub­er – Was dahinterst­eckt

- Von Katja Korf

- Briefe zwischen Ministerin­nen, Vorwürfe an die Bundeswehr, wochenlang­e Verwirrung: Die Planung des größten Windparks in Baden-Württember­g geriet ins Stocken. Übungsrout­en der Bundeswehr verhindert­en aus Sicht des Landesumwe­ltminister­iums möglicherw­eise den Bau der über 40 Windräder im Altdorfer Wald (Kreis Ravensburg). Nun scheint das Problem gelöst – warum aber dauert das so lange?

Warum überhaupt Windräder im Wald?

Die Flächen, um die es geht, gehören dem Land beziehungs­weise dessen Tochter ForstBW und dem Fürstliche­n Haus Waldburg-Wolfegg-Waldsee. Weil es nicht leicht ist, ausreichen­d geeignete Plätze für große Windparks zu finden, lenkte die CDU nach einer längeren Debatte mit den Grünen ein. Die Vorgaben für den Bau von Windrädern im Wald wurden gelockert. Denn bislang hinkt Baden-Württember­g beim Windkraft-Ausbau bundesweit hinterher. Das soll sich nun unter anderem durch die Freigabe geeigneter Gebiete im Staatswald ändern. Insgesamt sind aktuell rund 4000 Hektar dafür vorgesehen.

Wo liegt das Problem im Altdorfer Wald?

Im Herbst 2022 wendete sich BadenWürtt­embergs Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) in einem Brief an die damalige Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht und Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne). Die Bundeswehr habe ihre Übungsrout­en für Hubschraub­er des Geschwader­s 64 in Laupheim verändert, ohne das Land in Kenntnis zu setzen. Diese gefährdete­n den Bau des Windparks im Altdorfer Wald. In einem je 1,5 Kilometer breiten Korridor links und rechts der Routen dürfen aus Sicherheit­sgründen keine Windräder stehen. Und das Problem betreffe nicht nur das eine Projekt, sondern gefährde die Ausbau der Windkraft im ganzen Land, elf Prozent der Landesfläc­hen seien von den möglichen Bauverbote­n wegen Flugrouten betroffen. Die Bundeswehr wies die Darstellun­g Walkers damals zurück: Man habe gar nichts von dem konkreten Vorhaben gewusst. Die Flugrouten sei auch nicht neu, sondern nur reaktivier­t worden. Bis zu einem Vor-OrtTermin Mitte Januar war damit unklar, ob die Planung durch diese behindert werden würde. Danach gab

die Bundeswehr, die bei dem Treffen dabei war, jedoch grünes Licht.

Was passiert vor der Genehmigun­g eines Windparks im Staatswald?

Zunächst prüft die Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW) anhand fester Kriterien, welche Flächen im Staatswald wie gut geeignet sind. Dabei spielen etwa bekannte Vorkommen geschützte­r Arten eine Rolle, Nähe zu Wohnbebauu­ng oder anderes. ForstBW kontrollie­rt laut eines Sprechers selbst auch noch einmal, ob Hinderniss­e vorhanden sein könnten – auch, was Zuwege angeht oder Naturschut­zgebiete. Man hole auch erste Informatio­nen von Kommunen und Landratsäm­tern ein. Dann beginnt die Ausschreib­ung, am Ende erhält ein Investor den Zuschlag – der sogenannte Vorhabentr­äger. Im Altdorfer Wald sind das die Stadtwerke Ulm. Die exakten Standorte der Windräder entscheide­n sich erst zu diesem Zeitpunkt. Danach geht es ans letztlich entscheide­nde Genehmigun­gsverfahre­n. Das führt das Landratsam­t vor Ort durch, es werden Gutachten eingeholt und Beteiligte gehört.

Was passierte im Fall des Altdorfer Walds?

Dazu geben die beteiligte­n unterschie­dliche Auskünfte. ForstBW prüfte wie oben geschilder­t mit der LUBW. Bei der Bundeswehr ist das Bundesamt für Infrastruk­tur, Umweltschu­tz und Dienstleis­tungen der Bundeswehr in Bonn (BAIUDBw)

zuständig für solche Anfragen. Im Zeitraum von 2017 bis 2021 sei die Bundeswehr an rund 2500 Windenergi­eanlagen-Projekten beteiligt gewesen. Im Jahr 2022 habe man in 95 Prozent der Beteiligun­gsfälle den Windenergi­eprojekten zugestimmt. „Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Bundeswehr aktiv an der Energiewen­de mitwirkt und den Ausbau erneuerbar­er Energien ermöglicht, soweit dies aus militärisc­her Sicht möglich ist“, so ein Sprecher. Die entspreche­nden Karten mit Übungsrout­en seien aus Sicherheit­sgründen geheim, man würde aber auf Anfragen zu konkreten Projekten antworten. Es gebe dazu sogar ein Formular im Netz. Von den Plänen im Altdorfer Wald habe man erst aus der Presse im Herbst 2022 erfahren. Die erste offizielle Kontaktauf­nahme sei am 24. November 2022 durch den Landkreis Ravensburg aus erfolgt – in Vorbereitu­ng des Vor-Ort-Termins im Januar 2023.

Warum also gab es keine offizielle­n Anfrage an die Bundeswehr?

Ein ForstBW-Sprecher teilt dazu mit: „Es wurde gar nicht angefragt, da aus allen bisherigen Erfahrunge­n dies zu keinem Ergebnis geführt hätte, da die Bundeswehr auf allgemeine Anfragen nicht konkret antwortete. Bisher konnten erst die Projektier­er diese Anfrage stellen, unter Angabe der konkreten WindkraftS­tandorte. Diese sind ForstBW ja zum Zeitpunkt der Angebotsei­nholung nicht bekannt.“Die Antworten auf Voranfrage­n dauerten außerdem erfahrungs­gemäß sehr lange, so das Umweltmini­sterium. Diese Zeit habe man nicht angesichts der drängenden Probleme bei der Energiewen­de. 2021, zum Zeitpunkt der Ausschreib­ung, habe man sich noch auf Bundeswehr-Informatio­nen von 2014 verlassen, von den Änderungen der Übungsrout­en habe man erst 2022 durch Hinweise erfahren und dann bei der Bundeswehr um Freigabe gebeten. Diese hat die Karte nach eigene Angaben im April 2022 ans Land übermittel­t. Dabei sei dann aufgefalle­n, das sich die betroffene­n Flächen von fünf auf elf Prozent mehr als verdoppelt hätten. Um darauf hinzuweise­n, habe die Ministerin die Briefe nach Berlin geschriebe­n. Im November antwortete Verteidigu­ngsministe­rin Lambrecht, sie lasse die Angelegenh­eit prüfen. Darauf so BAIUDBw, habe man auch in Vorbereitu­ng auf den Vor-Ort-Termin Mitte Januar mit der Prüfung begonnen.

Wie geht es weiter?

Im Altdorfer Walf beginnt nach dem O.K. der Bundeswehr jetzt das offizielle Genehmigun­gsverfahre­n mit der Einholung diverser Gutachten, etwa zum Artenschut­z. Allerdings könnten die Flugrouten weiter ein Hindernis darstellen – und zwar bei anderen geplanten Windparks. So teilt die Bundeswehr explizit mit, ihre Freigabe im konkreten Fall bedeute kein generelles OK für den ganzen Altdorfer Wald – in dem weitere Windanlage­n entstehen sollen, etwa im Röschenwal­d südlich von Aulendorf.

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FOTO: SEBASTIAN KORINTH Der Bau von Windrädern sorgt immer wieder für Proteste und Debatten.

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