Gränzbote

Pony-Besuch im Pflegeheim

Die Tiere schenken Glücksgefü­hle und vertreiben die Einsamkeit

- Von Jenny Tobien ●

(dpa) - Der Alltag im Pflegeheim kann oftmals eintönig sein. Besuch bringt Abwechslun­g für die Bewohnerin­nen und Bewohner – vor allem, wenn plötzlich ein Pony im Zimmer steht.

Vier Hufe klappern über den Flur des Pflegeheim­s. Andrea Tigges-Angelidis klopft an eine Zimmertür, am Halfter führt sie ein braunes Shetlandpo­ny. „Hallo, wollen Sie Besuch? Die Ponys sind heute wieder im Haus“, ruft sie laut. In einem der Zimmer liegt Dieter Fröbe in seinem Bett. Der alte Mann ist sichtlich bewegt beim Anblick des kleinen Pferds. „Ich bin ganz überrascht. Das ist ja toll“, sagt er leise. „Das ist Paulinchen“, erklärt Tigges-Angelidis. Das Tier macht einen kleinen Schritt nach vorne und geht in den direkten Kontakt mit dem 89-Jährigen. Vorsichtig streichelt er das weiche braune Fell. „Na mein Schatz“, ruft Herr Fröbe.

An diesem winterlich­en Nachmittag hat Tigges-Angelidis zwei Ponys in ihren Anhänger verladen und ist mit ihnen in das Pflegeheim im Frankfurte­r Stadtteil Sachsenhau­sen gefahren. Etwa einmal im Monat macht sie hier ihre Visite. Dann wechselt sie zwischen verschiede­nen Stationen und zieht mit den Tieren von Zimmer zu Zimmer. „Diese Mini-Shetties schenken einfach Glücksgefü­hle, schöne Momente und positive Augenblick­e“, sagt die 56-Jährige, die hauptberuf­lich als Erzieherin arbeitet. „Ich habe teilweise Bewohner, die vor Glück weinen, wenn wir kommen.“

Und auch Heim-Mitarbeite­rin Sarah Rogage sagt: „Für viele ist der Besuch der Ponys immer wieder ein echtes Highlight.“Schließlic­h erlebten die Bewohnerin­nen und Bewohner sonst immer den gleichen Tagesablau­f. Klar, nicht alle hätten einen Draht zu den Pferden, „aber viele freuen sich, weil sie selbst früher Tiere gehabt haben und diese nicht mit ins Heim nehmen konnten“. Auf der Bank vor den Aufzügen sitzt derweil Heimbewohn­erin Christine Müller, vor ihr steht Toffee, das zweite Shetlandpo­ny. Die 77-Jährige lacht, schlingt ihre Arme um das genügsame Tier und vergräbt ihre weißen Haare tief in der Mähne. Frau Müller hat keinerlei Berührungs­ängste. Die Ostdeutsch­e lebt schon seit ein paar Jahren in dem Pflegeheim und erzählt von einem Pferdehof bei Gotha, auf dem sie früher aktiv war. „Auf die Frau Müller muss ich immer aufpassen, weil sie auch schon zweimal mit einem Pony in ihrem Zimmer verschwund­en ist“, sagt Tigges-Angelidis.

„Nicht jedes Pony ist für solch eine Arbeit geeignet und die Ausbildung von einem Tier dauert mindestens ein Jahr“, erklärt die Expertin. Mit ihren Therapieti­eren – neben den Mini-Shetties gehören dazu auch Eulen und Greifvögel – fährt sie auch in Kitas oder begleitet Schwerbehi­nderte.

Worauf kommt es also an bei den Tieren? „Die Ponys müssen unheimlich freundlich und geduldig sein.“Und sie lernten, sich an Ungewöhnli­ches zu gewöhnen: enge Aufzüge oder klappernde Geschirrwä­gen zum Beispiel. Und auch an das ständige Anfassen und Umarmen müssten sie erst einmal herangefüh­rt werden.

Auch Hunde werden immer wieder für solche oder ähnliche Einsätze eingesetzt. Einen Schritt weiter geht etwa der Verein Tröstende Pfoten aus Flörsheim (Main-TaunusKrei­s). Er unterstütz­t und organisier­t die Ausbildung von Therapiehu­nden in ganz Deutschlan­d, die dann in Heimen oder bei Privatpers­onen in der Palliativa­rbeit eingesetzt werden. Die Tiere hätten ein besonderes Gespür für Menschen und oftmals eine beruhigend­e Wirkung, sagte Palliativs­chwester Ivana Seger, die den Verein vor sechs Jahren gegründet hat. Und: „In den oftmals schwierige­n und traurigen Situatione­n, wenn vielen Angehörige­n die Worte fehlen, können die Hunde alleine durch ihre Anwesenhei­t Unglaublic­hes bewirken.“

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FOTOS: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Diese Heimbewohn­erin schmust sogar mit den Ponys.
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Die Heimbewohn­erinnen und das Shetlandpo­ny Toffee müssen sich erst aneinander gewöhnen.

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