Sparkassenchef verteidigt Zinsflaute
Verbandspräsident Peter Schneider erteilt Habenzinsen für Tagesgeldkonten eine Absage
- ZinsSchweinerei! Sparkassen weigern sich, die steigenden Zinsen an ihre Kunden weiterzugeben, streichen die Gewinne lieber selbst ein. Mit markigen Worten titelte die „Bild“Anfang der Woche und prangerte die Geschäftspraktiken der Institute mit dem roten S im Logo an, die ihre Kunden mit Zinsraten von null Prozent abspeisen würden, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins inzwischen auf drei Prozent angehoben habe.
Tatsächlich hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten im Einlagengeschäft einiges getan. Vor allem Direktbanken werben um Neukunden und überbieten sich nahezu wöchentlich mit immer noch attraktiveren Zinsangeboten für Tagesgeldkonten. Inzwischen bietet die erste Bank sogar eine Verzinsung fürs Girokonto – zwei Prozent, garantiert bis Ende des Jahres. Sparkassen-Kunden hingegen, würden laut „Bild“„abgezockt und ausgenommen“.
Beim Sparkassenverband BadenWürttemberg, der die Interessen der 50 Sparkassen im Südwesten vertritt, will man die Bild-Vorwürfe so nicht stehen lassen. Stimmt so nicht, argumentierte Verbandschef Peter Schneider am Donnerstag in Stuttgart. Zinsen auf Tagesgeldkonten stünden bei der Kundschaft gar nicht im Fokus. Die würde stattdessen langfristige Geldanlagen bevorzugen. Und da habe man wettbewerbsfähige Angebote. Außerdem seien Girokonten vornehmlich Zahlungsverkehrs- und keine Anlagekonten. Vor diesem Hintergrund hinke der von der „Bild“herangezogene Vergleich.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte liegt im Geschäftsmodell der Sparkassen begründet. Das besteht – mehr noch als bei Privatbanken – darin, die Einlagen der Kunden als Kredite an Privathaushalte und Unternehmen auszureichen. Aus der Zinsdifferenz zwischen den niedrigen oder nicht vorhandenen Habenzinsen und den höheren Kreditzinsen stammt das Gros der Sparkassen-Erträge: immerhin 70 Prozent. „Dass wir die neue Zinswelt nicht sofort auf der
Passivseite umsetzen, ist doch klar“, gestand denn auch Schneider ein.
Gleichwohl beobachte man den Wettbewerb im Einlagengeschäft sehr genau. „Dass uns die Konkurrenz dabei schlägt, glaube ich nicht“, resümierte Schneider. Im schlimmsten Fall schneiden sich die Sparkassen damit ins eigene Fleisch. Dann nämlich, wenn Kunden ihre Einlagen abziehen und zur Konkurrenz bringen – die Zinsen bietet. Steffen Ulitzka von der Beratungsgesellschaft Simon-Kucher sieht diese Gefahr. Mehr noch: Die Geldhäuser setzten auch ihr Image als fairer Geschäftspartner aufs Spiel. „Langfristig ist eine solche Strategie daher nicht empfehlenswert“, warnt der Berater.
Noch müssen die Sparkassen im Südwesten allerdings kein solches Ungemach fürchten. Nach wie vor bringen die Kunden ihr Erspartes zuhauf zu den Instituten. Im vergangenen Jahr wuchsen die Einlagen um 1,8 Prozent auf 169 Milliarden Euro.
Die Wachstumsrate liegt damit zwar deutlich unter der der vergangenen Jahre. Angesichts der Ereignisse des vergangenen Jahres ist das aber trotzdem ein beachtliches Ergebnis.
Zum einen boten sich den Bürgern wieder deutlich mehr Möglichkeiten, Geld auszugeben, nachdem die meisten coronabedingten Einschränkungen weggefallen sind. Urlaubsreisen beispielsweise. Zum anderen forderte die rasant gestiegene Teuerung ihren Tribut. „Mittlerweile können rund die Hälfte unserer Privatkunden kein Geld zur Seite legen. Sie brauchen ihre kompletten Einnahmen für die Deckung der monatlichen Ausgaben“, sagte Verbandspräsident Schneider.
Deutlich besser lief es dagegen im Kreditgeschäft. Zum Jahresende hatten die Sparkassen insgesamt 162 Milliarden Euro an Privat- und Firmenkunden verliehen – gut sieben Prozent mehr als noch Ende 2021 und laut Schneider, der „höchste Zuwachs
bei den Kreditbeständen in der Geschichte der Sparkassen in Baden-Württemberg. Knapp 33 Milliarden Euro wurden Privat- und Firmenkunden für neue Kredite zugesagt – ein Volumen, das Schneider zufolge zeige, dass die Sparkassen „ein verlässlicher Partner“für ihre Kundschaft seien.
Im Ergebnis der Südwest-Sparkassen spiegelten sich diese Rekorde allerdings nicht wider. Das hat sich im Vergleich zum Jahr 2021 mit rund 490 Millionen Euro fast halbiert. Grund dafür sind hohe Wertberichtigungen auf festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen infolge der Zinswende. Steigen die Zinsen, fallen die Kurse dieser Bonds, was Abschreibungen in der Bilanz zur Folge hat – in Summe 960 Millionen Euro. „Das ist die Kehrseite der Zinswende“, sagte Schneider, und Ursache, weshalb die verbandsinterne Risikoampel für etliche der 50 Sparkassen im Südwesten im vergangenen
Jahr auf gelb und auch auf rot umgesprungen sei.
Den Statuten zufolge hat das eine strengere Aufsicht und eine Überprüfung der Geschäftsstrategie zur Folge, kann aber auch, bei groben Verfehlungen, den Sparkassenvorstand den Job kosten. In diesen Fällen, so Schneider, habe man seitens des Verbands aber „ganz überwiegend empfohlen, die Geschäftsstrategie nicht zu ändern“.
Weil, so stellte es der Verbandspräsident dar, die Wertberichtigungen „temporärer Natur“seien. Da die Wertpapiere in der Regel bis zur Endfälligkeit gehalten würden und noch dazu von höchster Bonität seien, könnten die Sparkassen mit einer Rückzahlung zum Nennwert rechnen, was Zuschreibungen und entsprechend positive Auswirkungen auf die Ergebnisse in den nächsten Jahren auslöse. Unterm Strich ein „Verschiebebahnhof“, wie es Schneider nannte.