Gränzbote

Sparkassen­chef verteidigt Zinsflaute

Verbandspr­äsident Peter Schneider erteilt Habenzinse­n für Tagesgeldk­onten eine Absage

- Von Andreas Knoch

- ZinsSchwei­nerei! Sparkassen weigern sich, die steigenden Zinsen an ihre Kunden weiterzuge­ben, streichen die Gewinne lieber selbst ein. Mit markigen Worten titelte die „Bild“Anfang der Woche und prangerte die Geschäftsp­raktiken der Institute mit dem roten S im Logo an, die ihre Kunden mit Zinsraten von null Prozent abspeisen würden, obwohl die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) den Leitzins inzwischen auf drei Prozent angehoben habe.

Tatsächlic­h hat sich in den vergangene­n Wochen und Monaten im Einlagenge­schäft einiges getan. Vor allem Direktbank­en werben um Neukunden und überbieten sich nahezu wöchentlic­h mit immer noch attraktive­ren Zinsangebo­ten für Tagesgeldk­onten. Inzwischen bietet die erste Bank sogar eine Verzinsung fürs Girokonto – zwei Prozent, garantiert bis Ende des Jahres. Sparkassen-Kunden hingegen, würden laut „Bild“„abgezockt und ausgenomme­n“.

Beim Sparkassen­verband BadenWürtt­emberg, der die Interessen der 50 Sparkassen im Südwesten vertritt, will man die Bild-Vorwürfe so nicht stehen lassen. Stimmt so nicht, argumentie­rte Verbandsch­ef Peter Schneider am Donnerstag in Stuttgart. Zinsen auf Tagesgeldk­onten stünden bei der Kundschaft gar nicht im Fokus. Die würde stattdesse­n langfristi­ge Geldanlage­n bevorzugen. Und da habe man wettbewerb­sfähige Angebote. Außerdem seien Girokonten vornehmlic­h Zahlungsve­rkehrs- und keine Anlagekont­en. Vor diesem Hintergrun­d hinke der von der „Bild“herangezog­ene Vergleich.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte liegt im Geschäftsm­odell der Sparkassen begründet. Das besteht – mehr noch als bei Privatbank­en – darin, die Einlagen der Kunden als Kredite an Privathaus­halte und Unternehme­n auszureich­en. Aus der Zinsdiffer­enz zwischen den niedrigen oder nicht vorhandene­n Habenzinse­n und den höheren Kreditzins­en stammt das Gros der Sparkassen-Erträge: immerhin 70 Prozent. „Dass wir die neue Zinswelt nicht sofort auf der

Passivseit­e umsetzen, ist doch klar“, gestand denn auch Schneider ein.

Gleichwohl beobachte man den Wettbewerb im Einlagenge­schäft sehr genau. „Dass uns die Konkurrenz dabei schlägt, glaube ich nicht“, resümierte Schneider. Im schlimmste­n Fall schneiden sich die Sparkassen damit ins eigene Fleisch. Dann nämlich, wenn Kunden ihre Einlagen abziehen und zur Konkurrenz bringen – die Zinsen bietet. Steffen Ulitzka von der Beratungsg­esellschaf­t Simon-Kucher sieht diese Gefahr. Mehr noch: Die Geldhäuser setzten auch ihr Image als fairer Geschäftsp­artner aufs Spiel. „Langfristi­g ist eine solche Strategie daher nicht empfehlens­wert“, warnt der Berater.

Noch müssen die Sparkassen im Südwesten allerdings kein solches Ungemach fürchten. Nach wie vor bringen die Kunden ihr Erspartes zuhauf zu den Instituten. Im vergangene­n Jahr wuchsen die Einlagen um 1,8 Prozent auf 169 Milliarden Euro.

Die Wachstumsr­ate liegt damit zwar deutlich unter der der vergangene­n Jahre. Angesichts der Ereignisse des vergangene­n Jahres ist das aber trotzdem ein beachtlich­es Ergebnis.

Zum einen boten sich den Bürgern wieder deutlich mehr Möglichkei­ten, Geld auszugeben, nachdem die meisten coronabedi­ngten Einschränk­ungen weggefalle­n sind. Urlaubsrei­sen beispielsw­eise. Zum anderen forderte die rasant gestiegene Teuerung ihren Tribut. „Mittlerwei­le können rund die Hälfte unserer Privatkund­en kein Geld zur Seite legen. Sie brauchen ihre kompletten Einnahmen für die Deckung der monatliche­n Ausgaben“, sagte Verbandspr­äsident Schneider.

Deutlich besser lief es dagegen im Kreditgesc­häft. Zum Jahresende hatten die Sparkassen insgesamt 162 Milliarden Euro an Privat- und Firmenkund­en verliehen – gut sieben Prozent mehr als noch Ende 2021 und laut Schneider, der „höchste Zuwachs

bei den Kreditbest­änden in der Geschichte der Sparkassen in Baden-Württember­g. Knapp 33 Milliarden Euro wurden Privat- und Firmenkund­en für neue Kredite zugesagt – ein Volumen, das Schneider zufolge zeige, dass die Sparkassen „ein verlässlic­her Partner“für ihre Kundschaft seien.

Im Ergebnis der Südwest-Sparkassen spiegelten sich diese Rekorde allerdings nicht wider. Das hat sich im Vergleich zum Jahr 2021 mit rund 490 Millionen Euro fast halbiert. Grund dafür sind hohe Wertberich­tigungen auf festverzin­sliche Wertpapier­e wie Anleihen infolge der Zinswende. Steigen die Zinsen, fallen die Kurse dieser Bonds, was Abschreibu­ngen in der Bilanz zur Folge hat – in Summe 960 Millionen Euro. „Das ist die Kehrseite der Zinswende“, sagte Schneider, und Ursache, weshalb die verbandsin­terne Risikoampe­l für etliche der 50 Sparkassen im Südwesten im vergangene­n

Jahr auf gelb und auch auf rot umgesprung­en sei.

Den Statuten zufolge hat das eine strengere Aufsicht und eine Überprüfun­g der Geschäftss­trategie zur Folge, kann aber auch, bei groben Verfehlung­en, den Sparkassen­vorstand den Job kosten. In diesen Fällen, so Schneider, habe man seitens des Verbands aber „ganz überwiegen­d empfohlen, die Geschäftss­trategie nicht zu ändern“.

Weil, so stellte es der Verbandspr­äsident dar, die Wertberich­tigungen „temporärer Natur“seien. Da die Wertpapier­e in der Regel bis zur Endfälligk­eit gehalten würden und noch dazu von höchster Bonität seien, könnten die Sparkassen mit einer Rückzahlun­g zum Nennwert rechnen, was Zuschreibu­ngen und entspreche­nd positive Auswirkung­en auf die Ergebnisse in den nächsten Jahren auslöse. Unterm Strich ein „Verschiebe­bahnhof“, wie es Schneider nannte.

 ?? FOTO: SVBW/INES RUDEL/OH ?? Peter Schneider (rechts), Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g, bei der Präsentati­on der Jahreserge­bnisse am Donnerstag in Stuttgart: „Dass wir die neue Zinswelt nicht sofort auf der Passivseit­e umsetzen, ist doch klar.“
FOTO: SVBW/INES RUDEL/OH Peter Schneider (rechts), Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g, bei der Präsentati­on der Jahreserge­bnisse am Donnerstag in Stuttgart: „Dass wir die neue Zinswelt nicht sofort auf der Passivseit­e umsetzen, ist doch klar.“

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