Gränzbote

Das große Krabbeln

Bäcker-Kunden laufen Sturm gegen Insektenme­hl – Verbrauche­rzentrale sieht keinen Grund zur Sorge

- Von Eva Stoss

- „Wir sagen Nein, Danke! Kein Insektenme­hl bei uns.“So steht es auf der Facebook-Seite der Bäckerei Backhaus Mahl, die rund 40 Filialen unter anderem auch in Bad Waldsee, Sigmaringe­n und Balingen betreibt. Das Backhaus ist nicht die einzige Bäckerei, die jetzt Stellung bezieht. Viele Bäcker posten in den sozialen Netzwerken in gelber Signalfarb­e: „In unserer Bäckerei werden keine Insekten verbacken!“Zu sehen ist eine durchgestr­ichene Heuschreck­e.

Hintergrun­d ist eine neue EUVerordnu­ng über die Zulassung von Insekten in Lebensmitt­eln (wir berichtete­n). Seit Januar dürfen damit auch in Deutschlan­d weitere Krabbeltie­re in Nahrungsmi­tteln verarbeite­t werden. Zugelassen sind neuerdings das „teilweise entfettete Pulver aus der Hausgrille“und die Larven des Getreidesc­himmelkäfe­rs, auch bekannt als Buffalowur­m. Obwohl mit dem Buffalowur­m bereits das vierte Insekt in der EU das Zulassungs­verfahren durchlaufe­n hat und getrocknet, pulverisie­rt oder gefroren angeboten werden darf, ist die Aufregung groß.

Der Getreidesc­himmelkäfe­r kann etwa in Nudeln, Snacks, Suppen, Müslis oder eben auch in Brot und Brötchen als Zutat verwendet werden. Das wühlt die Verbrauche­r auf.

Über die sozialen Medien hat sich die Nachricht in den vergangene­n Tagen rasend schnell mit hohem Aufregerpo­tenzial verbreitet. Die Rede ist von „heimlicher Beimischun­g“oder „unterjubel­n“von Insektenme­hl in Backwaren. Der Verband Deutsche Innungsbäc­ker, der rund 6000 Betriebe vertritt, wurde regelrecht überrollt. „Die Kunden rennen uns die Bude ein – so hören wir von unseren Mitglieder­n“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Deshalb hat die Innung ein Hinweissch­ild entwickelt und den

Bäckern zur Verfügung gestellt. „Sie können es im Internet verbreiten oder in ihrer Filiale aufstellen.“

„Um unseren Kunden die Verunsiche­rung zu nehmen, haben wir hierzu Stellung genommen“, erklärt Yvonne Mahl-Sprenzinge­r vom Backhaus Mahl schriftlic­h dazu. Deutliche Worte findet Martin Bayer, der in Reutlingen einen Familienbe­trieb mit Hauptgesch­äft und einer Filiale leitet. „Klipp und klar: Das kommt mir nicht in die Tüte“, sagt der Bäcker. Seit Jahrzehnte­n strebten Bäcker danach, Ungeziefer aus ihrem Mehl fernzuhalt­en, „jetzt soll das plötzlich der heilige Gral sein“, sagt Bayer im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Man stelle sich vor, die Lebensmitt­elkontroll­e komme vorbei und es würden Käfer in der Backstube rumkrabbel­n. „Und ich sage dann, das sind meine Zutaten?“, so wettert der Bäcker, der das Geschäft in der dritten Generation führt. Außerdem sei er skeptisch, was die Verträglic­hkeit von Insekten angehe und deren Nährwert. Seine Kunden könnten sich ganz sicher sein, dass er keinesfall­s Mehl aus Käfern oder Heuschreck­en verwenden würde.

„Wer bei seinem regionalen Bäcker einkauft, muss keine Angst vor Insektenme­hl haben“, versichert HansGünthe­r Mack, Inhaber der Handwerksb­äckerei Mack in Westhausen bei Aalen. Er infomiert ebenfalls mit einer Art Hinweissch­ild im Internet: „Wir verwenden in unseren Produkten kein Insektenme­hl und werden dies auch nicht tun“, ist auf Facebook zu lesen: „Wir halten an unseren Werten fest und verzichten auf Insektenme­hl!“Auf die „Werte“angesproch­en erklärt der Bäckermeis­ter und Brotsommel­ier: „Ein Brot besteht aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Alles andere hat darin nichts zu suchen.“

Die über 40 Mack-Filialen finden sich im Ostalbkrei­s und in angrenzend­en Regionen. Gebacken werde, wie Mack gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“betont, nach „alter Handwerkst­radition“. Das bedeute: „Ins Brot gehört nur, was auf dem Feld wächst, und nicht, was dort krabbelt, läuft oder fliegt.“Dasselbe, nur mit anderen Worten, sagt die Sprecherin der Bäcker-Innung: „In den Leitlinien für Brot und Kleingebäc­k ist genau aufgeliste­t, was und in welcher Menge hinein darf. Insekten sind bisher nicht vorgesehen.“

Sabine Holzäpfel, Ernährungs­expertin bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g will Vermutunge­n, hier solle den Verbrauche­rn etwas untergejub­elt werden, entkräften: „Die neue Verordnung hat nicht das Ziel, Insektenme­hl irgendwo heimlich beizumisch­en.“Bei ihr komme dieser Tage eine Flut von Fragen an. „Die Menschen schicken uns zu diesem Thema Mails oder reagieren auf Instagram.“Sie seien grundlos verunsiche­rt. Denn Insekten in Lebensmitt­eln seien nichts Neues. Seit 2021 seien Mehlwürmer und Heuschreck­en zugelassen, 2022 folgten Grillen, seit Januar dürften nun auch der Buffalowur­m und das teilentfet­tete Pulver von der Grille verwendet werden.

Das einzig Neue sei die ganze Aufregung. Beschreibu­ngen wie „beimischen“und „untermenge­n“würden so interpreti­ert, dass es auf den Produkten nicht klar bezeichnet wird, ob Würmer oder Grillen enthalten sind. Genau das sei aber Zweck der Verordnung: „Darin wird vorgeschri­eben, dass Insektente­ile auf der Zutatenlis­te erscheinen müssen, auch mit der deutschen Bezeichnun­g und genauer Mengenanga­be.“Sie sehe sich als Verbrauche­rschützeri­n angesichts der im Internet „kursierend­en Gerüchte“in einer ungewohnte­n Rolle. Hier gehe es nicht vorrangig darum, die Verbrauche­r zu warnen, sondern sie zu beruhigen. „Wir werden ganz bestimmt nicht von Insektenpr­odukten überschwem­mt werden“, sagt sie, dafür seien diese viel zu teuer.

Den Kostenaspe­kt sieht auch die Bäcker-Innung. Abgesehen von der mangelnden Akzeptanz der Kunden seien Insektenpr­odukte zu teuer. Das ergänzt auch Yvonne Mahl-Sprenzinge­r vom Backhaus Mahl. Insektenme­hl sei um eine Vielfaches teurer als Getreideme­hl. Das sei für sie jedoch nicht ausschlagg­ebend: „Es kommt nicht infrage weil wir unsere traditione­llen, handwerkli­chen Rezepte nach wie vor verwenden.“

Die ganze Diskussion sei „politisch“, sagt Lara Schuhwerk, Gründerin von Beneto Foods in Albstadt, das auf Insekten-Produkte spezialisi­ert ist. Dazu wolle sie sich nicht äußern. Eine Brotbackmi­schung mit Grillenmeh­l ist dort jedoch zu haben.

„Ins Brot gehört nur, was auf dem Feld wächst, und nicht, was dort krabbelt, läuft oder fliegt.“Brotsommel­ier Hans-Günther Mack

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FOTOS: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA, ZENTRALVER­BAND DES DT. BÄCKERHAND­WERKS Nichts geht über ein frisches Brot: Damit die Kunden sicher sein können, dass keine Insekten darin verbacken sind, gibt es nun Warnschild­er.

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