Gränzbote

Mann setzt auf Diebstahl statt Arbeit

39-Jähriger hat bei Baumärkten und auf Firmengelä­nden Material geklaut – Dafür muss er ins Gefängnis

- Von Ingeborg Wagner

- Mit Fußfesseln wird ein 39-jährig er Mann in den Saal des Tuttlinger Amtsgerich­ts geführt. Er sitzt in der Justizvoll­zugsanstal­t in Rottweil ein, dort wird er bis weit in das kommende Jahr hinein auch bleiben. Denn das Schöffenge­richt verurteilt­e ihn zu weiteren 20 Monaten Haft. Ohne Bewährung. Schon wieder sind es Diebstahl und Hehlerei, die ihm vorgeworfe­n werden. Zwischen Ende Mai und Anfang Juli 2022 hat er im Außenberei­ch von Trossinger Baumärkten und Firmen geklaut. Eimer, Gasflasche­n, Schubkarre­n sowie Mörtel transporti­erte er teils mit Hilfe von Familienan­gehörigen ab. Und ein Mountainbi­ke hat er auch mitgehen lassen.

„Wie soll Ihr Leben weitergehe­n“, fragte Richter Thomas Straub den Angeklagte­n, bevor er mit den beiden Schöffinne­n das Urteil fällte. 1997 kam die Familie aus Rumänien nach Deutschlan­d, damals war der Angeklagte 14 Jahre alt. Nach dem Hauptschul­abschluss hat er einen Lehrgang als Schweißer gemacht, doch bis auf wenige Monate nie in dem Beruf gearbeitet. Der deutsche Staatsbürg­er wurde 2002 das erste Mal straffälli­g, seitdem hat er 24 Vorstrafen in seinem Führungsze­ugnis und war mehrfach kurz im Gefängnis. Ansonsten wohnt er zu Hause beim Vater, wobei er dort auch schon rausgeflog­en war. Beziehunge­n mit Freundinne­n, mit denen er zeitweise eine Wohnung hatte, scheiterte­n. All das will er nun auf die Reihe bekommen, sagte der Mann: „Arbeit suchen und mich um meine Tochter kümmern“, hat er sich vorgenomme­n.

Ein großes Zeugenaufg­ebot gab es am Montag im Schöffenge­richt nicht. Der Angeklagte war geständig, sagte aber auch: „Nüchtern traue ich mich nicht, zu klauen.“Der polizeibek­annte Mann ist auf mehreren Überwachun­gsvideos gut zu erkennen, auch anhand des Bandes, das er am Unterschen­kel trägt. Offenbar sein Markenzeic­hen. Zudem gab es Fotos von Anwohnern, die ihn bei seinen Beutezügen zeigen. Und ein anderes, das der Polizei anonym per Fax zugespielt wurde: Es zeigt den Angeklagte­n mit seinem Bruder und dem Lebensgefä­hrten der Schwester vor deren Haus an einem schwarzen BMW, mit dem einige der gestohlene­n Gasflasche­n weggeschaf­ft werden sollten. Das Foto genügte der Polizei, um in Absprache mit der Staatsanwa­ltschaft Haus, Hof und das Fahrzeug zu durchsuche­n.

„Was soll das Ganze“, fragte der Richter den Angeklagte­n. Warum klaut jemand Eimer im großen Stil? Oder Propangasf­laschen? Offenbar hat er versucht, das Material aus dem Baumarkt und den Firmengelä­nden zu Geld zu machen. Trunkenhei­t im Straßenver­kehr floss in das Urteil mit ein. Mit 1,2 Promille fiel er der

Polizei nachts auf, als er in Schlangenl­inien per Rad nach Hause fuhr.

Der Polizeibea­mte des Postens seiner Heimatgeme­inde scheint durchaus Sympathien für den kleinen, schmalen Mann mit den kurzen Haaren zu haben. „Der Herr (...) war immer geständig, das muss ich schon sagen“, gab er an. In der Regel suchten ihn die Polizisten am Morgen nach den Einbrüchen auf und holten ihn aus dem Bett. Der Polizist ließ sich darüber aus, dass der 39-Jährige wohl ein Suchtprobl­em habe. „Wenn er wieder nüchtern war, konnte man normal mit ihm reden“, sagte er. In seinem Umfeld, vor allem im Freundeskr­eis, der bis ins Obdachlose­nmilieu reicht, werde viel Alkohol konsumiert. Und wenn der Angeklagte trinke, ziehe es ihm den Stecker.

Die Diebestour­en, die Mitte des Jahres 2022 in Trossingen gehäuft auftraten, hätten Aufsehen erregt. Viele Bürger und Anwohner „fanden es unerträgli­ch, was die Familie da treibt“, hielt Richter Straub dem Mann vor. Teilweise soll sein Bruder mit dabei gewesen sein. Der hätte mit ihm vor Gericht stehen sollen, doch er ist im Raum Tuttlingen untergetau­cht. Auch der Lebensgefä­hrte der Schwester steht unter Verdacht, in deren gemeinsame­r Wohnung war Diebesgut gelagert. Nach Angaben des 39-Jährigen haben alle seine Geschwiste­r, bis auf den jüngsten Bruder, Ärger mit der Polizei.

Der Wert der Diebstähle im vergangene­n Jahr summiert sich auf knapp 3000 Euro, wobei da der Restwert des Mountainbi­kes von 1200 Euro eingerechn­et ist, das er vor einem Lebensmitt­elmarkt mitgenomme­n hat. Eine Bewährungs­strafe schied angesichts seiner Vorgeschic­hte aus, da waren sich Staatsanwä­ltin, Verteidige­r und das Schöffenge­richt

einig.

Um zu verhindern, dass der Angeklagte untertauch­t, bleibt er übergangsl­os in Haft, obwohl die letzte Strafe quasi verbüßt ist. Ein Jahr und acht Monate Haft schließen sich nun an, wegen Hehlerei, Diebstahls in sechs Fällen, einer Sachbeschä­digung und Trunkenhei­t im Verkehr. Ein Strafbefeh­l des Amtsgerich­ts Spaichinge­n vom Juli 2022, als er Alkohol in einem Discounter geklaut hatte, fließt in das Urteil mit ein. Wie es mit dem jungen Mann dann weitergeht? „Es wird von Ihnen abhängen“, sagte Straub zu ihm. „Und ob Sie es schaffen, in einen Beruf zu kommen.“Das hörte sich fast wie eine Frage an.

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SYMBOL-FOTO: DPA-TMN/FRANK MAY Propangasf­laschen, Bau-Eimer und Mörtel klaute der Angeklagte in mehreren Nächten im Sommer 2022 in Trossingen.

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