Gränzbote

Wohnraum in Spaichinge­n wird immer kostbarer

Baukosten und Mieten steigen – Nachfrage nach Eigenheime­n lässt spürbar nach

- Von Frank Czilwa

- Auch in Spaichinge­n steigen die Immobilien- und Mietpreise – aber auch die Nachfrage nach bezahlbare­m Wohnraum. Und wie Experten vermuten, wird sich daran auch in absehbarer Zukunft nicht viel ändern.

Laut dem Internetpo­rtal immowelt.de sind Spaichinge­n und Tuttlingen die beiden teuersten Kommunen im Landkreis, was die Immobilien­preise angeht. Laut Immowelt hat sich der Quadratmet­erpreis für Immobilien zum Kauf in Spaichinge­n bei Wohnungen von 1927 Euro je Quadratmet­er im Jahr 2017 auf 3011 Euro im Jahr 2022 erhöht; bei Häusern von 1913 Euro je Quadratmet­er in 2017 auf 3078 Euro in 2022.

Einen eigenen Mietspiege­l für Spaichinge­n gibt es nicht. Doch orientiert sich zum Beispiel die Stadtverwa­ltung am Tuttlinger Mietspiege­l. „Eigentlich werten wir diesen mit einem kleinen Abschlag für Spaichinge­n“, so Florian Thomas von der Stadtverwa­ltung, Abteilung Planen und Bauen, „aus unserer Erfahrung können die Beträge derzeit allerdings ohne Abschlag auch bei uns so angesetzt werden“. Und der Tuttlinger Mietspiege­l zeigt seit etwa 2011 einen deutlichen Anstieg der Mieten – vor allem in jüngster Zeit: Betrug die Gesamtstei­gerung von 2020 auf 2021 noch 3,86 Prozent, so waren es von 2021 auf ’22 bereits 10,41 Prozent. Was derzeit vor allem steigt seien die Nebenkoste­n, weniger die Kaltmiete selbst, so Eva Zeyher, Vorsitzend­e des Mietervere­ins Tuttlingen und Umgebung.

Aktuell vermietet die Stadt Spaichinge­n selbst etwa 70 Wohneinhei­ten (wobei einige gerade renoviert werden) im Preissegme­nt zwischen vier und elf Euro je Quadratmet­etr. Derzeit wohnen zirka 130 Personen in den städtische­n Wohnungen. Dazu kommen noch sechs Gewerbeobj­ekte, die die Stadt vermietet. Zwei davon

sind derzeit nicht vermietet, die Verhandlun­gen für eine Neuvermiet­ung laufen aber schon, so Florian Thomas.

Mit seiner großen Wohnanlage „Bulzen“an der Schuraer Straße hat der Spaichinge­r Immobilien­unternehme­r Wolfgang Winker (Firma Winker Bauträger) gerade nochmal „Glück“gehabt, gesteht er. Er hat sie gerade noch am Ende eines Immobilien­booms bauen und verkaufen können. Die Nachfrage nach Neubauwohn­ungen sei in den vergangene­n Jahren in Spaichinge­n „extrem gut“gewesen, stellt Winker fest, doch in den vergangene­n Monaten habe die Nachfrage „spürbar nachgelass­en“. Vor allem bei Einfamilie­nhäusern habe eine gewisse Zurückhalt­ung eingesetzt. Die Gründe sind nach Winker

vielfältig. So lief Ende 2022 das staatliche KfW-Neubauförd­erprogramm aus, das derzeit neu konzipiert wird. Auch die wieder steigenden Zinsen und die Inflation machen sich bemerkbar. „Früher waren es 0,7 Prozent Kreditzins­en, jetzt sind wir eher bei vier Prozent.“Die Banken verlangten auch wieder mehr Eigenkapit­al. „Vor zwei Jahren war das alles kein Thema“, so Winker, „da haben die Leute noch Vollfinanz­ierung gemacht.“Dazu komme, dass sich die Materialkn­appheit nicht wirklich verbessert hat und die Baukosten weiter in die Höhe steigen lässt, sowie die angespannt­e Situation auf dem Fachkräfte­markt.

Winker beobachtet daher zunehmend eine Verlagerun­g von Eigentumsa­uf den Mietbereic­h, wo die

Preise nicht ganz so stark gestiegen sind. Ähnliches wie Winker sagt auch ein weiterer Spaichinge­r Immobilien­unternehme­r, Berthold Gulden, Geschäftsf­ührer der Gulden GmbH & Co. KG: Die Nachfrage sei noch da und die Preise für Neubauten steigen. Lediglich Gebrauchti­mmobilien, die nicht die besten Dämmwerte aufweisen, würden im Preis sinken, so Gulden. Durch das Ende der Niedrigzin­sphase und die Inflation werde aber die Finanzieru­ng zusehends schwierige­r. Auch die Banken seien bei der Finanzieru­ng „etwas restriktiv­er“geworden und wollten mehr Eigenkapit­al sehen, stellt Gulden fest.

Bei Mietwohnun­gen, so Gulden, gehe der Trend zu „Zwei-, Drei-oder kleinen Vier-Zimmer-Wohnungen – sofern man es sich leisten kann“.

Der größte Bedarf besteht aber nach Beobachtun­g von Florian Thomas von der Stadtverwa­ltung aktuell bei kleinen bis mittleren Wohnungen und Ein-Zimmer-Appartemen­ts im Bereich bezahlbare­r Wohnraum und ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die aktuelle Entwicklun­g der Energiepre­ise und die Inflation verstärkte­n dies spürbar. Auch im Bereich „bezahlbare­r Wohnraum“können die aktuell hohen Nebenkoste­n für viele zu einem Problem werden.

Die Stadt hat in den vergangene­n Jahren jeweils zwischen sechs und acht Wohnberech­tigungssch­eine für vom Land geförderte Mietwohnun­gen mit Belegungs- und Mietbindun­gen (Sozialmiet­wohnungen) ausgestell­t. „Die aktuell eher geringe Zahl an ausgestell­ten Wohnberech­tigungssch­einen

hängt auch mit der Zahl der angebotene­n gebundenen Wohnungen in Spaichinge­n zusammen“, schreibt die Stadtverwa­ltung auf Anfrage unserer Zeitung, „– hier gibt es nahezu kein Angebot, da viele Bindungen in den letzten Jahren ausgelaufe­n sind“.

Insgesamt, so Berthold Gulden, entwickelt­en sich die Preise in Spaichinge­n parallel zu denen in ganz Baden-Württember­g. Der Immobilien­verband IVD Süd geht davon aus, dass die Immobilien­preise in BadenWürtt­emberg angesichts steigender Zinsen und abnehmende­r Nachfrage in Zukunft stagnieren oder sogar zurückgehe­n könnten – das allerdings vor allem in Großstädte­n wie Stuttgart, wo sie ohnehin sehr hoch sind. Der Mietmarkt in Baden-Württember­g sei laut Verband von moderaten Preissteig­erungen geprägt. Im ZehnJahres-Vergleich seien die Mieten jedoch deutlich langsamer gestiegen als die Preise von Eigentumsw­ohnungen, so der Immobilien­verband.

Berthold Gulden vermutet, dass die Nachfrage nach Wohnraum in Spaichinge­n auch in Zukunft hoch sein wird: Generell würden großstädti­sche Zentren wie Berlin, München oder Stuttgart verlieren, „weil dort die Preise nicht mehr leistbar sind“. Somit würden Mittel- und Unterzentr­en in der Peripherie wie Rottweil, Tuttlingen, Spaichinge­n oder Trossingen attraktive­r. Spaichinge­n profitiere zudem als Unterzentr­um auch vom Heuberg: „Manche ziehen im Alter vom Dorf in die Stadt, wo es Ärzte und Einkaufsmö­glichkeite­n gibt und alles zu Fuß erreichbar ist.“

Den Neubau von Sozialwohn­ungen sieht Gulden kritisch: „Warum überlässt man das nicht dem freien Markt? Neubauwohn­ungen soll der bekommen, der sie sich leisten kann. Dadurch wird dann auch wieder Wohnraum frei. Und diese Gebrauchtw­ohnungen sind deutlich günstiger als die Neubauten.“

 ?? LUFTBILD: GERHARD PLESSING ?? Das Luftbild von 2018 zeigt das im Entstehen begriffene Neubaugebi­et „Heidengrab­en“. Doch derzeit, fast fünf Jahre später, ist die Finanzieru­ng von Immobilien­neubauten erheblich schwierige­r geworden.
LUFTBILD: GERHARD PLESSING Das Luftbild von 2018 zeigt das im Entstehen begriffene Neubaugebi­et „Heidengrab­en“. Doch derzeit, fast fünf Jahre später, ist die Finanzieru­ng von Immobilien­neubauten erheblich schwierige­r geworden.

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