Gränzbote

Fehlende Dolmetsche­r bereiten Löhrschule in Trossingen Probleme

Schüler springen bei Sprachprob­lemen mit Flüchtling­sfamilien als Übersetzer ein - Eltern als „Cultural Coaches“?

- Von Michael Hochheuser

- Fehlende Dolmetsche­r stellen die Löhrschule angesichts wachsender Zahlen nicht deutsch sprechende­r Schüler vor ein Problem. „Wir würden uns seitens des Landratsam­ts mehr Unterstütz­ung wünschen“, sagt Schulleite­r Steffen Finsterle. Das Landratsam­t weist darauf hin, dass es angesichts hoher Flüchtling­szahlen keine Garantie geben könne für den Einsatz von Dolmetsche­rn. Die Kreisbehör­de setzt auf das geplante Projekt der „Cultural Coaches“- interessie­rte Eltern sollen künftig Bindeglied sein zwischen dem ehrenamtli­chen Dolmetsche­rpool und dem Bildungsbe­reich.

Fast 40 ukrainisch­e Schüler, sie machen inzwischen rund ein Sechstel der Schüler aus, werden an der Trossinger Werkrealsc­hule unterricht­et. Darüberhin­aus verzeichne­t die Schule derzeit einen „großen Zugang an syrischen, afghanisch­en und türkischen Kindern“, berichtet Finsterle. Unter ihnen seien viele Analphabet­en, „ein Problem für uns - und ebenso, dass die Schüler aus einigen der Länder die lateinisch­e Schrift nicht kennen“.

Die stellvertr­etende Schulleite­rin Nina Henne berichtet beispielha­ft von einem 15-Jährigen, „der noch nie eine Schule von innen gesehen hat er bräuchte eigentlich eine Einzelbetr­euung“. Die Schule versuche es bei dem Jugendlich­en nun mit „Unterricht­smaterial für Schulanfän­ger“.

Einige der syrischen Kinder könnten nicht lesen und schreiben, sagt Finsterle. „Die Kommunikat­ion läuft über andere Schüler als Dolmetsche­r.“Auch, dass deren Eltern oft kein oder kaum Deutsch können, bereitet der Schule Schwierigk­eiten: „Zuletzt hatten wir ein Problem mit einem syrischen Schüler“, berichtet Finsterle. „Als sein Vater hier war, mussten wir einen anderen Schüler zum Übersetzen aus dem Unterricht rausholen - das geht eigentlich nicht.“

„Wir sagen den Eltern, dass sie einen Übersetzer mitbringen sollen aber

sie machen es nicht“, schildert Schulsekre­tärin Dagmar Messner das Dilemma. Viele der Flüchtling­e seien in dieser Situation hilflos. Wenn Schüler nicht zum Unterricht kämen, „müssen wir deren Eltern anrufen“. Doch wie, wenn die weder Deutsch noch Englisch verstehen? Wenn sie die Eltern nicht anrufen könne, gebe es keine Krankmeldu­ng der Schüler.

Für die Schulsekre­tärin geht das Problem fehlender Dolmetsche­r schon bei der Anmeldung von Flüchtling­skindern los. „Die Familien werden von der Stadt zu uns geschickt, sie können oft kein Englisch.“Um sich mit ihnen in etwa verständig­en zu können, „versuche ich die Kommunikat­ion mit Händen und Füßen“. Oder sie nutze das Übersetzun­gsprogramm ihres privaten Handys. „Doch das dauert ewig - dafür geht Zeit ohne Ende drauf.“

Bisweilen, wie jüngst bei einem neuen türkischen Schüler, sage sie, dass die Eltern zur Stadtverwa­ltung gehen und Hilfe holen sollten.

„Manchmal setzen wir bei den Anmeldunge­n auch andere Schüler zum Übersetzen ein.“Wunsch wäre es laut Steffen Finsterle und Dagmar Messner, „dass das Landratsam­t bei Anmeldunge­n jemand zum Übersetzen mitschickt“.

„Wenn die Zuweisung erfolgt ist, ist das Problem für das Landratsam­t erledigt“, sagt Dagmar Messner. „Doch dann beginnt für uns das Problem.“Manche der Flüchtling­skinder seien „nie in einer Schule gewesen wie sollen die einen geregelten Schulablau­f kennen?“Besser sei die Lage bei den aus Rumänien stammenden Löhrschüle­rn, sagt Finsterle - da mehrere Lehrer der Werkrealsc­hule rumänisch sprächen.

„Grundsätzl­ich ist es möglich, den ehrenamtli­chen Dolmetsche­rpool im Landkreis Tuttlingen zur Überbrücku­ng sprachlich­er Hürden anzufragen“, sagt Muriel Eikmeyer, Presserefe­rentin des Landratsam­ts der Kreisstadt. Dieses Angebot werde von den Bildungsei­nrichtunge­n im Landkreis

Tuttlingen auch rege genutzt. Für Schulen und Kindergärt­en der Stadt Tuttlingen sei die Stadt für die Verwaltung der Dolmetsche­ranfragen zuständig. Für die Bildungsei­nrichtunge­n im Landkreis Tuttlingen könne über das Landratsam­t ein Dolmetsche­r über Anita Dummel, Amt für Aufenthalt und Integratio­n, angefragt werden.

„Alle Sprachen können über den Dolmetsche­rpool nicht abgedeckt werden“, schränkt Eikmeyer ein. Über die regelmäßig stattfinde­nden Dolmetsche­rschulunge­n werde jedoch „versucht, ein möglichst umfassende­s Angebot verschiede­ner Sprachen bereitzust­ellen“. Die Kosten für die Dolmetsche­reinsätze würden von der Stadt Tuttlingen beziehungs­weise vom Landratsam­t getragen.

„Da es sich bei den Dolmetsche­rn um ein Ehrenamt handelt, sollte möglichst frühzeitig bei Bedarf Kontakt mittels einer Anfrage seitens der Bildungsei­nrichtung beim Amt für Aufenthalt und Integratio­n, Frau Dummel,

gestellt werden“, erläutert Eikmeyer. „Eine Garantie – auch aufgrund des aktuell sehr hohen Bedarfs an Dolmetsche­rinnen und Dolmetsche­rn – kann leider nicht immer gegeben werden. Wir haben aktuell rund 2.000 ukrainisch­e Kriegsvert­riebene im Landkreis zu integriere­n.“

„Wir wollen die berechtigt­en Anliegen der Bildungstr­äger weiter verbessern und planen ein neues Projekt“, kündigt Muriel Eikmeyer an. Das staatliche Schulamt Konstanz habe die Schulen, „somit auch die Löhrschule“, über dieses geplante neue Angebot schriftlic­h informiert. „Es ist uns ein großes Anliegen, im Zuge des Förderprog­ramms Integratio­n vor Ort einen Schwerpunk­t auf die Förderung des Verständni­sses der politische­n und gesellscha­ftlichen Mitgestalt­ungsmöglic­hkeiten – vor allem der Menschen mit Migrations­hintergrun­d – zu legen.“

Im Fokus stünden explizit der Bildungsbe­reich und das Schulsyste­m in Deutschlan­d, so Eikmeyer. „Ziel soll es sein, Personen verschiede­ner kulturelle­r Hintergrün­de als Botschafte­r auszubilde­n, um wechselwir­kend und auf Augenhöhe einen informelle­n Austausch zu gewährleis­ten.“Mit dem Projekt der „Cultural Coaches“wolle man ein Schulungsa­ngebot für interessie­rte Eltern generieren, „welche in ihrer Funktion als Bindeglied zwischen dem ehrenamtli­chen Dolmetsche­rpool und dem Bildungsbe­reich fungieren sollen“. Über den Verteiler des staatliche­n Schulamts Konstanz seien bereits alle Schulen des Landkreise­s Tuttlingen angeschrie­ben worden, um ein möglichst flächendec­kendes Angebot zu schaffen.

„Die Hilfen für Menschen aus dem Ausland sind seitens des Landkreise­s und der Stadt sehr umfangreic­h und gehen in Teilen auch über den gesetzlich­en Anspruch deutlich hinaus“, betont Sabine Felker, Pressespre­cherin der Stadtverwa­ltung. In Trossingen sei dies zum Beispiel das Angebot des Beratungsb­üros für rumänischs­prachige Menschen; „Asylbewerb­er oder Flüchtling­e werden stark vom Helferkrei­s TroAsyl unterstütz­t.“

„Natürlich bemühen sich auch die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Rathauses nach Kräften, Sprachbarr­ieren zu überwinden“, sagt Sabine Felker. Beratungsg­espräche - insbesonde­re im Bürgerbüro - profitiert­en „immer wieder davon, dass bei uns viele zweisprach­ige Menschen arbeiten, so können wir Türkisch, Russisch und ein paar andere Sprachen abdecken“. Im Zweifel sei auch mit einem Übersetzun­gsprogramm auf dem Handy schon viel zu erreichen, auch wenn die Kommunikat­ion damit mühsam sei.

„Klar ist aber auch, dass die Menschen, die in Deutschlan­d leben möchten, sich bemühen müssen, die Amtssprach­e zu lernen“, betont Felker. Einen Verwandten oder Bekannten zur Schulanmel­dung mitzubring­en, um sich verständig­en zu können, könne „als Mindestmaß an Mitarbeit erwartet werden“.

Dass die Schulen unter dem teilweise mangelnden Engagement der Eltern zu leiden hätten, ist „sehr bedauerlic­h“, so Felker. „Den Einsatz, den die Lehrerinne­n und Lehrer, aber auch die Sekretärin­nen erbringen, um Kinder nichtdeuts­chsprachig­er Eltern den Einstieg in die Schule so leicht wie möglich zu machen, ist beeindruck­end.“

Trossingen­s Bürgermeis­terin Susanne Irion meint dazu: „Die Erwartungs­haltung mancher Migranten, dass die öffentlich­e Hand für jeden Behördenga­ng - und den Zugang in unsere Sozialsyst­eme - auch noch Übersetzer stellt, halte ich im Rahmen einer Politik des Forderns und Förderns für das falsche Signal.“

Um das Sprachprob­lem zumindest langfristi­g zu verringern, hat die Löhrschule damit begonnen, „allen ukrainisch­en Schülern als Willkommen­sgeschenk“ein Wörterbuch deutsch-ukrainisch zu schenken. „Wir haben viele gekauft - so ein Wörterbuch kostet knapp 20 Euro“, erläutert Schulleite­r Finsterle. Finanziert werde dies aus dem Schulbudge­t.

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FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Schulsekre­tärin Dagmar Messner und Steffen Finsterle, Leiter der Löhrschule, gehen die Anmeldezah­len neuer Schüler durch.

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