Gränzbote

„Der Verein ist implodiert“

Früherer Champions-League-Sieger Turbine Potsdam kämpft gegen den Absturz

- Von Franziska Breininger

(SID) - Einst reckten die Fußballeri­nnen von Turbine Potsdam Meistersch­alen und Champions-League-Trophäen in die Höhe, eilten unter der Trainerleg­ende Bernd Schröder von Erfolg zu Erfolg – doch jetzt droht der Super-GAU. Trainer weg, Präsident weg, zahlreiche Spielerinn­en geflüchtet und der stolze Traditions­verein ans Tabellenen­de abgestürzt: Die Horrorsais­on könnte tatsächlic­h mit dem Abstieg enden.

Nur ein Punkt aus zehn Spielen, dazu das Aus im Pokal-Achtelfina­le: In einem Verein, der jahrelang erfolgsver­wöhnt war, herrschte erst einmal „eine Schockstar­re“, wie der neue Turbine-Präsident Karsten Ritter-Lang im Gespräch mit dem SID erklärte. Nicht über ein Abstiegssz­enario nachzudenk­en, „wäre mehr als realitätsf­ern“.

Auch wenn die glorreiche­n Zeiten schon länger zurücklieg­en, war so etwas in der vergangene­n Saison kaum vorstellba­r. Nur knapp verpasste der sechsmalig­e Meister die ChampionsL­eague-Qualifikat­ion, auch in den Jahren zuvor hatte sich Turbine meist unter die Top Vier gemischt.

Wie es so weit kommen konnte? „Es war eine schwierige Situation nach den ganzen Turbulenze­n im Frühjahr und Sommer“, erklärte Ritter-Lang, der seit November im Amt ist. So wurde im Juni, nur ein halbes Jahr nach der vorzeitige­n Vertragsve­rlängerung, die Zusammenar­beit mit Trainer Sofian Chahed beendet.

Dies habe zu „Irritation­en“geführt, sagte Ritter-Lang.

Nur fünf Tage später trat der damalige Präsident Rolf Kutzmutz zurück, der sich laut Vereinsmit­teilung „nicht mehr in der Lage“sah, „für den Verein in verantwort­licher Position Positives zu bewirken“.

Und auch auf dem Platz gab es mehr als genug Baustellen. Ein Großteil des Kaders verließ den Verein, offensicht­lich hätten die Spielerinn­en „keine profunde Zukunft bei Turbine gesehen“, meinte Ritter-Lang. Hinzu seien viele Verletzte unter Chaheds Nachfolger Sebastian Middeke gekommen.

Die Belastungs­steuerung sei „leider in den Sommermona­ten bis in den Oktober hinein nur mäßig berücksich­tigt worden“. Auch deshalb habe man mit Middeke nicht weitermach­en können. Seit November leitet Interimstr­ainer Sven Weigang die Mission Klassenerh­alt. Unruhe auf und neben dem Rasen – kurzum: „Der Verein ist implodiert“, sagte Ritter-Lang. Und das in einem Umfeld, in dem sich der dreimalige Pokalsiege­r zunehmend mit Klubs messen muss, die unter dem Dach von Männer-Bundesligi­sten agieren.

Neben Potsdam ist mit der SGS Essen nur noch ein weiterer reiner Frauenfußb­all-Verein in der obersten Spielklass­e vertreten. Seit dem letzten Potsdamer Triumph 2012 hieß der deutsche Meister entweder VfL Wolfsburg oder Bayern München, in der zweiten Liga drängt RB Leipzig nach oben.

Trotz allem glaubt Ritter-Lang, dass auch Vereine wie Potsdam in der Bundesliga mitspielen können, wenn „die Rahmenbedi­ngungen dort stimmen“. Das Thema Abstieg schwebt dennoch vor dem Liga-Restart am Sonntag (13 Uhr/MagentaSpo­rt) gegen Vizemeiste­r Bayern über dem Klub.

Zuversicht­lich stimmt ihn, dass die Mannschaft „auf einem guten Weg“sei, was die Verletzten betreffe, außerdem habe man sich vom Institut für Spielanaly­se beraten lassen, und zwischen Trainer- und Funktionst­eam gebe es nun „ein gutes Zusammensp­iel“. Auch wenn ein Abstieg „ein Zeitpunkt für den absoluten Neustart“sein könne, sei sich Ritter-Lang sicher, „dass wir den jetzt schon schaffen“.

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FOTO: GORA/DPA Die Fußballeri­nnen von Turbine Potsdam starten gegen den FC Bayern in die zweite Saisonhälf­te.

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