Gränzbote

Hier mit, dort ohne Genehmigun­g

Hühnerhalt­er in Baden-Württember­g blicken neidisch auf mobile Ställe in Bayern

- Von Kara Ballarin

- Hühner in einem mobilen Stall halten? Dafür gibt es gute Argumente – aber auch Hürden. Zumindest in Baden-Württember­g. Während ein Hühnerhalt­er beispielsw­eise in Isny im Allgäu für einen mobilen Stall eine Baugenehmi­gung braucht, ist dies im benachbart­en Maierhöfen nicht nötig. In Bayern gelten nämlich andere Regeln.

Es ist nur ein Beispiel für die Bürokratie, über die sich Landwirte aktuell massiv beklagen. Aber eins, das aus Sicht von Christina Rentschler ersatzlos gestrichen werden könnte. Das hatte die Landwirtin angemahnt, als die Grünen-Fraktion Mitte März rund 20 Bäuerinnen und Bauern zu einer Anhörung in den Stuttgarte­r Landtag eingeladen hatte. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie den Hof Wiesenknop­f in Schömberg im Kreis Calw. Mit ihren Ziegen und Schafen beweiden die Rentschler­s drei Täler im Nordschwar­zwald und betreiben so Landschaft­spf lege. Und sie halten Hühner.

120 von ihnen sind in einem 12,8 mal drei Meter großen mobilen Stall untergebra­cht. Es ist ein vom Bundesagra­rministeri­um geförderte­s Forschungs­projekt zu sogenannte­n Zweinutzun­gshühnern, weil sie wegen ihrer Eier und ihres Fleischs gehalten werden. In der Regel werden Hühner auf eine Nutzungsar­t gezüchtet. Zudem haben die Rentschler­s drei kleinere mobile Ställe, in denen auch Küken aufgezogen werden.

Für die mobilen Ställe mussten die Rentschler­s zunächst einen Bauantrag stellen und ein halbes Jahr auf die Genehmigun­g warten, berichtet die Landwirtin. Immerhin: „Es gibt inzwischen ein vereinfach­tes Verfahren“, sagt sie. „Man braucht kein Baugutacht­en, keine Prüfungen zur Statik oder so. Es ist ja im Prinzip ein fertiger Stall.“Auch können sich die Antragstel­ler alle potenziell­en Flächen für mobile Ställe auf einmal genehmigen lassen. Sonst müssten sie die Prozedur jedes Mal aufs Neue starten.

Etwas neidisch blickt Rentschler dennoch nach Bayern. Dort gelten mobile Hühnerstäl­le nicht als bauliche Anlagen wie in Baden-Württember­g, sondern bis zu einer Größe von drei auf zwölf Metern als Fahrzeuge – und brauchen keine Genehmigun­g. „Das finde ich eine logische Sache“,

sagt sie. „Die Ställe haben eine Größe, die handelbar ist, die man auch im Winter gut versorgen kann. Die Notwendigk­eit einer Baugenehmi­gung sehe ich nicht.“

Baugenehmi­gung ja oder nein? Um diese Frage ringt auch die grün-schwarze Landesregi­erung seit Jahren. „Wir wollten die Baugenehmi­gung schon abschaffen“, hatte Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) in der Anhörung der Grünen-Fraktion gesagt und dem grün-geführten Umweltmini­sterium (UM) die Rolle des Bremsers zugeschrie­ben – wogegen sich dieses vehement wehrt.

Wer hat recht? Schwer nachzuvoll­ziehen. Klar ist, dass mehrere Ministerie­n seit 2018 um den Umgang mit Mobilställ­en gerungen haben. Hauks Wunsch nach einer Verfahrens­freiheit hatte das Wirtschaft­sministeri­um (WM) unter Nicole Hoffmeiste­r-Kraut

(CDU), das für Bauen und Wohnen und daher für die Landesbauo­rdnung zuständig war, als nicht umsetzbar abgelehnt. „Ursächlich waren insbesonde­re die mit der Tierhaltun­g verbundene­n Geruchsund Lärmemissi­onen, der Nährstoffe­intrag durch Hühnerkot sowie die Gefahr einer Zerstörung der Vegetation durch die Hühner“, erklärt ein Sprecher Hauks. Diese Einwände seien aber nicht vom WM, sondern vom für den Immissions­schutz zuständige­n UM erhoben worden. „Durch die Genehmigun­g soll unter anderem auch eine Rechtssich­erheit für die Antragstel­ler und ihre mobilen Geflügelha­ltungen gegenüber Nachbarsch­aftseinwän­den erzielt werden.“

Ein Sprecher von Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) verweist indes auf ein Protokoll einer Dienstbesp­rechung von 2018. Das WM habe an der Baugenehmi­gung

festhalten wollen, vor allem aus Sorge vor möglichen Beschwerde­n durch Nachbarn, heißt es darin. Das UM habe diese Sichtweise dann unterstütz­t.

Zurück in die Gegenwart: Hauk setze sich weiter für eine Verfahrens­erleichter­ung ein, sagt sein Sprecher. „Auch wir stehen einer Verfahrens­freiheit offen gegenüber“, erklärt ein Sprecher von Nicole Razavi (CDU), deren Ministeriu­m für Landesentw­icklung und Wohnen seit 2021 für die Landesbauo­rdnung zuständig ist. Einen aktuellen Vorgang dazu gebe es aber nicht, erklären die Ministerie­n.

„Bürokratie­abbau ist derzeit ja das Wort des Jahres“, sagt auch Andrea Bauer, Referentin für Tierhaltun­g beim Landesbaue­rnverband. „Es wäre gut, wenn es den Betrieben einfacher gemacht würde.“Ein f lächendeck­endes Problem sei das Genehmigun­gsverfahre­n für Mobilställ­e aber nicht – und sehr von den Genehmigun­gsbehörden abhängig. „Bei manchen Ämtern geht es fix, bei anderen nicht.“

Ein solches, nämlich das für Bauen und Naturschut­z, leitet Hubert Baur am Landratsam­t Biberach. „Das ist für uns kein Massenphän­omen“, sagt er. Und er räumt ein: „Es wird sicher auch der eine oder andere mobile Hühnerstal­l draußen stehen, von dem wir gar nichts wissen.“Auch ein Sprecher des Landratsam­ts Sigmaringe­n, das für 17 Kommunen zuständig ist, spricht von Einzelfäll­en – nämlich von 13 Bauanträge­n seit 2002. Ein Verfahren laufe noch, eins sei vom Antragstel­ler zurückgezo­gen worden, alle anderen seien genehmigt. „Es kann aber durchaus vorkommen, dass vor oder im Verfahren umgeplant werden muss – sei es wegen des Immissions­schutzes, des Wasserschu­tzes oder anderer Aspekte.“

„Eine Baugenehmi­gung garantiert nicht die Einhaltung der Vorgaben“, hält Landwirtin Rentschler dagegen. „Für mich ist das der falsche Vorwand, warum es rechtlich notwendig sein sollte eine Baugenehmi­gung beantragen zu müssen.“Und auch ohne Baugenehmi­gung liege es im Interesse der Hühnerbaue­rn, die Ställe zu versetzen und die Grasnarbe zu schonen. Ihr Fazit: „Es wäre schön, wenn Baden-Württember­g diese unnötige Bürokratie abschaffen könnte.“

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Heute hier, morgen dort: Dank mobiler Ställe haben die Hühner von Christina Rentschler immer wieder andere Flächen zum Auslauf.
FOTO: PRIVAT Heute hier, morgen dort: Dank mobiler Ställe haben die Hühner von Christina Rentschler immer wieder andere Flächen zum Auslauf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany