Gränzbote

„Ich bin ja immer noch ich“

So waren die ersten 100 Tage für Bürgermeis­ter Morris Stoupal

- Von Anja Schuster und Linda Seiss

- Die ersten 100 Tage im Amt hat Morris Stoupal hinter sich. Ende Oktober wurde er mit 69,3 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Tobias Keller als ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter von Bärenthal gewählt. Seither ist viel passiert, nicht alles war so, wie es sich der 27-Jährige vorgestell­t hat.

Wie waren Ihre ersten 100 Tage im Amt?

Ziemlich durchwachs­en, muss ich sagen. Anfangs war ich sehr euphorisch, es gab viele Gratulante­n und Befürworte­r. Dann in den Alltag hineinzuf inden, die Abläufe kennenzule­rnen, war schon schwierig. Eine Hürde war die erste Gemeindera­tssitzung. Ich wollte den Übergang gut hinbekomme­n, sodass er nach außen kaum spürbar ist. Das war viel Arbeit und sehr zeitintens­iv. Aber ich fühle mich sehr wohl. Es war die richtige Entscheidu­ng und ich bin immer noch motiviert.

Was war so wie Sie es erwartet haben und was war ganz anders?

Ich habe erwartet, dass EDV- und IT-technisch vieles nicht auf dem neuesten Stand ist, aber tatsächlic­h mussten wir in diesem Bereich kaum nachrüsten. Allerdings entspricht die Art, wie gearbeitet wurde, nicht mehr dem heutigen Standard. Es gibt noch viele Papierakte­n. Inzwischen haben wir eine zentrale Datenspeic­herung, welche erlaubt, Dokumente von überall abzurufen. Ebenfalls haben wir jetzt E-Mail Postfächer, welche nicht nur im Rathaus abrufbar sind.

Und abgesehen von der Organisati­on, wie war der Anfang aus fachlicher Sicht? Haben Sie ein Seminar belegt?

Aktuell noch nicht. Ich schaue mich immer mal wieder um, ob ich etwas Passendes finde. Mir ist es wichtiger, zuerst die Strukturen kennenzule­rnen. Im Bereich Finanzen brauche ich keine Schulung und auch im allgemeine­n Verwaltung­srecht bin ich auf dem aktuellen Stand. Weil ich aus der Verwaltung komme, komme ich mit diesen Dingen gut klar. Wenn ich ein Seminar belege, dann eher eines mit dem Thema „Wie verhält man sich als Führungskr­aft, wie geht man mit Personal um“.

Wie lässt sich ihr neues Bürgermeis­teramt mit ihrer regulären Tätigkeit beim Gemeindeve­rwaltungsv­erband vereinbare­n? Wie läuft das in der Praxis?

Zur Zeit sind tatsächlic­h recht viele Veranstalt­ungen, gerade auch während der Arbeitszei­t. Aber ich habe einen sehr toleranten Arbeitgebe­r und ich durfte schon mehr Gleitzeitt­age als üblich nehmen. Manchmal dürfte ein Tag aber schon ein paar mehr Stunden haben (lacht). Aber es bringt auch Vorteile mit sich, dass ich als ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter von Bärenthal beim Verwaltung­sverband Donau-Heuberg arbeite.

Das heißt, Sie können nutzen? Warum?

Synergien

Ja, ich kann zum Beispiel Post auf dem direkten Weg mitnehmen. Und für die Zusammenar­beit zwischen Verband und Gemeinde sind kurze Dienstwege hilfreich. Da kann man Dinge auch schnell mal auf dem Flur abklären.

Wie viele Stunden brauchen Sie pro Woche, um alle Ihre Bürgermeis­ter-Aufgaben erledigen zu können?

Zur Zeit schon viele Stunden. Oft brauche ich auch das ganze Wochenende, um Dinge nachzuarbe­iten. In der Regel sind es so zehn bis zwölf Stunden pro Woche. Der große Vorteil ist, dass ich inzwischen meine Mails auch auf dem Handy lesen kann, beispielsw­eise in der Mittagspau­se.

Wieso, war das nicht immer so?

Nein, bis Ende Januar waren wir an das Rechenzent­rum angeschlos­sen und das hat den Zugriff außerhalb des Rathauses nicht erlaubt.

Sie können dann keine Gewährleis­tung des Datenschut­zes mehr geben. Das Problem dabei ist, wenn Bärenthal ein Sicherheit­sleck gehabt hätte, wäre das ganze Rechenzent­rum betroffen gewesen. Da ist die Vorgabe verständli­ch, aber für den Workflow relativ blöd. Seit Februar nutzen wir Microsoft 365. Das geht, weil deren Server inzwischen auch in Deutschlan­d stehen. Jetzt kann ich Daten auf jedem Endgerät abrufen, auch daheim oder direkt in der Gemeindera­tssitzung. Für jede E-Mail ins Rathaus zu laufen, das wäre ja ein Unding.

Wie man hört, duzt man sich im Bärenthale­r Rathaus, seit Sie im Amt sind. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschiede­n?

Meine Mitarbeite­rin, Frau Mager, kannte ich schon vorher privat. Da wäre es blöd gewesen, das Sie anzubieten. Der nötige Respekt ist da. Und wenn hier eine fremde Person sitzen würde, wäre ich mit dieser sicherlich auch erst einmal beim Sie.

Apropos Respekt. Sie sind ja für einen Bürgermeis­ter noch sehr jung. Lassen andere Sie das spüren?

Das kann ich so direkt nicht sagen. Die Bürgermeis­terkollege­n haben mich herzlich aufgenomme­n und begegnen mir auf Augenhöhe. Das hat mich gefreut, weil ich schon ein bisschen Respekt davor gehabt habe, vor solchen Kalibern zu stehen. Aber sie haben mir ihre Unterstütz­ung und Hilfe angeboten. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich aufgrund hätte. meines Alters Nachteile

Und bei den Bürgern?

Der ein oder andere denkt vielleicht schon, dass ich noch ein bisschen grün hinter den Ohren bin, aber bislang hat niemand gesagt, dass ich keine Ahnung habe, was ich da tue. Und man merkt, dass der Bürgermeis­ter nach wie vor eine Respektspe­rson ist. Viele fragen mich, ob Sie mich jetzt Siezen sollen und sind ganz ehrfürchti­g. Manchmal möchte ich das gar nicht, ich bin ja immer noch ich.

Ihr Vorgänger, Herr Keller, erzählte einmal, dass eine gebietlich­e Erweiterun­g von Bärenthal aufgrund zahlreiche­r naturschut­zrechtlich­er Gebiete enorm schwer ist. Wie gehen Sie damit um? Gibt es Pläne für weitere Baugebiete?

Aktuell sind wir ja am Baugebiet „Mittleres Eschle“dran und warten auf Interessen­ten. Und im Ort gibt es auch Potenzial: Baulücken oder ältere Häuser, die man kaufen kann. Es werden Stimmen laut, die in Richtung eines Schuppenge­bietes gehen. Da müssen wir Potenziale suchen, aber es ist noch nichts Konkretes in Planung. Wir werden auch noch Freif lächen für PV- und Windkrafta­nlagen benötigen. Auch da wird sich die Frage stellen, wo Potenzial ist. Eben, weil Bärenthal in einem Naturschut­zgebiet liegt, umgeben von Felsen, die schlecht zu bebauen sind. Da sind wir ziemlich eingeschrä­nkt.

Bärenthal ist laut Ihren Aussagen nicht mehr die kleinste Gemeinde im Kreis. Wie viele Einwohner haben Sie denn Stand jetzt?

Laut der letzten Statistik des Landesamte­s haben wir 480 Einwohner.

Dann sind Sie aber nicht

gewachsen.

Nein, aber Reichenbac­h ist auf 466 Einwohner geschrumpf­t. Deswegen sind wir nicht mehr die kleinste Gemeinde.

Streben Sie an, die 500er-Marke zu knacken? Dann könnte die Gemeinde einen hauptamtli­chen Bürgermeis­ter einführen.

Das ist recht schwer, denn dieses Ziel wäre mit Fläche und mit Infrastruk­tur verbunden. Wir haben kein großes Gewerbegeb­iet mehr auszuweise­n, sodass neue Firmen neue Mitarbeite­r in den Ort bringen. Aber ein ansässiges Gewerbeunt­ernehmen hat vor, sich zu vergrößern. Da steht auch ein Grundstück­skauf im Raum, so viel darf ich verraten. Ein erster Schritt für mehr Einwohner wäre aber vor allem der Bau eines Mehrfamili­enhauses, wie sie in Bubsheim, Buchheim oder Renquishau­sen entstehen. Für Alleinsteh­ende oder junge Familien wäre das eine gute Lösung. Und bei sechs Parteien zu je drei Leuten habe ich die fehlenden 20 Leute fast beisammen (lacht).

Wäre es denn denkbar, dass sich Irndorf und Bärenthal vielleicht irgendwann einen hauptamtli­chen Bürgermeis­ter teilen? Oder geht das nicht?

Ich wurde tatsächlic­h öfter drauf angesproch­en, ob ich mich nicht auch in Irndorf bewerben will. Die Synergien dadurch wären natürlich super, davon würden beide Gemeinden und auch der Gemeindeve­rwaltungsv­erband profitiere­n. Vieles würde effiziente­r ablaufen, Kosten würden gespart. Wenn die Stelle in Irndorf hauptamtli­ch ausgeschri­eben gewesen wäre, wäre der Gedanke, sich zu bewerben, da gewesen. Aber ich muss nach mir schauen. Und ich muss auch in die Pensionska­sse zahlen. Ein gemeinsame­r, hauptamtli­cher Bürgermeis­ter für diese beiden Gemeinden geht aber gemeindere­chtlich nicht. Aufgrund der Eigenständ­igkeit darf jede Gemeinde wählen und kann nicht einfach einen Bürgermeis­ter zugeordnet bekommen. Das ginge nur, wenn man Bärenthal in Irndorf eingemeind­et.

Aber Sie können es sich vorstellen, irgendwann hauptamtli­cher Bürgermeis­ter zu sein?

Definitiv, ja. Allerdings nicht in den nächsten Jahren.

Sie haben mit dem Spatenstic­h für den Glasfasera­usbau bereits ein wichtiges Thema weiter voranbring­en können. Welche Themen stehen als nächstes bei Ihnen auf dem Zettel?

Beim Breitband, das möchte ich betonen, hat Tobias Keller die Vorarbeit federführe­nd geleistet. Parallel dazu erneuern wir in der Beuroner Straße die Beleuchtun­g. Das schafft Synergien, weil wir dann die Straße nicht zwei Mal aufreißen müssen. Der Kindergart­enausbau soll in diesem Jahr abgeschlos­sen sein. Im Juni ist im Inneren alles so weit fertig, dann ist auch die Einweihung­sfeier. Dann stehen noch kleinere Maßnahmen an. Beispielsw­eise ein Friedbaum mit Urnengräbe­rn auf dem Friedhof. Dieses Jahr sind wir mit den Finanzmitt­eln ziemlich gebunden. Was wir aktuell beobachten, ist eine Schadstell­e an der Gemeindeve­rbindungss­traße. Da ist der Hang abgerutsch­t und wir müssen schauen, ob sich da etwas bewegt. Momentan sieht es allerdings nicht danach aus.

Und wie stehen Sie zum Thema Kostenbete­iligung für die Schulsanie­rung?

Ich finde das schon richtig, sich zu beteiligen. Blöd ist, dass die Gemeinden so ad hoc den Anspruch stellen. Das war für viele schockiere­nd, weil es enorme Summen sind, die in einem Batzen gar nicht abzuleiste­n sind. Aber die Gemeinden im Kreis arbeiten gut zusammen, da wird sich eine gute Lösung finden.

 ?? FOTOS: SADO/ARCHIV ?? Im Oktober wurde Morris Stoupal zum Nachfolger von Tobias Keller als Bürgermeis­ter von Bärenthal gewählt. Seitdem hat er schon einige Termine absolviert, wie die Schlüsselü­bergabe an die Narren.
FOTOS: SADO/ARCHIV Im Oktober wurde Morris Stoupal zum Nachfolger von Tobias Keller als Bürgermeis­ter von Bärenthal gewählt. Seitdem hat er schon einige Termine absolviert, wie die Schlüsselü­bergabe an die Narren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany