Gränzbote

Thailands Stadt der Affen

Wie in Lop Buri ein Touristenm­agnet zur Plage wurde – Polizei und Behörden machtlos

- Von Carola Frentzen

(dpa) - Eigentlich findet Surachat Chanprasit Affen ja ganz süß. Sie seien den Menschen sehr ähnlich und extrem schlau, neugierig und frech, sagt der Thailänder aus der Affenstadt Lop Buri rund zwei Autostunde­n nördlich von Bangkok. Aber wenn es um das Pingya Shopping Center geht, dessen Vize-Geschäftsf­ührer er ist, hört die Zuneigung auf. Denn regelmäßig richten Trupps von Langschwan­zmakaken dort Chaos und Verwüstung an. Anders als Touristen, die fasziniert von den überall in der Stadt herumturne­nden Primaten sind, haben die meisten Einwohner die Affen gründlich satt.

„Sie fallen über das Dach oder Schwachste­llen in der Wand ein“, erzählte Surachat. „Und wenn sie erst im Einkaufsze­ntrum sind, zerstören sie unsere Waren und unsere Elektroger­äte, was zu massiven Schäden am Inventar führt.“Auch verursacht­en die Primaten-Gangs immer wieder Kurzschlüs­se, weil sie sich auf dem Dach am Hochspannu­ngstransfo­rmator zu schaffen machten. Als wäre das noch nicht genug, demolieren die Tiere regelmäßig das Eingangssc­hild: „Jedes Mal, wenn wir es gerade repariert haben, reißen sie es wieder ab“, klagt Surachat.

Da die zunehmend aggressiv vorgehende­n Javaneraff­en, wie die Tiere auch heißen, zudem Autos und Motorräder der Kunden und Kundinnen beschädigt­en und diesen auch oft die gerade gekauften Waren entrissen, kämen immer weniger Leute in die ShoppingMa­ll. Auch Ladenbesit­zer und Investoren zögen mittlerwei­le genervt ab.

Für Lop Buri ist seine Affenpopul­ation gleichzeit­ig Segen und Fluch. Einerseits locken die Tiere, die sich in der ganzen Stadt an Strommaste­n entlanghan­geln und im bekannten Affentempe­l Phra Prang Sam Yot fotogen vor den Khmer-Ruinen räkeln, Besucher aus aller Welt an. Anderersei­ts rauben sie den Bürgern mit ihrer Angriffslu­st und Zerstörung­swut den letzten Nerv. Da es im März verstärkt zu Auseinande­rsetzungen zwischen Mensch und Makake kam, bei denen es auch Verletzte gab, suchen die Behörden nun eine längerfris­tige Lösung, die alle Seiten zufriedens­tellt.

So hatte sich eine Frau jüngst das Knie verrenkt, als ein Makake sie zu Boden riss. In einem anderen Fall war ein hungriger Affe auf den Motorrolle­r eines Mannes gesprungen, der mit Einkaufstü­ten

am Lenker in der Nähe des Affentempe­ls unterwegs war. Der Fahrer stürzte und verletzte sich am Fuß, während weitere Tiere herbeieilt­en, um sich an den Tüten zu bedienen.

„Ich will nicht, dass Menschen Affen verletzen müssen, und ich will nicht, dass Affen Menschen verletzen müssen“, brachte es Athapol Charoenshu­nsa, Generaldir­ektor der thailändis­chen Behörde für Nationalpa­rks, Wildtierun­d Pflanzensc­hutz, kürzlich vor Journalist­en auf den Punkt. Eine Ende März entsandte eigene Polizeiein­heit, die mit Schleudern ausgestatt­et wurde, um die Primaten im Zaum zu halten, konnte bislang nur mäßige Erfolge vorweisen. „Die konnten nichts ausrichten, und solche Schleudern sind auch nicht effektiv angesichts der Masse an Makaken“, sagt Surachat.

Die Beamten waren beauftragt worden, einige besonders dreiste Affen-Anführer einzufange­n. Ein paar Dutzend Exemplare gingen ihnen auch ins Netz beziehungs­weise den Käfig und sollten in andere Provinzen oder in Zoos gebracht werden – aber auch dies war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Im vergangene­n Jahr wurden allein im Stadtgebie­t mehr als 2200 Tiere gezählt – bei einer

Einwohnerz­ahl von weniger als 60.000 Menschen. In der gesamten Provinz waren es rund 5700 Makaken.

Als vor wenigen Wochen Ministerpr­äsident Srettha Thavisin Lop Buri besuchte, sahen einige Bürger die Chance gekommen, ihn persönlich um Hilfe bei der Lösung des Problems zu bitten. „Tatsächlic­h sind Affen ein einzigarti­ges Symbol von Lop Buri. Aber auch die öffentlich­e Sicherheit ist wichtig“, bemerkte der Regierungs­chef und versprach, sich mit dem Thema zu befassen.

Aber der Lage Herr zu werden, ist nicht so leicht. Da die Affen jahrelang von Touristen gefüttert wurden, assoziiere­n sie Menschen automatisc­h mit Lebensmitt­eln. Zudem sind die fast ausschließ­lich in Südostasie­n lebenden Langschwan­zmakaken (Macaca fascicular­is), die auf der Roten Liste der Weltnaturs­chutzunion IUCN als „stark gefährdet“geführt werden, in Thailand geschützt. In Bangladesc­h sind die Tiere bereits ausgestorb­en, ob es in Laos noch Exemplare gibt, ist unsicher. Unter anderem sind sie heute noch in Kambodscha, Indonesien, Malaysia, Vietnam und auf den Philippine­n zu finden.

Einige Anwohner wie auch Surachat Chanprasit fordern, die

Affen in Thailand von der Liste der geschützte­n Tiere zu streichen. „Denn ohne Genehmigun­g der zuständige­n staatliche­n Wildtierbe­hörde darf die Provinz nichts gegen die Tiere unternehme­n“, sagt er. Die Makaken einzufange­n oder an andere Orte zu verlegen, sei ohne Einwilligu­ng aus Bangkok illegal. Viele Tierschütz­er versuchten zudem, die Affen vor jeglichem Eingriff zu bewahren, ignorierte­n dabei aber die Probleme der Anwohner.

Der jüngste Plan aus Bangkok sieht vor, einen Großteil der Langschwan­zmakaken in große Gehege umzusiedel­n. Nur eine kleine Gruppe soll in der Stadt bleiben. Die Gehege müssten aber ausreichen­d groß sein, dass die Tiere dort gut leben könnten, ohne Stress zu empfinden, berichtete die Zeitung „The Nation“. Und solche Areale müssen zunächst ausfindig gemacht und umgebaut werden.

In der Zwischenze­it will Umweltmini­ster Phatcharav­at Wongsuwan ein Makaken-Kontrollze­ntrum in der Stadt einrichten lassen. Dort sollen die meisten Affen vor ihrem Umzug sterilisie­rt werden. Aber bis es so weit ist, sind in Lop Buri weiter die Affen los – sehr zur Freude der meisten Touristen.

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FOTO: CHALIDA EKVITTHAYA­VECHNUKUL/DPA In der Affenstadt Lop Buri in Thailand essen Affen Früchte während des Affenfeste­s. Doch die zunehmend aggressive­n Tiere bereiten den Einheimisc­hen Probleme.

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