Bis mindestens 2032 wird am Krankenhaus gebaut
Zwei Anbauten sind geplant – Kostenpunkt: mehr als 100 Millionen Euro
- Die Zusage vom Land ist da: Das neue Bettenhaus E am Klinikum Landkreis Tuttlingen kann gebaut werden. Doch ohne eine finanzielle Beteiligung des Landkreises wird der Bau nicht realisiert werden können. Zudem gibt es noch weitere Anbau- und Umbaupläne am Krankenhausstandort Tuttlingen, die Millionen kosten. Ein Überblick:
Wie lange dauert der Bau des Bettenhauses E?
Im Mai sollen die vorbereitenden Maßnahmen starten. Das Baufeld wird geräumt, Leitungen gelegt. Parallel dazu werden die Rohbauarbeiten ausgeschrieben. „Dieses entscheidende Gewerk soll bis Sommer 2024 vergeben sein, um möglichst im September mit den Bauarbeiten starten zu können“, so Landrat Stefan Bär.
Bis Juli 2027 soll alles fertig sein, der Umzug wird zum Jahreswechsel 2027/28 vonstatten gehen.
Das neue Bettenhaus ersetzt den Modulbau am Klinikum. Diese Interimslösung wurde nach der Schließung des Krankenhauses Spaichingen aufgebaut, um die rund 100 Betten von dort am Krankenhausstandort Tuttlingen zu integrieren.
Wie sieht die Finanzierung aus?
Rund 51 Millionen Euro Baukosten sind für das Bettenhaus E vorgesehen. Vom Land gab es eine Förderzusage. Mit welcher Summe sie das Vorhaben unterstützt, soll bis Ende Mai feststehen.
Der Landrat geht von rund 65 Prozent Förderung aus, das hätte sich bei anderen Projekten anderer Landkreise zuletzt so herauskristallisiert. Tuttlingen gehöre zu den wenigen im Land, die erweitern wollen, statt neu zu bauen. Das spare Fläche und Kosten. Deshalb hofft Bär, dass Tuttlingen zumindest gleich behandelt wird wie andere Projekte. Bleibt eine finanzielle Lücke von rund 20 Millionen Euro.
Wie soll die Finanzierungslücke gestopft werden?
Rund 15 Millionen davon sind im Kreis-Haushalt in diesem und kommendem Jahr eingestellt, als
Kreditaufnahme. Die restlichen rund fünf Millionen „sehen wir beim Klinikum“, erklärt der Landrat. Auch dafür werde eine Kreditaufnahme nötig sein. Im Gegenzug würden Vermögenswerte geschaffen.
Was wird danach gebaut?
Es geht alphabetisch weiter: mit F. Geplant ist der Neubau eines Funktionsgebäudes, das die Operationssäle, die Intensivbetten plus den Intermediate-Care-Bereich (Behandlungsstufe zwischen Intensivstation und Normalstation) sowie die zentrale Sterilgutaufbereitung beherbergen soll.
Als Standort ist das jetzige Grundstück des Modulbaus gedacht. Dieser Interiumsbau muss erst abgetragen sein, ehe der Neubau starten kann. Bär spricht von Frühjahr 2028: „Wir hoffen, dass die Förderung des F-Baus bis dahin gesichert ist, sodass wir nahtlos weitermachen können.“Der Aufwand für die technische Ausstattung des F-Baus ist hoch, Bär rechnet auch dafür mit rund 50 Millionen Euro.
Wie geht es dann weiter?
Wenn dieses Funktionsgebäude bezogen ist, soll die Sanierung und Umnutzung des Altbaus vorgenommen werden, in dem OP und Intensivmedizin derzeit untergebracht sind. Das Diagnostikund Therapiezentrum der inneren Medizin, das auf verschiedene Bereiche im Haus verteilt ist, solle dann in den sanierten Altbau einziehen.
Wer wird das bezahlen?
„Das sind natürlich richtige Summen, die wir am Standort investieren“, sagt Bär. Allein rund 100 Millionen für die beiden geplanten Neubauten. „Selbst wenn es am Schluss 110 Millionen sind, stehen wir noch sehr gut da“, meint er im Vergleich zu anderen Landkreisen, zum Beispiel der
Kreis Konstanz. Am nördlichen Stadtrand von Singen soll ein neues Klinikum entstehen. Kostenpunkt: mehr als 400 Millionen Euro.
Alle Bausteine für das Tuttlinger Vorhaben seien mit dem Sozialministerium des Landes besprochen, abgesegnet und für gut befunden worden. Dennoch ist klar, dass jeweils eine Finanzierungslücke bei Kreis und Klinikum bleibt.
Wie stellt sich die Beteiligung von Kreis und Klinikum dar?
Der Kreis Tuttlingen hat Rücklagen, die sind vergangenes Jahr genutzt worden, um den Schuldenstand von 40 auf 20 Millionen Euro zu reduzieren. „Dadurch haben wir Spielräume im investiven Bereich bekommen“, sagt Bär. Klar ist: Auch die Kreditaufnahme, die das Klinikum tätigen muss, schlägt sich im Kreishaushalt nieder. Zinsen, Tilgung und Schuldendienst fließen in das jährliche Defizit ein.
Die Abrechnung des Klinikums für das Jahr 2023 liegt erst im Juni vor, Bär geht von einem Defizit im niedrigen, einstelligen Millionenbereich aus, die der Landkreis abdecken wird. Dieses Defizit wird durch die Baumaßnahmen künftig höher ausfallen. Dazu kommt, dass der Kreishaushalt im laufenden Betrieb seit einigen Jahren Defizite einfährt. Der Landrat verweist auf den einzigen Spielraum, den der Kreis hat, um höhere Ausgaben zu bekommen: die Kreisumlage. Über eine Erhöhung entscheidet der Kreistag.
Wie sieht die Lösung für das Personalwohnheim aus?
Langfristig kann das Hochhaus neben der Klinik nicht mehr belegt werden. Bär: „Dieses Jahr sollte die Grundsatzentscheidung fallen, wo der Standort für das neue Personalwohnheim sein wird.“Aus seiner Sicht habe das Gelände des Alten Landratsamts in der Alleenstraße eine gewisse Präferenz. Die Immobilie gehört nach wie vor dem Land, die Stadt Tuttlingen will sie kaufen. Stadt und Kreis seien dazu in Gesprächen. Und es gibt noch Bereiche rund ums Klinikum, die in Frage kommen könnten.
Wie auch immer: Ein Investor soll das Gebäude errichten, das Klinikum wäre langfristig Mieter. Bär: „Das setzt aber voraus, dass wir einen Investor finden“, sagt er mit Blick auf die schwierige Situation in der Baubranche.
Welche Chancen hat der Klinikstandort Tuttlingen?
Trotz der „extrem widrigen Rahmenbedingungen“und der „maximalen Verwirrung“, so Bär, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Plänen für seine Krankenhausreform gestiftet habe, habe sich das Krankenhaus Landkreis Tuttlingen gut entwickelt. Auch die Verjüngung der Ärzteschaft nach dem Ausscheiden vieler Kollegen sei gelungen.
Der Standort werde intensiv genutzt. Bär: „Wir wollen noch in diesem Jahr einen fünften OPSaal bauen.“Die Nachfrage sei da, deshalb sollen die Kapazitäten deutlich aufgestockt werden.
Sein Wunsch ist eine dauerhafte Unterstützung durch das Land im investiven Bereich sowie eine Nachbesserung in der Finanzierung des laufenden Betriebes durch die Krankenkassen.
Er sieht das Klinikum für den Landkreis und teilweise auch darüber hinaus als unverzichtbar an. In Teilen als Wettbewerber zu anderen Einrichtungen im Umkreis, immer aber als Teil des Gesundheitssystems. Und er fragt: „Wer sollte diese Leistungen erbringen, wenn es uns nicht gibt?“