„Heimat ist da, wo du dazugehörst und gebraucht wirst“
Claudia Roth Die Krumbacher Rotarier haben die Bundespolitikerin als Mitglied aufgenommen. Sie sprach über ihre Wurzeln in der Region, über Hetze im Internet und gelingende Integration
Landkreis Die Krumbacher Rotarier hatten am Donnerstagabend ein besonderes Treffen im Gasthof Munding. Als 35. Mitglied wurde die aus Babenhausen stammende Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth in die Gemeinschaft aufgenommen. Mit elf Frauen komme der Club nun auf eine Frauenquote von 31,4 Prozent. „Ich glaube, darauf können wir stolz sein“, sagte Club-Präsident Michael Hösle und verwies als kleinen Seitenhieb darauf, dass es im Distrikt noch immer Clubs gebe, die keine Frauen aufnehmen. Hösles Vorgänger, Karl-Heinz Rogg, erinnerte sich an ein großes Treffen der Rotarier vergangenes Jahr in Augsburg, wo Roth als Gastrednerin geladen war. Die Grünen-Politikerin habe ihm damals versichert, sollte sie jemals den Rotariern beitreten, dann nur ihrem Heimatclub. Wie ein „Terrier“sei Roths Freundin und Clubsekretärin Erna ThalhoferWardak ihr an den Fersen geklebt und habe sie letztendlich überzeugen können, den Krumbachern beizutreten. „Ich hoffe und wünsche mir, dass wir Sie trotz Ihres großen Engagements auch ab und zu in un- serer Heimat begrüßen dürfen“, gab ihr Rogg mit auf den Weg.
Inzwischen seien die Rahmenbedingungen gut, häufiger zu kommen, sagte Roth. An den Rotariern in Krumbach schätze sie, dass sie sich mit ihren Themen am Puls der Zeit bewegten, und ganz besonders die „Fähigkeit zur demokratischen Kontroverse“. Die Mitglieder in Krumbach stellten sich den Herausforderungen der Zeit und den großen Fragen der Integration und trügen so zu einer starken Zivilgesellschaft bei. Der Club sei wie eine große Familie mit einem „Zusammenhalt, auf den man sich verlassen kann“. Heimat sei für sie „da, wo du dazugehörst und gebraucht wirst“. Dies sei umso wichtiger, je älter man wird, sagte Roth. In Babenhausen und Krumbach lebten ihre Schwestern und Freunde. „Das ist die wirkliche Heimat.“Sehr gerne erinnert sie sich an ihre Schulzeit am Krumbacher Simpert-KraemerGymnasium zurück. „Ich bin wirklich furchtbar gern in diese Schule gegangen“, erklärte sie. Die Lehrer dort hätten sie für das weitere Leben sehr geprägt, sie motiviert Verantwortung zu übernehmen gegenüber der deutschen Geschichte, sich ein- zumischen und sich für andere einzusetzen.
Was ihr zunehmend Sorge bereitet, ist der Hass, der Asylbewerbern, Ausländern und auch ihr persönlich gegenüber geäußert wird. In immer drastischeren Worten. Vor allem im Internet tobe der Mob, der unverhohlen fordert, Roth solle wahlweise an die Wand gestellt oder vergewaltigt werden. Die örtliche AfD in Rosenheim habe dazu aufgerufen, eine Veranstaltung zu sprengen, wo Roth als Gastrednerin auftrat. Die Beschimpfungen seien im Vorfeld so bedrohlich gewesen, dass das Bundeskriminalamt der Politikerin Polizeischutz anordnete. Einer habe unter Angabe seines Namens geschrieben, wer zu der Veranstaltung gehe, solle ’Gas geben’. Auch Menschen mit Behinderung hätten inzwischen Angst, weil zunehmend auch Äußerungen über ’unwertes Leben’ die Runde machten. „Es braucht den lauten Widerstand der Zivilgesellschaft“, forderte Roth. „Alle die Herz und Hirn haben, müssen dagegen aufstehen.“Aber auch im Internet müsse etwas passieren. Plattformen wie Facebook müssten der Verbreitung rechter Hetze wesentlich entschiedener Einhalt gebieten, als das bisher geschehen ist. Es bestehe die große Gefahr, dass die Menschen irgendwann „aus dem Internet rausgehen“und ihren Hass und ihre Gewaltfantasien auf die Straße tragen.
„Ich schenke denen nicht meine Angst“, gab sich Roth kämpferisch. Räumte aber auch ein, dass „das nicht einfach so an einem vorbei geht“. Sie forderte die Parteien auf, verbal abzurüsten und auf Populismus und Vorschläge zu verzichten, die die Wut zusätzlich anheizen – etwa Wolfgang Schäubles Anregung, eine Benzinsteuer zur finanziellen Bewältigung des Flüchtlingsstroms zu erheben. Man müsse den Bürgern erklären, warum die Menschen zu uns kommen. Die Politik müsse aber auch die Rahmenbedingungen für eine „Willkommensinfrastruktur“schaffen und dafür sorgen, dass dies nicht zum Nachteil der sozial Schwachen gerät. Noch nie haben sich so viele Menschen ehrenamtlich für Flüchtlinge engagiert, sagte Roth. Diese Menschen bräuchten Anerkennung und Dank, auch finanziell. Über alledem dürfe nie vergessen werden, dass die Flüchtlinge und Migranten Menschen sind. Politik