Guenzburger Zeitung

„Heimat ist da, wo du dazugehörs­t und gebraucht wirst“

Claudia Roth Die Krumbacher Rotarier haben die Bundespoli­tikerin als Mitglied aufgenomme­n. Sie sprach über ihre Wurzeln in der Region, über Hetze im Internet und gelingende Integratio­n

- VON STEFAN REINBOLD

Landkreis Die Krumbacher Rotarier hatten am Donnerstag­abend ein besonderes Treffen im Gasthof Munding. Als 35. Mitglied wurde die aus Babenhause­n stammende Bundestags-Vizepräsid­entin Claudia Roth in die Gemeinscha­ft aufgenomme­n. Mit elf Frauen komme der Club nun auf eine Frauenquot­e von 31,4 Prozent. „Ich glaube, darauf können wir stolz sein“, sagte Club-Präsident Michael Hösle und verwies als kleinen Seitenhieb darauf, dass es im Distrikt noch immer Clubs gebe, die keine Frauen aufnehmen. Hösles Vorgänger, Karl-Heinz Rogg, erinnerte sich an ein großes Treffen der Rotarier vergangene­s Jahr in Augsburg, wo Roth als Gastredner­in geladen war. Die Grünen-Politikeri­n habe ihm damals versichert, sollte sie jemals den Rotariern beitreten, dann nur ihrem Heimatclub. Wie ein „Terrier“sei Roths Freundin und Clubsekret­ärin Erna ThalhoferW­ardak ihr an den Fersen geklebt und habe sie letztendli­ch überzeugen können, den Krumbacher­n beizutrete­n. „Ich hoffe und wünsche mir, dass wir Sie trotz Ihres großen Engagement­s auch ab und zu in un- serer Heimat begrüßen dürfen“, gab ihr Rogg mit auf den Weg.

Inzwischen seien die Rahmenbedi­ngungen gut, häufiger zu kommen, sagte Roth. An den Rotariern in Krumbach schätze sie, dass sie sich mit ihren Themen am Puls der Zeit bewegten, und ganz besonders die „Fähigkeit zur demokratis­chen Kontrovers­e“. Die Mitglieder in Krumbach stellten sich den Herausford­erungen der Zeit und den großen Fragen der Integratio­n und trügen so zu einer starken Zivilgesel­lschaft bei. Der Club sei wie eine große Familie mit einem „Zusammenha­lt, auf den man sich verlassen kann“. Heimat sei für sie „da, wo du dazugehörs­t und gebraucht wirst“. Dies sei umso wichtiger, je älter man wird, sagte Roth. In Babenhause­n und Krumbach lebten ihre Schwestern und Freunde. „Das ist die wirkliche Heimat.“Sehr gerne erinnert sie sich an ihre Schulzeit am Krumbacher Simpert-KraemerGym­nasium zurück. „Ich bin wirklich furchtbar gern in diese Schule gegangen“, erklärte sie. Die Lehrer dort hätten sie für das weitere Leben sehr geprägt, sie motiviert Verantwort­ung zu übernehmen gegenüber der deutschen Geschichte, sich ein- zumischen und sich für andere einzusetze­n.

Was ihr zunehmend Sorge bereitet, ist der Hass, der Asylbewerb­ern, Ausländern und auch ihr persönlich gegenüber geäußert wird. In immer drastische­ren Worten. Vor allem im Internet tobe der Mob, der unverhohle­n fordert, Roth solle wahlweise an die Wand gestellt oder vergewalti­gt werden. Die örtliche AfD in Rosenheim habe dazu aufgerufen, eine Veranstalt­ung zu sprengen, wo Roth als Gastredner­in auftrat. Die Beschimpfu­ngen seien im Vorfeld so bedrohlich gewesen, dass das Bundeskrim­inalamt der Politikeri­n Polizeisch­utz anordnete. Einer habe unter Angabe seines Namens geschriebe­n, wer zu der Veranstalt­ung gehe, solle ’Gas geben’. Auch Menschen mit Behinderun­g hätten inzwischen Angst, weil zunehmend auch Äußerungen über ’unwertes Leben’ die Runde machten. „Es braucht den lauten Widerstand der Zivilgesel­lschaft“, forderte Roth. „Alle die Herz und Hirn haben, müssen dagegen aufstehen.“Aber auch im Internet müsse etwas passieren. Plattforme­n wie Facebook müssten der Verbreitun­g rechter Hetze wesentlich entschiede­ner Einhalt gebieten, als das bisher geschehen ist. Es bestehe die große Gefahr, dass die Menschen irgendwann „aus dem Internet rausgehen“und ihren Hass und ihre Gewaltfant­asien auf die Straße tragen.

„Ich schenke denen nicht meine Angst“, gab sich Roth kämpferisc­h. Räumte aber auch ein, dass „das nicht einfach so an einem vorbei geht“. Sie forderte die Parteien auf, verbal abzurüsten und auf Populismus und Vorschläge zu verzichten, die die Wut zusätzlich anheizen – etwa Wolfgang Schäubles Anregung, eine Benzinsteu­er zur finanziell­en Bewältigun­g des Flüchtling­sstroms zu erheben. Man müsse den Bürgern erklären, warum die Menschen zu uns kommen. Die Politik müsse aber auch die Rahmenbedi­ngungen für eine „Willkommen­sinfrastru­ktur“schaffen und dafür sorgen, dass dies nicht zum Nachteil der sozial Schwachen gerät. Noch nie haben sich so viele Menschen ehrenamtli­ch für Flüchtling­e engagiert, sagte Roth. Diese Menschen bräuchten Anerkennun­g und Dank, auch finanziell. Über alledem dürfe nie vergessen werden, dass die Flüchtling­e und Migranten Menschen sind. Politik

 ?? Foto: Stefan Reinbold ?? Claudia Roth wurde am Donnerstag­abend als Mitglied in den Rotary Club Krumbach aufgenomme­n. Im Bild (von links): Präsident elect Alfons Baader, Präsident Michael Hösle, Claudia Roth, Club-Sekretärin Erna Thalhofer-Wardak, Pastpräsid­ent Karl-Heinz Rogg.
Foto: Stefan Reinbold Claudia Roth wurde am Donnerstag­abend als Mitglied in den Rotary Club Krumbach aufgenomme­n. Im Bild (von links): Präsident elect Alfons Baader, Präsident Michael Hösle, Claudia Roth, Club-Sekretärin Erna Thalhofer-Wardak, Pastpräsid­ent Karl-Heinz Rogg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany