Seehofer: Wir müssen jetzt handeln
Flüchtlinge CSU-Chef will Krisengipfel der Koalition. Unabhängig von der Kooperation mit der Türkei fordert er nationale Maßnahmen. Klage gegen Berlin weiter aufgeschoben
München Nach der Vertagung des EU-Sondertreffens mit der Türkei zur Lösung der Flüchtlingskrise drängt CSU-Chef Horst Seehofer erneut massiv auf nationale Lösungen. Er fordert „zeitnah“ein Treffen der drei Parteivorsitzenden der Großen Koalition. „Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass hinreichend eigene Grenzkontrollen durchgeführt werden und ungehinderte Zuwanderung sich nicht fortsetzen kann“, sagte Seehofer gestern auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in München.
Das Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPDChef Sigmar Gabriel sei nötig, weil die Vereinbarungen der Koalition vom November nicht umgesetzt seien. Weder sei der Schutz der EUAußengrenzen gewährleistet noch die Funktionsfähigkeit der Hotspots im Mittelmeerraum gegeben. Dies sei bereits für Ende 2015 in Aussicht gestellt worden.
Seehofer äußerte ausdrücklich Verständnis dafür, dass das Treffen der EU mit dem türkischen Minis- terpräsidenten Ahmet Davutoglu „angesichts dieses barbarischen Anschlags“in Istanbul verschoben wurde. Er betonte jedoch, dass nationale Maßnahmen auch unabhängig von einer möglichen Vereinbarung mit der Türkei nötig seien, weil Flüchtlinge zunehmend über andere Routen nach Deutschland kämen – zum Beispiel über Frankreich, die Beneluxstaaten oder direkt nach Hamburg. Zudem müsse, sollte es zu einer Vereinbarung mit der Türkei kommen, sichergestellt werden, dass nicht nur Deutschland direkt von dort ein bestimmtes Kontingent von Flüchtlingen aufnehme. „Dieses Kontingent muss ein europäisches sein und kein rein deutsches“, sagte Seehofer. Und es müsse gewährleistet sein, dass „keine darüber hinausgehenden Flüchtlingsströme stattfinden“.
Ob und wann die Staatsregierung ihre angedrohte Verfassungsklage gegen die Bundesregierung einreicht, ließ der bayerische Ministerpräsident gestern erneut offen. Da- rüber werde erst am kommenden Dienstag das Kabinett in München beraten. Wie berichtet, muss bei dieser Klage unter Umständen eine Sechs-Monats-Frist beachtet werden. Bisher wurde als Start der Frist der 4. September angenommen, der Tag, an dem Kanzlerin Merkel entschied, Flüchtlinge aufzunehmen, die in Ungarn festsaßen. Nun heißt es, die Klage fuße auf einem „Notstand“, der auch erst einige Zeit später eingetreten sein könnte.
Für die Staatsregierung, die vor ihrer Entscheidung den für Anfang März geplanten EU-Sondergipfel abwarten will, bedeutet diese Situation ein Dilemma. Einerseits will die CSU offenkundig der CDU vor den Wahlen in drei Bundesländern am 13. März nicht wehtun. Andererseits wäre eine mehrfach angedrohte Klage, die an einer Frist scheitert, eine Blamage.
Seehofer begründete sein Zögern gestern auch mit „Anstandsgründen“. Er wolle erst die Antwort der Bundesregierung auf den Brief abwarten, den die Staatsregierung im Januar ans Kanzleramt geschickt hatte. Kommentar und Politik