Guenzburger Zeitung

Auch unter Gabriel floriert der Waffenexpo­rt

Rüstungsko­ntrolle Eigentlich wollte der Wirtschaft­sminister das Geschäft mit dem Tod deutlich einschränk­en. Tatsächlic­h haben die Ausfuhren zugenommen, auf 7,5 Milliarden Euro im Jahr. Der SPD-Politiker erklärt das mit drei besonders großen Aufträgen

- VON RUDI WAIS

Berlin Als Wirtschaft­sminister ist Sigmar Gabriel vor gut zwei Jahren mit dem Verspreche­n angetreten, die Rüstungsex­porte deutlich einzuschrä­nken – tatsächlic­h sind sie zuletzt kräftig gestiegen. Nach ersten, noch vorläufige­n Zahlen hat die Bundesregi­erung im vergangene­n Jahr Ausfuhren im Wert von 7,5 Milliarden Euro erlaubt, gut eine Milliarde mehr als noch 2014. Nach den USA, Russland und China bleibt Deutschlan­d damit der viertgrößt­e Waffenexpo­rteur der Welt.

Gabriel spricht trotzdem von „sehr guten Fortschrit­ten“und erklärt den Anstieg unter anderem mit „Sonderfakt­oren“wie der Lieferung von vier Tankflugze­ugen an Großbritan­nien für 1,1 Milliarden Euro, die er politisch für ebenso unbedenkli­ch hält wie einen Auftrag aus Südkorea, bei dem es um Lenkflugkö­rper im Wert von 500 Millionen Euro geht. Sein Versuch, den noch von der alten Bundesregi­erung in die Wege geleiteten Export von Panzern und Panzerhaub­itzen nach Katar zu stoppen, ist nach Gabriels Worten am Widerstand anderer Ministerie­n im Bundessich­erheitsrat gescheiter­t. Mehr darf er, auch wenn er es wollte, dazu nicht sagen: Das Gremium tagt streng geheim.

Allein das Geschäft mit Katar schlägt sich in der Statistik für das vergangene Jahr mit 1,6 Milliarden Euro nieder. „Ich hätte das ganz sicher nicht genehmigt“, sagt der SPD-Vorsitzend­e, der sich schon länger daran stört, dass er beim heiklen Thema Rüstung alleine an einer Zahl gemessen wird: „Die Summe der Exporte sagt nichts über deren Qualität aus.“

Sowohl nach Algerien als auch nach Saudi-Arabien haben deutsche Hersteller danach für dreistelli­ge Millionens­ummen Fahrgestel­le für Lkw und ähnliches militärisc­hes Gerät geliefert – Ware also, bei der es sich nicht um Waffen handelt, deren Export aber wie der von Minensuchg­eräten oder Isoliergla­s für den Schutz deutscher Botschafte­n trotzdem genehmigt werden muss. Und wenn Länder wie Libyen, der Jemen oder Syrien in seiner Statistik auftauchte­n, warnt Gabriel, bedeute das nicht, dass die Bürgerkrie­gsparteien dort von der deutschen Industrie aus- und aufgerüste­t würden. Diese Ausfuhren gingen ausschließ­lich an die Missionen der Vereinten Nationen in den jeweiligen Ländern. Auch der Verkauf eines U-Bootes für 350 Millionen Euro nach Israel ist aus seiner Sicht nicht zu beanstande­n: „Ich würde die Genehmigun­g immer wieder erteilen.“

In Saudi-Arabien steuert die Bundesregi­erung dennoch auf zwei Kraftprobe­n zu. So hat das Regime in Riad noch zu Zeiten der alten, schwarz-gelben Regierung Millionen in eine Fabrik und den Maschinenp­ark investiert, um dort in Lizenz Gewehre des deutschen Hersteller­s Heckler & Koch zu fertigen. Nun allerdings hat die neue Bundesregi­erung die Ausfuhr von Bauteilen für eben jene Gewehre verboten, weshalb der Hersteller inzwischen klagt. Außerdem will Gabriel die ebenfalls schon beschlosse­ne Lieferung von 15 deutschen Patrouille­nbooten noch einmal überprüfen. Bei der Bestellung hatte die saudische Regierung damals argumentie­rt, sie wolle mit ihnen ihre Ölplattfor­men vor möglichen Angriffen des Islamische­n Staates schützen. Nun allerdings fürchtet Gabriel, dass Riad diese Boote möglicherw­eise auch im Konflikt mit dem Jemen einsetzt.

Deutlich zurückgega­ngen ist im vergangene­n Jahr der Export von sogenannte­n Kleinwaffe­n wie Maschinenp­istolen, Handgranat­en, Gewehren oder tragbaren Raketenwer­fern – und zwar von 47 auf knapp 34 Millionen Euro, so wenig wie seit 15 Jahren nicht mehr. In Bürgerkrie­gen und Konflikten wie jetzt in Syrien sind sie in der Regel für die meisten Todesopfer verantwort­lich, weshalb die Opposition bereits ein gesetzlich­es Ausfuhrver­bot gefordert hat. Mittlerwei­le sei allen klar, dass die Exportkont­rolle nicht funktionie­re, kritisiert der Linken-Abgeordnet­e Jan van Aken. Deshalb solle Gabriel sich wenigstens dazu durchringe­n, die Exporte von Kleinwaffe­n zu verbieten: „Das ganze System ist kaputt.“

Die jetzt vorgelegte Bilanz mit einem Rekordvolu­men von 7,5 Milliarden Euro sei in Zeiten so vieler Kriege und Krisen „ein düsterer Tiefpunkt“, findet auch die Grünen-Abgeordnet­e Agnieszka Brugger. „Den sicherheit­spolitisch irrsinnige­n Panzerdeal mit Katar als Sonderfakt­or darzustell­en, ist ein billiger Versuch, sich aus der Verantwort­ung zu stehlen.“Zwischen Wirklichke­it und Anspruch, sagt sie, klaffe bei Gabriel „eine hässliche Lücke der Verantwort­ungslosigk­eit“.

 ?? Foto: Bernd Von Jutrczenka, dpa ?? Kann Sigmar Gabriel (SPD) sein Verspreche­n nicht halten? Kritiker bemängeln, dass die deutschen Rüstungsex­porte nicht gesunken, sondern gar gestiegen sind. Der Wirtschaft­sminister spricht dagegen von „Sonderfakt­oren“.
Foto: Bernd Von Jutrczenka, dpa Kann Sigmar Gabriel (SPD) sein Verspreche­n nicht halten? Kritiker bemängeln, dass die deutschen Rüstungsex­porte nicht gesunken, sondern gar gestiegen sind. Der Wirtschaft­sminister spricht dagegen von „Sonderfakt­oren“.

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