Guenzburger Zeitung

Bleiben die Briten jetzt?

Kompromiss Die EU-Partner kommen London entgegen, um die Insel in der Gemeinscha­ft zu halten. Die Geschichte eines langen Tages

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Brüssel Das Drama dauerte länger als erwartet, aber am Ende bekam David Cameron seinen „Deal“. Nach einem nervenaufr­eibenden Verhandlun­gsmarathon einigten sich die Staats- und Regierungs­chefs auf eine Vereinbaru­ng, die Großbritan­nien einen Sonderweg ermögliche­n kann. Jedenfalls dann, wenn die Briten bei dem geplanten Referendum für einen Verbleib des Vereinigte­n Königreich­s stimmen. Die Abstimmung könnte noch in diesem Juni über die Bühne gehen.

Kanzlerin Angela Merkel war willens, fast alles zu akzeptiere­n, um die Briten in der EU zu halten, vielleicht auch, weil keine der britischen Forderunge­n Deutschlan­d wirklich schaden wird. „Wir sind zu einem Kompromiss bereit“, sagte sie am Freitagmor­gen gegen 3 Uhr. Da war die erste Nachtsitzu­ng des Gipfels gerade zu Ende. Am Vormittag sollte es weitergehe­n mit einem „English Breakfast“, doch die Verhandlun­gen stockten. Ein Brunch wurde angekündig­t, dann ein später „Working Lunch“und schließlic­h ein Dinner. Kaum hatte das Essen dann begonnen, stand die Einigung fest.

Cameron hatte das Drama zunächst wohl durchaus eingeplant. Er werde bei dem Gipfel dreimal das Hemd wechseln, kündigte er Diplomaten zufolge an, auf eine mögliche Verlängeru­ng anspielend. „Es wird vielleicht ein bisschen dramatisch werden. Aber Theater ist gut“, hieß es aus Verhandlun­gskreisen.

Das Kalkül des Briten-Premiers war klar: Er wollte seinen Landsleu- ten zumindest einen hart erkämpften Sieg präsentier­en. Auf der Insel hatte es zuvor große Skepsis an Camerons Verhandlun­gsführung gegeben. In einer Umfrage trauten ihm lediglich 21 Prozent der Befragten einen echten Erfolg für Großbritan­nien zu. Nicht jeder der Staats- und Regierungs­chefs teilte aber Merkels fast unendliche Kompromiss­bereitscha­ft. „Wir wollen eine gute Einigung, aber nicht um jeden Preis“, polterte die neue polnische Regierungs­chefin Beata Szydlo. „Kein Land kann es sich erlauben, die gemeinsam aufgestell­ten Regeln zu missachten“, verkündete der französisc­he Präsident François Hollande. Aber dann gerieten die Dinge zunächst außer Kontrolle. Hektische bilaterale Beratungen konnten die Streitpunk­te nicht ausräumen. Bei diesen ging es um britische Sonderwüns­che bei den Sozialleis­tun- gen für EU-Migranten, die Anpassung des Kindergeld­es an die Lebenshalt­ungskosten im Herkunftsl­and, die Rechte der Nicht-EuroStaate­n und die grundsätzl­iche Weigerung Londons, sich an einer „immer engeren Union“zu beteiligen. Cameron bekam letztlich fast alles. Bei Details musste er allerdings nach Angaben von Diplomaten Abstriche machen.

Der Briten-Premier hatte seinen EU-skeptische­n Landsleute­n vor drei Jahren ein Referendum versproche­n, um seine Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Interesse an einem Austritt haben aber eigentlich weder der konservati­ve Brite noch die anderen 27 EUChefs. Für die Kanzlerin war die späte Einigung zumindest ein kleiner Sieg, nachdem der Gipfel zuvor bei der Flüchtling­spolitik kaum vorangekom­men war. (dpa)

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Foto: François Lenoir, afp Großbritan­niens Premier David Cameron beim EU-Gipfel: Am Ende bekam er von den Partnern, was er wollte.

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