Guenzburger Zeitung

Ingolstadt muss ans Eingemacht­e

Die Millionen von VW bleiben aus. Auf dem Sparkonto sind 350 Millionen Euro. Aber selbst die reichen nicht

- VON HARALD JUNG

Ingolstadt Die Situation ist beinahe grotesk: Einerseits meldet Audi jeden Monat nach wie vor neue Absatzreko­rde und investiert viele Millionen Euro in den weiteren Ausbau des Mutterstan­dortes; anderersei­ts ist die Stadt eben wegen Volkswagen und Audi jetzt in eine extrem schräge Finanzlage geraten.

Volkswagen überweist die Steuer für Audi nach Ingolstadt. Wie viel das ist, darüber gibt es mit Hinweis auf das Steuergehe­imnis keine offizielle­n Angaben. Aber es müssen in den vergangene­n Jahren jeweils gut über 50 Millionen Euro gewesen sein. Nach dem Abgasskand­al und der jüngsten Gewinnwarn­ung von Volkswagen steht nach den Angaben von Finanzbürg­ermeister Albert Wittmann aktuell fest, dass die Stadt bis mindestens 2017 gar keine Gewerbeste­uer von Volkswagen erhalten wird. Das reißt ein Riesenloch. Großprojek­te, wie die 100 Millionen Euro teure Generalsan­ierung des Stadttheat­ers oder das neue Museum für Konkrete Kunst und Design müssen voraussich­tlich verschoben werden.

Nicht angesetzt werden soll der Rotstift bei den dringendst­en Vorhaben, darunter fünf neue Schulen und zehn weitere Kindertage­sstät- ten. Die Anforderun­gen durch die massive Bevölkerun­gsentwickl­ung könnten sonst nicht erfüllt werden, sagt der Kämmerer.

Der Finanzbürg­ermeister geht jetzt ans Eingemacht­e und greift die Rücklagen an. Das sind immerhin 350 Millionen Euro. Doch selbst diese Summe wird laut Wittmann bald aufgebrauc­ht sein: Nur das aktuelle und das kommende Haushaltsj­ahr könnten damit finanziert werden. Danach müsse man wohl oder übel Kredite aufnehmen. Bis dato ist die Stadt schuldenfr­ei.

Die Balkendiag­ramme in den nun radikal abgeändert­en Finanzplan­ungspapier­en zeigen den Ernst der Lage auf einen Blick: Die Stadt erwartet in diesem Jahr demnach nur 70 Millionen Euro Gewerbeste­uer. 2015 waren es noch 110 Millionen, obwohl Volkswagen da im letzten Quartal schon nichts mehr überwiesen hat. Einen besseren Vergleich bietet der Blick auf die Jahre davor: 2014 flossen noch 197 Millionen Euro und in 2013 waren es gar 245 Millionen. Und jetzt lediglich 70 Millionen. „Schreiben sie bitte nicht mehr, dass Ingolstadt eine reiche Stadt ist – das ist nun Vergangenh­eit“, sagte Wittmann diese Woche vor den Medien.

Auch die Bürger werden es in ihrem Geldbeutel merken, dass die Millionen von Volkswagen ausbleiben: Alle Gebühren werden jetzt überprüft. Die Stadt hat über Jahre Kindergärt­en, Musikschul­en und Vereine mit viel Steuergeld unterstütz­t. Das soll nun Vergangenh­eit sein. Weil die Gebühren teils lange Zeit nicht angepasst wurden, sind in manchen Bereichen jetzt deutliche Sprünge nach oben nötig. Beispielsw­eise bei den Kindertage­sstätten, wo man die Sätze um durchschni­ttlich 16 Prozent anheben möchte. Das hat bereits einen Sturm von Elternprot­esten ausgelöst. Schwacher Trost: Die 33 000 Beschäftig­en von Audi verdienen nach wie vor überdurchs­chnittlich gut.

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