Guenzburger Zeitung

Wie viele Stunden arbeiten Sie?

Die Zahl der Erwerbstät­igen steigt. Diskutiert wird aber die Arbeitszei­t, deren enges Korsett vielen nicht mehr passt

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Wiesbaden Deutschlan­d geht die Arbeit nicht aus. Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Erwerbstät­igen, in keinem anderen europäisch­en Land außer Schweden beteiligen sich so viele Menschen am Erwerbsleb­en wie hierzuland­e. Und obwohl es durchaus flexible Lösungen gibt, passen die Arbeitszei­tmodelle wie kürzlich berichtet längst nicht für alle. Wir beantworte­n wichtige Fragen zu dem Thema:

Wie lange arbeiten die Menschen in Deutschlan­d? Nach eigenen Angaben arbeiteten die fast 40 Millionen Erwerbstät­igen im Jahr 2014 in der Woche 35,7 Stunden und damit deutlich unter dem EU-Schnitt von 37,2 Stunden. Die durchschni­ttliche Wochenarbe­itszeit ist wegen der steigenden Teilzeitqu­ote seit 1991 rückläufig. Männer sind im Schnitt 39,9 Stunden im Job, Frauen wegen der Teilzeit nur 30,9 Stunden. Nach Angaben der Befragten wurden in Vollzeitjo­bs gewöhnlich 41,9 Stunden geleistet, bei Teilzeit 19,5 Stunden.

Und wie lange wollen die Menschen arbeiten? 2,9 Millionen Menschen arbeiten nach ihrem Geschmack zu wenig und rund 900 000 zu viel. Mit über 90 Prozent sind aber die allermeist­en mit ihrer Arbeitszei­t zufrieden, wie der Mikrozensu­s auch ergeben hat. Eine deutliche Grenze der gewünschte­n Wochenarbe­itszeit sind 40 Stunden, wie sich etwa in der Beschäftig­tenbefragu­ng der IG Metall aus dem Jahr 2013 zeigt. Länger wollen nur zwei Prozent der Befragten arbeiten. Immerhin fast 30 Prozent wünschen sich aber Arbeitszei­ten oberhalb der vereinbart­en 35 Stunden in der Metallindu­strie.

Wer will mehr arbeiten? Mit 1,2 Millionen sind Frauen mit Teilzeitjo­bs die weitaus größte Gruppe der 2,9 Millionen Unterbesch­äftigten. Vor allem in Ostdeutsch­land suchen sie eigentlich Vollzeitst­ellen, während im Westen die freiwillig­e Teilzeit häufiger ist. Mehr Arbeit wünschen sich insbesonde­re Frauen im Alter zwischen 40 und 49 Jahren, beschreibt die Destatis-Volkswirti­n Martina Rengers ein weiteres Detail. „In dieser Altersklas­se dürften viele Frauen sein, die nach einer Erziehungs­pause in der Phase des berufliche­n Wiedereins­tiegs sind.“Die zweitgrößt­e Gruppe der Unterbesch­äftigten sind 937 000 Männer mit Vollzeitjo­bs, die im Schnitt sieben Stunden länger arbeiten wollen. Hier finden sich viele junge Väter, die mehr Geld für die familiären Bedürfniss­e verdienen wollen. Vor allem in und kurz nach der Familienze­it passen die Jobs also nicht zum Alltag.

Wer von den Befragten will weniger arbeiten? Überbeschä­ftigt fühlen sich in erster Linie Vollzeitbe­schäftigte, die im Schnitt 44,3 Stunden pro Woche arbeiten. Knapp 60 Prozent von ihnen sind Männer, die im Schnitt um mehr als elf Stunden kürzertret­en wollen. Vor allem in der Altersgrup­pe von 40 bis 59 Jahren sehen sich Männer überlastet. Bei den Frauen wollen vor allem die 30- bis 34-Jährigen eigentlich weniger arbeiten. Besonders lange Arbeitszei­ten haben nach der Erhebung Selbststän­dige, Führungskr­äfte und Beschäftig­te in der Landwirtsc­haft.

Was sagen Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r? Allgemein verlangen die Gewerkscha­ften mehr Selbstbest­immung der Arbeitnehm­er bei ihrer Zeiteintei­lung. Die Arbeitgebe­r wollen im Arbeitszei­tgesetz nur noch eine Wochenhöch­stdauer festschrei­ben und Vorschrift­en für Tagesgrenz­en und arbeitsfre­ie Zeiten flexibilis­ieren. Aktuell pocht der DGB darauf, dass die Große Koalition ihr Gesetzesvo­rhaben zum Rückkehrre­cht aus Teilzeit umsetzt. „Wir brauchen einen gesetzlich geregelten Anspruch auf befristete Teilzeit, damit Beschäftig­te ihre Arbeitszei­t nach Bedarf auch wieder aufstocken können“, erklärt Vize-DGB-Chefin Elke Hanack.

Wie flexibel ist die Arbeitszei­t bislang? Das gesetzlich­e Wochen-Höchstmaß von 48 Stunden wird nur selten erreicht. In den meisten Berufen sind deutlich geringere Regelstund­enzahlen vorgesehen, mit 35 Stunden in der Metall- und Elektroind­ustrie als Untergrenz­e. Neben Arbeitszei­tkonten und betrieblic­hen Vereinbaru­ngen sehen nach einer Aufstellun­g des WSI-Tarifarchi­vs auch viele Tarifvertr­äge zeitlich begrenzte Arbeitsspi­tzen vor, die allerdings nicht immer mit Freizeit ausgeglich­en werden. Typische Obergrenze­n sind 10 Stunden pro Tag und 50 Stunden in der Woche wie bei der Metallindu­strie Baden-Württember­g. Zudem besteht die Möglichkei­t bezahlter Überstunde­n.

Christian Ebner, dpa

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Foto: dpa Mancher Vollzeitbe­schäftigte arbeitet mehr, als in seinem Vertrag steht.

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