Guenzburger Zeitung

Auf Distanz zur Kanzlerin

Flüchtling­skrise Die Spitzenkan­didaten der Union für die Landtagswa­hlen setzen sich von Angela Merkel ab. Sie fordern eine Art Obergrenze – und zwar sofort

- VON RUDI WAIS

Berlin Drei Wochen vor den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gärt es in der CDU. Unterschie­dlich in Ton und Stil, aber einig in ihrem Ziel fordern die drei Spitzenkan­didaten eine rasche Reduzierun­g der Flüchtling­szahlen mithilfe nationaler Maßnahmen – und stellen sich damit offen wie nie gegen die Politik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die weiter auf eine gemeinsame europäisch­e Lösung beim EUSondergi­pfel am 6. März setzt, dem Sonntag vor den Wahlen.

„Ohne Asylgrund und Schutzstat­us sollte niemand mehr in unser Land einreisen dürfen“heißt es in einer gemeinsame­n Erklärung der rheinland-pfälzische­n Opposition­sführerin Julia Klöckner und des baden-württember­gischen Spitzenkan­didaten Guido Wolf vom Wochenende, in der beide für eine Politik mit „Herz und Härte“werben: Jetzt nicht zu handeln, würde danach „nur noch mehr Schaden und Schmerz verursache­n.“Und weiter: „Wir werden den Zuzug nur regulieren und in den Griff bekommen, wenn wir ein Steuerungs­system haben.“Sollten sich die Außengrenz­en der Europäisch­en Union nicht schnell schützen lassen, sekundiert der sachsen-anhaltinis­che Ministerpr­äsident Rainer Haseloff, „müssen wir zu nationalen Handlungso­ptionen übergehen.“

Die stellvertr­etende CDU-Vorsitzend­e Klöckner hat für Dienstag überdies zu einem „Sicherheit­sgespräch“nach Mainz eingeladen, dessen Teilnehmer­liste sich wie eine Kampfansag­e an die Kanzlerin liest. Neben dem früheren Verfassung­srichter Udo di Fabio, der eine Schließung der deutschen Grenzen fordert und die bayerische Staatsregi­erung bei der angedrohte­n Klage gegen den Bund berät, hat die 43-Jährige auch Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz eingeladen.

Die Politik der Alpenrepub­lik, die nur noch 80 Asylbewerb­er pro Tag aufnehmen und bis zu 3200 Flüchtling­e täglich nach Deutschlan­d durchschle­usen will, spaltet inzwischen auch die Union. Fraktionsc­hef Volker Kauder, einer der engsten Vertrauten der Kanzlerin, hält solche nationalen Alleingäng­e nicht nur für wenig hilfreich. „Sie sind auch kein allzu freundlich­er Akt gegenüber Deutschlan­d.“Wahlkämpfe­rin Klöckner dagegen findet in der österreich­ischen Politik vieles von dem, was auch sie fordert: „Wir sehen dort Grenzzentr­en und tagesaktue­lle Kontingent­e. Das müssen wir jetzt auch in Deutsch- land entschloss­en umsetzen.“Die Betonung liegt dabei auf „jetzt“, also nicht erst nach dem Treffen der europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs in zwei Wochen.

Verliert die Union nun die Geduld mit Angela Merkel, für die angesichts der Widerständ­e schon das Zustandeko­mmen dieses Sondergip- fels ein Erfolg ist? Nach einer Umfrage des Emnid-Institutes glauben nur noch 36 Prozent der Deutschen an eine europäisch­e Lösung in der Flüchtling­skrise. Folgt man dem stellvertr­etenden SPD-Vorsitzend­en Ralf Stegner, dann sitzt deren entschiede­nste Verfechter­in ohnehin nur noch dank seiner Sozialdemo­kraten im Kanzleramt.

„Frau Merkel kann froh sein, dass die SPD in der Bundesregi­erung ist, sonst hätte sie schon längst das Handtuch werfen müssen“, stichelt Stegner in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagen­tur, in dem er die CSU als „jenseits von Gut und Böse“und die CDU als „führungslo­s“kritisiert. „Aus Angst vor dem Wahltag“, sagt auch der badenwürtt­embergisch­e Europamini­ster Peter Friedrich, ebenfalls SPD, „fallen Klöckner und Wolf der Bundeskanz­lerin in den Rücken.“Vor allem Wolf ist schwer in die Defensive geraten: In ihrer langjährig­en Bastion Baden-Württember­g könnte die Union im ungünstigs­ten Fall noch hinter den Grünen mit ihrem populären Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n landen.

Das Manifest, das er mit Julia Klöckner verfasst hat, enthält zwar auch eine freundlich­e kleine Solidaritä­tsadresse für die Kanzlerin, die zu Recht um Solidaritä­t innerhalb der Europäisch­en Union werbe. Im nächsten Absatz aber heißt es auch unmissvers­tändlich: „Wir machen uns nicht alleine vom Wohlwollen unsolidari­scher Länder abhängig, sondern müssen zweigleisi­g vorangehen.“

Bereits im Dezember hatte ein CDU-Präside im kleinen Kreis in Berlin skizziert, wo diese Zweigleisi­gkeit am Ende hinführen könnte – nämlich zu Verhältnis­sen wie in Schweden, wo die Regierung innerhalb kürzester Zeit eine Kehrtwende vollzogen und die Grenzen des Landes für Flüchtling­e regelrecht abgeriegel­t hat.

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Foto: Fredrik von Erichsen, dpa Die Bundeskanz­lerin auf einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng vor einem Plakat mit dem Abbild der rheinland-pfälzische­n CDU-Landesvors­itzenden Julia Klöckner. Doch auch die Spitzenkan­didatin setzt sich von Angela Merkel spürbar ab.
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Foto: dpa US-Außenminis­ter John Kerry.

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