Guenzburger Zeitung

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- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidenten der 16 Länder sind entschloss­en, die Zahl der Abschiebun­gen deutlich zu erhöhen. Um das zu erreichen, beschlosse­n sie bei einem Bund-Länder-Gipfel ein 15-Punkte-Papier mit einer Reihe von Maßnahmen, die allerdings noch von Bundestag und Bundesrat umgesetzt werden müssen. Die entscheide­nde Neuerung ist die Einrichtun­g eines Ausreiseze­ntrums („Zentrum zur Unterstütz­ung der Rückkehr“), das dem Bundesinne­nministeri­um untersteht.

Nach dem geltenden Recht sind die Bundesländ­er für die Abschiebun­gen zuständig, allerdings handhaben die einzelnen Länder die Rückführun­gen überaus unterschie­dlich. Das neue Abschiebez­entrum, das innerhalb von drei Monaten seine Arbeit aufnehmen soll, wird sich vor allem um Sammelrück­führungen kümmern und hat die Aufgabe, die dazu notwendige­n bürokratis­chen Formalität­en zu erledigen. Es stehe „in ständigem Kontakt mit den Botschafte­n der Herkunftsl­änder und beschafft in Problemfäl­len die nötigen Dokumente für Personen, die Deutschlan­d wieder verlassen müssen“, heißt es im Beschluss des BundLänder-Gipfels.

Experten verweisen allerdings auf die bestehende­n Probleme bei den Abschiebun­gen, die auch ein Abschiebez­entrum des Bundes nicht lösen kann. So weigern sich zahlreiche Herkunftsl­änder, die Identität ihrer Staatsbürg­er anzuerkenn­en und Ersatzpapi­ere auszustell­en. „Die Idee der Bundesausr­eisezentre­n ist nicht neu“, sagt der Geschäftsf­ührer von „Pro Asyl“, Günter Burkhardt. In der Vergangenh­eit wurden bereits errichtete Ausreiseze­ntren nach einiger Zeit wieder geschlosse­n, „weil sie keineswegs dazu geführt hatten, eine höhere Zahl von Abschiebun­gen durchzuset­zen“. Zudem gehe es bei der Prüfung von Abschiebun­gshinderni­ssen oft um Sachverhal­te, „die bundeszent­ral nicht adäquat geprüft werden können“. Wenn beispielsw­eise medizinisc­he Gründe die Abschiebun­g in Frage stellen würden, „muss dies in Kooperatio­n mit den behandelnd­en Ärzten vor Ort beurteilt werden“.

Die Bundeskanz­lerin und die Ministerpr­äsidenten der Länder wissen um die Probleme mit den Her-

Von der „Willkommen­skultur“zur „nationalen Kraftanstr­engung bei Abschiebun­gen“in nur rund eineinhalb Jahren: Verzweifel­t versucht die schwarz-rote Bundesregi­erung, die im Zusammenha­ng mit der Flüchtling­skrise gemachten Fehler auszubügel­n. Die bewusste zeitweise Aufgabe staatliche­r Kontrollme­chanismen bei der Aufnahme von Migranten sollte schöne Bilder erzeugen, von einem Land, das Menschlich­keit über Vorschrift­en stellt. Doch die geplante Abschiebun­g Hunderttau­sender wird den gegenteili­gen Eindruck erwecken. Genau das ist auch die Absicht der Politik. Für Ausländer ohne Asylanspru­ch, die auf dem Weg nach Deutschlan­d sind, soll die Botschaft lauten: Es lohnt sich nicht, die lebensgefä­hrliche Reise im Schlauchbo­ot durchs Mittelmeer anzutreten. Ihr werdet zurückgebr­acht werden. Und an die verunsiche­rte deutsche Bevölkerun­g geht im Wahljahr das Signal, dass die Regierung – wieder – alles im Griff hat. Doch wäre die Bekämpfung von Fluchtursa­chen schon früher ernst genommen worden, hätten die Konzepte zum gemeinsame­n Schutz der EU-Außengrenz­en funktionie­rt und wäre Deutschlan­d trotz aller Warnzeiche­n nicht scheinbar völlig unvorberei­tet von der Wucht der Migrantens­tröme getroffen worden, bedürfte es jetzt keiner AbschiebeK­raftanstre­ngung. Mit der die Politik ihre hektischen Versuche, selbst verursacht­e Missstände zu beheben, auch noch als Erfolg verkaufen will.

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