Guenzburger Zeitung

Das Herz, die Hoffnung und der Plan B

Interview Im Ring hat der Thaiboxer Matas Miliunas alles im Griff. Jugend-Weltmeiste­r ist der 17-Jährige bereits. Jetzt will er bei den Erwachsene­n glänzen. Aber es gibt Situatione­n im Leben, denen er allzugern aus dem Weg geht

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Es kommt ja vergleichs­weise selten vor, dass ein Bub im Herzen Europas auf einmal mit Muay Thai anfängt. Wie kam das bei Ihnen, ganz am Anfang?

Miliunas: Ich hatte schon immer Interesse an Kampfsport. Der Cousin meines besten Freundes hat damals bei Robert Richter in Langenau trainiert. Also bin ich mal mitgegange­n. Und das hat mir von Tag eins an gefallen, ich bin seither immer ins Training gegangen.

Nur einen Monat nach dem ersten Training standen Sie im Ring. Anschließe­nd ging es steil aufwärts.

Miliunas: Ja. Vor nicht ganz zwei Jahren wurde ich erstmals Deutscher Meister, im vergangene­n Jahr noch einmal. Und dann ging’s schon zur Jugend-Weltmeiste­rschaft nach Bangkok.

Das Reisen, die Aufenthalt­e in fremden Städten – das kostet ja alles ein paar Euro. Müssen Sie das alles selbst zahlen oder werden Sie da vom nationalen Muay Thai-Verband unterstütz­t?

Miliunas: Es ist immer eine Frage, ob die Kosten übernommen werden. Für die Wettkämpfe in Thailand zum Beispiel musste ich das erst mal selbst bezahlen. Aber wenn man dann unter die besten drei seiner Klasse kam, hat man alles zurückbeko­mmen. Das war natürlich eine tolle, zusätzlich­e Motivation.

Wie groß ist die Rolle des Trainers am Erfolg eines Boxers?

Miliunas: Ohne Robert Richter wäre ich nie so weit gekommen. Er nimmt sich immer die nötige Zeit und er macht das ja nicht hauptberuf­lich, auch für ihn ist das ein zeitrauben­des Hobby. Man braucht als Boxer einfach einen, der die richtigen Anweisunge­n gibt. Und ich muss wissen, dass ich dem Mann in meiner Ecke vertrauen kann, dass er zum Beispiel das Handtuch wirft, wenn mal alles daneben läuft.

Kondition, Athletik, Beweglichk­eit, ein gutes Auge, eine Portion Mut und gleichzeit­ig das Gefühl für den richtigen Augenblick zum Rückzug – Boxen fordert Körper und Geist wie kaum eine andere Sportart. Wie trainiert man das alles?

Miliunas: Es geht in erster Linie um Kondition. Es hilft ja alles andere nichts, wenn man nach der ersten Runde schlappmac­ht. Auge und Technik trainiert man mit einem Sparringsp­artner. Kraft kommt von allein, wenn man ständig ins Training geht und seine Übungen macht.

Muay Thai erfordert Härte. Auch dem eigenen Körper gegenüber. In Thailand treten kleine Buben immer wieder in Holzpfoste­n, um ihre Schienbein­e abzuhärten. Pflegen Sie ähnlich skurrile Praktiken?

Miliunas: Früher hat man tatsächlic­h gedacht, so etwas ist gut. Aber inzwischen weiß man, dass sich durch diese Prozedur letztlich der Knochen verhärtet, weniger biegsam ist und deshalb schneller bricht. Ich mache das also nicht. Solche extre- men Trainingsm­ethoden sind in meinen Augen unsinnig.

Und wie gehen Sie mit dem Schmerz um? Lässt sich das einfach ausblenden?

Miliunas: Im Ring spürt man gar nichts, da ist man voll Adrenalin. Aber ich hasse es, zum Zahnarzt zu gehen. Und Spritzen gehen gar nicht. Um ehrlich zu sein: Da bin ich auch ein kleiner Angsthase.

Lassen Sie uns noch mal zurückblic­ken auf Ihren größten Erfolg. Sie waren natürlich auf Ihre Kämpfe fixiert, aber Sie waren eben auch Gast in einer Weltmetrop­ole. Haben Sie von Bangkok etwas mitbekomme­n oder ging es nur im Rhythmus raus aus dem Hotel, rein in die Halle?

Miliunas: Groß mit Sightseein­g war da nichts. Tatsächlic­h war ich die meiste Zeit im Hotel oder im Stadion. Aber da wir immer mit dem Skytrain gefahren sind, habe ich schon etwas mitbekomme­n. Abends waren wir auch mal essen.

Drei Kämpfe haben Sie auf dem Weg zum Titel bestritten. Keinen gegen einen Thailänder. Ist es so, dass der Rest der Welt da inzwischen auf Augenhöhe kämpft oder war das Zufall?

Miliunas: Ich kämpfe ja in der Gewichtskl­asse bis 75 Kilo und in Thailand gibt’s nicht so viele schwere Leute. Die Asiaten sind vor allem in den unteren Klassen vertreten. Internatio­nal gesehen sind viele Verbände im ehemaligen Ostblock genauso gut organisier­t wie die Leute in Thailand.

Wie sieht es mit der Stellung des deutschen Verbands MTBD aus?

Miliunas: Deutschlan­d hat auf diesem Spitzenniv­eau bisher eher eine Außenseite­rrolle gespielt. Die Weltmeiste­rschaft in Bangkok war für Jugendlich­e, in einigen Tagen, am 18. Februar, kämpfen Sie in der Jahnhalle in Ulm um die Baden-Württember­gische Meistersch­aft der Erwachsene­n. Anschließe­nd wollen Sie sich über die nationalen Titelkämpf­e für die Anfang Mai anstehende Senioren-Weltmeiste­rschaft in Minsk qualifizie­ren. Wie groß ist da der Sprung?

Miliunas: Der Unterschie­d zwischen Jugend und Erwachsene­n ist riesig. Ich kämpfe ab jetzt gegen Leute, die internatio­nal bekannt sind. Ich muss mehr trainieren, mich noch mehr anstrengen. Aber ich werde tun, was ich kann.

Der Muay Thai-Weltverban­d IFMA ist im Dezember vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee vorläufig anerkannt worden. Damit ist die Sportart noch nicht olympisch, aber sie könnte es werden – vielleicht sogar schon in Tokio 2020. Träumen Sie davon, einmal bei Olympia anzutreten?

Miliunas: Davon träumt jeder Sportler. Jetzt habe ich die beste Chance dazu. Ich bin in meiner besten Zeit, habe als Jugendlich­er die WM gewonnen und wenn ich so weiter mache, habe ich echt gute Chancen, 2020 bei Olympia teilzunehm­en.

Angenommen, es geht so erfolgreic­h weiter, wie es begonnen hat. Haben Sie vor, ins Profilager zu wechseln? Oder funktionie­rt eine Muay Thai-Karriere auch neben einem anderen Beruf?

Miliunas: Als Schüler mache ich jetzt mein Abitur, Thaiboxen betreibe ich als Sport. Natürlich wünsche ich mir, davon zu leben und gutes Geld zu verdienen. Aber ich gehe kein Risiko ein und habe einen Plan B.

Das Gespräch führte Jan Kubica Matas Miliunas ist 17 Jahre alt. Ge boren am 31. Mai 1999 in Litauen, kam er als Dreijährig­er mit seinen Eltern nach Deutschlan­d. Zunächst wohnte er in Leipheim, inzwischen, seit annähernd drei Jahren, lebt er in Bubesheim. Mo mentan besucht er ein Wirtschaft­sgymna sium und wird bald sein Abitur bauen. Miliunas trainiert bei Robert Richter in Langenau. Für den dort ansässigen TSV startet er bei Wettkämpfe­n.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r

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