Guenzburger Zeitung

So lebt es sich als lustige Witwe

Interview Vor 20 Jahren wurden Martin Rassau und sein Bühnenpart­ner Volker Heißmann mit einem Auftritt als Waltraud und Mariechen in der TV-Prunksitzu­ng „Fastnacht in Franken“schlagarti­g bekannt. Wie alles begann

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Herr Rassau, wie halten Sie das alles bloß aus? Das ist mein Job. Dieser ganze Faschings-Wahnsinn!

Mein Bühnenpart­ner Volker Heißmann und ich treten gar nicht so oft an Fasching auf, wie viele immer meinen. Im Grunde sind es nur zwei Auftritte. Ich bin kein großer Jeck. Allerdings verkleide ich mich das ganze Jahr über und bin lustig. Das gehört zu meinem Beruf. Wissen Sie was? Manche laufen das ganze Jahr maskiert herum und merken es gar nicht.

Was war das erste Faschingsk­ostüm, das Sie als Kind trugen?

Ich war Gärtner. Dabei wollte ich lieber als Prinz gehen. Aber als Kind hat man da nicht viel Entscheidu­ngsfreihei­t. Ich bekam also eine grüne Schürze umgehängt und eine Gießkanne in die Hand.

Sie werden es verkraftet haben.

Mir ist kein Schaden geblieben. Ich freu’ mich heute noch über Blumen.

Wann kam die Verkleidun­g als lustige Witwe dazu?

Die Witwen haben wir uns 1992 ausgedacht. Volker und ich saßen immer in einem Café neben unserem damaligen Theater in Nürnberg – und da saßen die Originale. Die trafen sich da jede Woche und erzählten immer das Gleiche. Da dachten wir uns: Wir könnten doch zwei alte Frauen spielen, die im Café sitzen und Kuchen essen…

Sie wurden als die hochnäsige und lästernde „Waltraud“von „Waltraud und Mariechen“bundesweit bekannt.

Ja, und Waltrauds Kleider sind Dienstklei­der. Die kann ich beim Finanzamt abrechnen.

Schaut man Sie komisch an, wenn Sie sich im Geschäft Kleider kaufen? Zumal die ja auch nicht gerade der modisch letzte Schrei sind.

Die sind topmodisch, das möchte ich hier einmal betonen. Ich war immer Trendsette­r. Erst habe ich den Leoparden-Look populär gemacht, dann den Zebra-Look. Irgendwann kommt ein neues Tier dran.

Wie findet Ihre Großmutter die Waltraud?

Leider hat sie die Waltraud nicht mehr erlebt. Sie hätte sich sicher weggeschmi­ssen vor Lachen. Sie lebte in einem Seniorenhe­im in Fürth, und da wurde auch Fastnacht gefeiert. Da hat sie sich einmal eine einzelne Blume ins Haar gesteckt und gesagt: „Ich bin eine Jungfrau.“Sie gewann so den ersten Preis für ihr originelle­s Kostüm. Das Verkleiden liegt wohl in der Familie.

Wenn man derart lange eine Bühnenfigu­r spielt – denkt man da nicht irgendwann wie diese?

Nein. Ich spiele ja viele andere Figuren auch, die Waltraud ist davon nur die bekanntest­e. Wenn ich Bühnenfigu­ren so sehr verinnerli­chen die Sendung überhaupt nicht, als der Anruf kam, dass wir dort auftreten sollten. Es war heiß im Saal, wir haben geschwitzt wie blöd. Und wir hatten keine Vorstellun­g davon, was dieser Auftritt auslösen könnte. Als ich am nächsten Tag über die Straße lief, wurde ich von jedem Zweiten erkannt. Das gibt es so, glaube ich, gar nicht mehr.

„Jetz hat mir der Doktor letztens scho a Klistier verschrieb’n. Hob I erst ’dacht, des wär a Nasenspray.“Das war so einer von Waltrauds Witzen. Muss es an Fasching einfach deftig zugehen?

Gar nicht. Mir ging es auch um etwas anderes: Ich bin ja gelernter Pharma-Kaufmann, und Klistier und Nasenspray ähneln sich wirklich sehr. Waltraud ist älter, und als älterer Mensch verwechsel­t man nun mal leichter etwas. Heute ist eines unserer Themen, wie man sich durchs Internet kämpft, früher haben wir die Krankheite­n abgehandel­t. Gehen Sie mal zu einer Feier: Spätestens nach dem Essen kommt der Darm auf den Tisch, sagt man bei uns in Franken. Jeder fängt an, von seinen Krankheite­n zu erzählen. Was würde auf keinen Fall bei „Fastnacht in Franken“funktionie­ren?

Wenn man die Leute nicht zum Lachen bringen kann. Es ist ja schon dem ein oder anderen Kollegen passiert, dass etwas auf der Bühne nicht zündet, was bei den Proben witzig war. Der Horror! Das Publikum lässt einen das jahrelang spüren. Da sind die Leute nachtragen­d.

Wird der Fasching in diesem Jahr politische­r? Wie unsere Zeiten eben, die ßen vor Lachen, dann ertragen sie den ganzen Mist besser, den es auf der Welt gibt.

Wie ist es, in Veitshöchh­eim vor versammelt­er Polit-Prominenz aufzutrete­n?

Wir haben schon so viele bayerische Ministerpr­äsidenten überlebt – das ist uns mittlerwei­le wurscht. Außerdem ist es immer schön, wenn man einen guten Spruch hat, dem man dem Betreffend­en süffisant um die Ohren hauen kann.

„Fastnacht in Franken“feiert in diesem Jahr 30-Jähriges, Sie und Volker Heißmann sind seit 20 Jahren dabei – nicht nur als „Waltraud und Mariechen“, auch als Polizeibea­mte oder als „Prinz Charles und Queen Elizabeth“. Denken Sie manchmal ans Aufhören?

Solange uns die Leute sehen wollen, machen wir weiter. Wir haben hoffentlic­h noch ein paar Jahre auf der Bühne.

Mit welcher Nummer treten Sie dieses Jahr bei „Fastnacht in Franken“auf?

Wird nicht verraten. Sie könnten doch den Trump geben und Heißmann den Putin.

Oh nein, das möchten wir auf keinen Fall! Zwei Päpste, das wär’ doch mal eine Idee. Das wird man schließlic­h nicht mehr so lange machen können.

Interview: Daniel Wirsching

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Archivfoto: David Ebener, dpa

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