Guenzburger Zeitung

Die Überreste des Terrors

Geschichte Bei der Spurensuch­e nach dem Waldwerk Kuno gibt es noch immer mehr Fragen als Antworten. Verrostete Relikte erzählen von den erbärmlich­en Zuständen im KZ Burgau

- VON WALTER KAISER

Landkreis Der Terror wütete nicht nur in der Ferne – etwa in Polen oder den Weiten Russlands. Den Nazi-Terror gab es auch direkt vor der Haustür. Zum Beispiel im KZAußenlag­er Burgau und im Waldwerk Kuno, angelegt gegen Ende des Krieges im Scheppache­r Forst. Gut 30 Interessie­rte machten sich am Sonntagnac­hmittag auf Einladung der Volkshochs­chule Günzburg auf Spurensuch­e. Unter Leitung von Maximilian Czysz, Redakteur unserer Zeitung, wurden die Reste des weitläufig­en Kuno-Werkes besichtigt. Zweite Station war das Museum im Burgauer Schloss. Dort ist am kommenden Sonntag letztmals die Ausstellun­g „Im Schatten der Wunderwaff­e – Das KZ-Außenlager Burgau“zu sehen.

Als die Luftangrif­fe auf Deutschlan­d häufiger und heftiger wurden, beschlosse­n Hitler und die Seinen 1942, die Rüstungspr­oduktion zu dezentrali­sieren. Verteilt im ganzen Reich entstanden kleine, meist geheime Produktion­sstätten. Eine von war das Waldwerk Kuno im Scheppache­r Forst nahe der Autobahn. Endmontier­t wurde dort die Me 262, seinerzeit der schnellste Düsenjäger der Welt und propagiert als eine der „Wunderwaff­en“der Nazis.

Bei Eiseskälte mussten Zwangsarbe­iter im Winter 1944/45 das Werk aufbauen. Versteckt im Wald und getarnt mit Netzen, um für die alliierten Flieger unsichtbar zu sein. Neben Kriegsgefa­ngenen und Zwangsarbe­itern wurden auch jüdische KZ-Häftlinge an die Rüstungsin­dustrie „vermietet“. Um die Arbeitskrä­fte für Kuno unterzubri­ngen, wurde das KZ in Burgau gebaut – von 120 KZ-Häftlingen. Auf mörderisch­en Transporte­n wurden im Februar/März 1945 rund 1000 jüdische Frauen aus den Konzentrat­ionslagern Bergen-Belsen und Ravensbrüc­k als Arbeitskrä­fte für Kuno nach Burgau gebracht. Zusammenge­pfercht in Viehwaggon­s, halb verhungert und halb erfroren kamen sie an.

Viele hatten schon die Transporte nicht überlebt, die meisten Frauen waren so geschwächt, dass „nur“noch 120 von ihnen im Waldwerk arbeiten konnten. Hinzu kamen bei Kuno 150 männliche KZ-Häftlinge.

In den wenigen Wochen bis Kriegsende überlebten schätzungs­weise 25 Menschen die mehr als erbärmlich­en Zustände im Burgauer KZ nicht. Den ganzen Irrsinn zeigen zwei weitere Zahlen. Von den etwa 70 Me 262, die im Scheppache­r Forst zusammenge­baut wurden, gingen nur vier in die Luft. Der Rest war bei Fliegerang­riffen zerstört worden.

Maximilian Czysz hat rund um Kuno und das Burgauer KZ recherchie­rt. „Die Quellenlag­e ist dürftig“, erläuterte er den Teilnehmer­n der Exkursion. Bei Kriegsende war in Burgau ganze Arbeit geleistet worden. Massenhaft ist belastende­s Material vernichtet worden. Außer einigen betonierte­n Fundamente­n ist auch vom Waldwerk nicht mehr viel zu sehen. Rund um die seinerzeit­ige Kantine liegen noch einige Reste des früheren (Koch-)Geschirrs auf dem Boden. Im Zuge des Autobahnba­us ist lediglich die eheihnen malige Lackierere­i von Kuno wissenscha­ftlich untersucht worden. „Es gibt noch immer mehr Fragen als Antworten“, so Czysz.

Unstrittig ist, dass viele in Burgau, mit seinen damals rund 3000 Einwohnern, von dem KZ und dem Waldwerk wussten. Kein Wunder bei etwa 1200 Häftlingen, von denen viele auch zu Zwangsarbe­iten im Stadtgebie­t eingesetzt waren. Aus Angst oder Überzeugun­g haben die meisten weggeschau­t.

Doch es gab auch Mutige, wie Maximilian Czysz hervorhob. Menschen, die den Häftlingen heimlich Essen zusteckten oder Essbares über den Zaun von Kuno warfen. Maximilian Czyszs Geschichts­stunde endete mit einem Appell: sich für Demokratie, Freiheit und Recht einzusetze­n und aufzustehe­n gegen Gewalt und Willkür. O Die Ausstellun­g „Im Schatten der Wunderwaff­e – Das KZ Außenlager Burgau“ist letztmals am kommenden Sonntag, 19. Februar, von 14 bis 17 Uhr im Museum im Burgauer Schloss zu sehen.

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Fotos: Kaiser Unter erbärmlich­sten Umständen mussten jüdische KZ Häftlinge und Zwangsarbe­iter im Geheimwerk Kuno im Scheppache­r Forst den Düsenjäger Me 262 zusammenba­uen. Bei einer Veranstalt­ung der Volkshochs­chule Günzburg führte Maximilian Czysz, Re dakteur...
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